Wie tun wir jetzt mit Saudi-Arabien? [Momentum am Montag]
Foto © GEPA

Wie tun wir jetzt mit Saudi-Arabien? [Momentum am Montag]

Roberto Mancini wird nun Teamchef der saudi-arabischen Fußballnationalmannschaft. Europa muss sich überlegen, wie man mit dem arabischen – und anderen Ländern – umgeht.

Ja mei, das ist eben ihr Hobby, so wie sie sich einen Ferrari kaufen. Was soll man ihnen vorschreiben, was sie mit ihren Milliarden machen?

Markus Mader

+ + 90minuten.at PLUS – Von Georg Sohler + +

 

„Ich habe Geschichte in Europa geschrieben. Jetzt ist es an der Zeit, Geschichte mit Saudi-Arabien zu schreiben“, dieser Satz von Roberto Mancini ist unser Momentum am Montag.

Foto ©

Roberto Mancini, Europameister-Trainer von 2021, ist einer von vielen, der dem Ruf des Geldes in Saudi-Arabien folgt. Da kann er noch so pathetisch daher reden, wer beispielsweise gesehen, was Neymar alles bekommt, wird schon nicht glauben, dass irgendjemand aus rein sportlichen Gründen in den Ölstaat wechselt. Ok, Lionel Messi ging in die USA, aber der ist auch Botschafter für den Tourismus des Landes und muss dort nicht kicken, um die Petro-Dollars einzustreichen. Der Hintergrund der Multimillionen-Euro-Einkaufstour dürfte klar sein: Sich im Sinne des Sportswashing als toller Partner der Welt präsentieren, mit einem Schwerpunkt auf eine der nächsten Weltmeisterschaften.

 

Eine kurze historische Einordnung

Dass Destinationen außerhalb des globalen Fußballzentrums Europas in sind, ist nicht neu. Die zweite Hälfte der Nullerjahre war geprägt von Millionentransfers europäischer Stars von Europa nach China. Der zehntteuerste Transfer: Marko Arnautovic von West Ham zu Shanghei. Bis in die erste Hälfte der Nullerjahre war die Pro League der Vereinigten Arabischen Emirate eine etwas abgespeckte Version dessen. Nicht zu vergessen: Davor war beispielsweise Russland ein Ziel für Spieler, denen das eigene Bankkonto besonders am Herzen liegt. Schuld an diesen Transferschwüngen sind steinreiche Geschäftsleute oder Firmen, die sich gerne mit Stars schmücken. Was alle Länder auch mit Saudi-Arabien gemein haben, sind auf den ersten Blick Politik-, Menschenrechts- und Demokratiestandards, die mit Europa, USA und Co. schwer vereinbar sind.

 

Bleibt die Geopolitik so?

Europa wird sich hierbei etwas einfallen lassen müssen, nicht nur, weil viele Starspieler eine klare Antwort haben, was sie tun, wenn Autokratien mit dem Geld wedeln: Wir gehen dorthin, wo es die meiste Marie gibt. Egal, ob das Russland, China oder Saudi-Arabien ist. Aus europäischer Sicht ist es aber natürlich auch angenehm zu wissen, dass Kapital sich schnell bewegt und die Destinationen sich ändern können. So manch ein Funktionär wird wohl hoffen, dass das saudische Fußballprojekt so nachhaltig ist wie deren Golfserie. Diese entschloss sich bereits in Jahr 2 zum Abspecken und Kooperation mit den etablierten Touren. Ob das Pendel im Fußball wieder zurückschlägt, wie es bisher der Fall war, wird dann eher auf politischer Ebene entschieden. Noch ist „der Westen“ das Maß der Dinge, bekanntlich wird daran gearbeitet, eine alternative Weltordnung zu bauen.

 

Haustüre

Nicht nur, aber auch deshalb muss Europa vor der eigenen Haustüre kehren. Wie schon im Fall von der Winter-WM in Qatar tun sich Autokratien leicht, bei Kritik den Ball zurück zu spielen. Die Kolonialgeschichte Europas oder der Umgang mit Flüchtlingen im Mittelmeer und andernorts lässt viele Menschenrechts-Argumente ins Leere rennen. Auch, wenn das tägliche Leben nirgendwo so frei ist für die meisten, wie in Staaten, die den westlichen Wertekanon übernommen haben. Eine schwierige Angelegenheit, die der Fußball nicht lösen wird. Am maßlos übertriebenen Kapitalismus, der Ronaldo, Neymar, Mancini und Co. aber nach Saudi-Arabien bringt, daran sind die Verbände, Ligen und großen Vereine aber sehr wohl selber schuld. Die Gier vor allem der großen Klubs in Europa ist beinahe unermesslich. Es muss immer mehr Geld in die Ligen und internationalen Bewerbe gepumpt werden. Dazu zwei Beispiele. Werder Bremen nahm sieben Mal an der Champions League teil, zuletzt 2010/11. Laut einer Berechnung verdienten die Kicker von der Weser 15,5 Millionen Euro an Einnahmen aus der Königsklasse. Heutzutage streichen die Klubs mehr als Startgeld ein. Und: Ein Absteiger aus der Premier League kassiert im Schnitt 35 Millionen Euro. Wegen des Abstiegs (!)...

 

Ja mei...

Der Systemfehler im internationalen Fußball ist vor allem das Ausufern der Ablösesummen und Gehälter. In diesem System hat dann irgendwer immer viel Geld, egal ob Manchester, Peking oder Riad. Und man kann es so sehen wie Lustenau-Coach Markus Mader im 90minuten.at-Exklusiv-Interview: „Ja mei, das ist eben ihr Hobby, so wie sie sich einen Ferrari kaufen. Was soll man ihnen vorschreiben, was sie mit ihren Milliarden machen?“ Der Fußball kann auch ohne einem schier endlos gefüllten Bankkonto globaler werden. Das zeigte zuletzt Marokko. Europa kann die saudische Shoppingtour nun durchtauchen wie jene Chinas oder Russlands. Oder voran gehen, um das System wieder weg vom Business, hin zum Sport zu drehen.

Gleich exklusiv weiterlesen:

 

90minuten.at-exklusiv