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Oliver Egger über Homophobie: "Ohne Strafen wird man der Sache nicht Herr werden" [Exklusiv-Interview]

Homophobie bleibt ein Problem in Österreichs Fußball. Kurz vor dem Wiener Derby hat 90minuten.at mit jemandem gesprochen, der das ändern möchte: Oliver Egger von der Ombudsstelle "Fußball für Alle".

+ + 90minuten.at PLUS - Das Gespräch führte Daniel Sauer + +

 

Der österreichische Fußball hat sein Problem mit homophobem Gedankengut noch nicht hinter sich gebracht. Auf die Frage, wie man damit umzugehen gedenkt, erklärte Bundesliga-Vorstandsvorsitzender Christian Ebenbauer im 90minuten.at-Interview: "Wir haben schon sehr viel gemacht, an erster Stelle steht der Dialog. Zum Beispiel haben wir die Ombudsstelle 'Fußball für Alle' ins Leben gerufen". Die Ombudsstelle - das ist vor allem Oliver Egger, der sie seit ihrer Gründung im Jahr 2019 führt. 

Im Interview mit 90minuten.at wird deutlich: So wie die Bundesliga in diesem Bereich derzeit aufgestellt ist, wird es nicht reichen. Egger beschreibt seine "Sisyphus-Arbeit" und macht Vorschläge, wie besser mit homophoben Entgleisungen während Bundesligaspielen umgegangen werden könnte. Am Sonntag ist wieder Wiener Derby - in der Vergangenheit wiederholt ein Problemspiel. Für Egger war die Kommunikation mit Austria und Rapid in den letzten Jahren nicht immer einfach, er würde sich aktivere Zusammenarbeit wünschen.

 

90minuten.at: Die Ombudsstelle "Fußball für Alle" wurde als Resultat eines runden Tisches von Bundesliga und ÖFB gegründet. Wie ist dieser Prozess abgelaufen?

Oliver Egger: Das war 2018, es hat wieder homophobe Sprechchöre in Österreichs Stadien gegeben. Seitens der Bundesliga und des ÖFB hat man Hilfe gesucht und deshalb die queere Community nach Wien zu einem runden Tisch eingeladen. Die steirischen Vertreter:innen haben gewusst, dass ich Fußball spiele und haben mich gefragt, ob ich mitfahren möchte. Marco Schreuder hat moderiert, es waren Vertreter:innen von Bundesliga und ÖFB da. Die Prämisse war, dass wir konstruktive Ideen finden und nicht jammern. Wir haben drei Stunden alle möglichen Ideen aufgeschrieben - eine davon war, eine externe Stelle zu gründen, wo sich alle melden können, die Fragen haben. An diesem Tag ist nicht nur diese Idee geboren, sondern auch, dass ich das leiten soll als „einziger geouteter Fußballspieler in Österreich“ – wobei das im Endeffekt auch nicht ganz stimmt, weil es andere Spieler gibt, die in ihren Vereinen geoutet sind, deren Geschichte aber nicht so öffentlich ist. Dann hat es ein paar Monate gedauert bis es offiziell angelaufen ist, bis ich gemeinsam mit Marco Schreuder gefragt wurde, ob ich das leiten möchte.

"Es wäre schön, wenn es ein Full Time Job wäre. So muss es sich neben Alltagsjob und aktivem Kicken ausgehen." - Oliver Egger

90minuten.at: Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen? Ist das für dich ein Full Time Job?

Egger: Es wäre schön, wenn es so wäre, dann könnte ich mehr angehen und weiterbringen. So ist es etwas, das sich neben dem Alltagsjob und dem aktiven Kicken ausgehen muss – ich schaue, dass ich "Fußball für Alle" da irgendwie reinquetsche. Es ist schade, in Deutschland gibt es eine komplett besetzte Stelle. Auch bei uns bräuchte es jemanden, der sich nur auf diesen Job konzentrieren kann.

 

90minuten.at: Weißt du, ob es Pläne gibt, daran etwas zu ändern?

Egger: Ich glaube, im Moment nicht. Wir existieren als externer Verein, sollte irgendwann der Bedarf seitens ÖFB und Bundesliga nicht mehr da sein, bestehen wir trotzdem weiter.

 

90minuten.at: Du hast gesagt, dass es sich als eine Art Nebentätigkeit ausgehen muss. Wie viele Leute kommen denn auf dich zu – mit welchen Anliegen melden sie sich?

Egger: In diesem Jahr ist es etwas ruhiger. Eine tatsächliche Zahl kann ich nicht nennen, aber es sind im Jahr fünf bis sechs, die sich melden und Fragen zum Coming-out haben. Sie sind oft noch nicht so weit, manchmal braucht es auch nur jemanden zum Reden, der das schon einmal durchgemacht hat. Auffällig ist, dass sich bis jetzt nur Männer gemeldet haben. Hoffentlich haben wir in Zukunft auch eine Ombudsfrau, damit auch Frauen eine Ansprechpartnerin haben.

 

90minuten.at: Mit wie viel Druck ist deine Tätigkeit für dich verbunden? Würdest du dir ein, zwei paare Schultern zusätzlich wünschen, um die Aufgaben besser aufteilen zu können?

"Je mehr mitarbeiten, desto einfacher ist es für einen selbst - im Moment bleibt doch viel an mir hängen." - Oliver Egger

Egger: Je mehr mitarbeiten, desto einfacher ist es für einen selbst – im Moment bleibt doch viel an mir hängen. Ich bin aber nicht ganz alleine, teils überschneidet sich die Arbeit zum Beispiel mit "fairplay". Rückendeckung ist seitens ÖFB und Bundesliga auf jeden Fall da, vor allem Ingo Mach (Anm.: Im ÖFB zuständig für Präventive Fanarbeit) ist Gold wert. Der Druck auf meine Person ist nicht besonders groß – wenn, dann habe ich ihn mir selbst gemacht. Meine Hauptarbeit ist, Menschen zu helfen, die sich bei der Ombudsstelle melden. Alles, was sich darüber hinaus ausgeht, ist ein Bonus. Man wird aber natürlich schon abgestempelt als der "schwule Spieler", bei dem sich dann alle melden, wenn es gerade ein Coming-out gegeben hat.

90minuten.at: Teil deiner Aufgaben wäre es eigentlich auch, mit Vereinen zu kommunizieren. Wie viel Zeit nimmt das in Anspruch, was passiert in diesem Bereich?

Egger: Bis jetzt ist auf dieser Ebene eher weniger passiert. Wir haben uns vorgenommen, vor dem Wiener Derby mit den Verantwortlichen beider Vereine ins Gespräch zu kommen, um homophoben Sprechchören, Bannern und ähnlichem vorzuwirken - damit man sich auf den Fußball konzentrieren kann. Mit dem Fanbeauftragten von Sturm arbeiten wir öfter zusammen, der meldet sich aber auch von selber – die anderen brauchen oft den berühmten Tritt in den Hintern. Bei mir scheitert es oft aus Zeitgründen, mit den Wiener Vereinen wollen wir aber reden.

 

>> Fortsetzung: Oliver Egger über das Wiener Derby, Strafen und positive Beispiele

 

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