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Gerald Baumgartner: "Man kann es auch so sehen: Wir haben gleich viel Punkte wie die Austria"

Wenige Tage nach dem für ihn doch überraschenden Aus bei der SV Ried spricht Gerald Baumgartner über seine Zeit im Innviertel, den großen Unterschied zwischen der 2. Liga und der Bundesliga sowie seine persönliche Zukunft.

+ + 90minuten.at Exklusiv + + Ein Interview von Georg Sander

 

90minunten.at: Herr Baumgartner, wenige Tage nach der Trennung von der SV Ried haben wir die Möglichkeit, die Hintergründe herauszufinden. Findet der Fußballexperte Gerald Baumgartner es eigentlich gut, dass der Ried-Trainer Baumgartner vor der Winterpause gehen musste, damit der Nachfolger die (kurze) Vorbereitung machen kann? In den letzten Jahren war das oft anders.

Gerald Baumgartner: Es kam schon überraschend, für mich und alle. Aber es ist so entschieden worden. Ein neuer Trainer hat dann in der kurzen Vorbereitung die Möglichkeit, sich mehrere Wochen einzuarbeiten und eine halbe Vorbereitung zu machen.

90minuten.at: Es war eine einvernehmliche Trennung. Finden Sie, dass die Ergebnisse gegen Sie sprechen?

Baumgartner: Ein paar schon. Vor allem zuletzt gegen Altach, da haben wir gut 80 Minuten zu zehnt gespielt. Alle konnten sehen, dass wir bis zur 75. Minute dem 2:1 näher waren als der Gegner, mit einer Unachtsamkeit kamen wir ins Hintertreffen. Das war das Signal für Altach. Wir haben alles gegeben, gut gespielt. Auswärts bei der Admira haben wir uns nach einem guten Start mit dem Sieg gegen die WSG Tirol und einer schwierigen Auslosung ausgerechnet, dass wir punkten können. Das gelang nicht. Es war auch keine gute Leistung. Im Endeffekt haben wir zehn Punkte, alles ist eng. Ich bin ein Trainer, ich denke immer nach vorne. Es ist nicht so viel, dass wir nicht auch noch nach vorne kommen könnten. Ich bin auch davon überzeugt, dass das Team gegen Wattens punkten kann.

 

90minuten.at: Welche Gründe nannten die Verantwortlichen Ihnen für die Trennung?

Baumgartner: Roland Daxl, Rainer Wöllinger und ich haben uns zusammen gesetzt. Der Vorstand und der Verein waren der Meinung, sich von mir zu trennen. Das ist zu akzeptieren. Ich war sehr gerne in Ried, es waren tolle Jahre. In den letzten drei Jahrzehnten waren nicht viele Coaches so lange im Innviertel. Leider hatte ich auch eine Lungenentzündung, ich war die letzten Wochen nicht hundertprozentig fit. Ein paar Prozent haben in Summe gefehlt. Aber blicke auf Erfolge zurück. Mit einem weinenden Auge, weil es vor dem Vertragsende war und einem lachende, weil es eine schwierige Aufgabe war.

 

90minuten.at: Sie waren Sportchef und Trainer. Hätten Sie da früher einen echten Sportdirektor an Ihrer Seite gebraucht? Haben Sie es sich selber schwer gemacht?

Baumgartner: Der Verein muss sich auch in personeller Hinsicht steigern und nach oben strampeln. Es fehlen natürlich auch Ressourcen im Betreuerstab. In der 2. Liga, auch in Abstimmung mit Roland Daxl, war es noch ok. Die Bundesliga ist noch eine andere Nummer. Es kommen nun neue Strukturen, das wird ehrgeizig umgesetzt. Es hätte das auch im Sommer gebraucht, aber dadurch, dass wir durch Corona erst spät aufgehört haben, die Vorbereitung kurz war, der physische Zustand nicht so gut war und wir Spieler geholt haben, die zuvor weniger gespielt haben – ich wusste, dass es eine schwierige Aufgabe werden kann. Wenn man etwas entwickeln will, brauch es Zeit. Das geht manchmal schnell, manchmal dauert es länger. Man hat manchmal mehr Geduld, manchmal weniger. Wir sind eigentlich gar nicht so schlecht unterwegs.

 

Das Gespräch als Podcast:

90minuten.at: Wenn man nicht gerade punktlos Letzter ist, ist das mit der Punkteteilung aber eigentlich eh egal, wie man im Herbst dasteht, oder? Und: In einer alternativen Realität gewinnen Sie gegen Altach und feiern mit Herrn Wöllinger gemeinsam Weihnachten.

Baumgartner: Sehr gut ausgedrückt. Ich möchte das auch so stehen lassen.

 

90minuten.at: Wie groß ist die Umstellung zwischen höchster und zweithöchster Liga? Die Aufsteiger in die neue 12er-Liga sind sportlich sofort wieder abgestiegen. Taktisch ist es so: In der 2. Liga gewinne ich andauernd, dann geht es um Europacup-KO-Phasen-Teilnehmer.

Baumgartner: Man muss die Defensive natürlich stabilisieren. In der 2. Liga gab es von Jahr zu Jahr zudem weniger Budget, es war eine Challenge, eine richtig gute Mannschaft zusammen zu stellen. Dann hat man fast immer den Ball, muss dominant auftreten. Viele stellen sich gegen Ried hinten hinein.

 

90minuten.at: Ich möchte kurz unterbrechen: Warum spielt man dann nicht gleich dominant weiter. Ob ich jetzt gegen Salzburg 2:0 verlier und offensiv spiele oder nur hinten drinnen stehe und verliere, ist ja egal. Ich muss ja in ein paar Wochen vom dominanten Team zum sicher-Steher werden. Zu Tode gefurchten ist ja auch gestorben.

Baumgartner: Das denke ich nicht. Ich habe mit drei verschiedenen Mannschaften gegen Salzburg gewonnen, auch gegen die Austria. Man braucht eine stabile Defensive, bekamen einen neuen Tormann, hatten Verletzungsprobleme in der Innenverteidigung. Da muss man erst die Abstimmung finden. Und dann komme ich zum normalen Prozedere: Manchmal dauert es kürzer, manchmal länger. Das hängt auch von den Ergebnissen ab. Es sind zehn Punkte herausgekommen. Gegen Salzburg waren wir bis zum Schluss nah dran, einen Punkt zu machen. Von dem her hatten wir gegen Salzburg ein defensives Konzept, das uns bis zum Schluss hoffen ließ.

 

"Die Kluft wird immer größer, in der 2. Liga gibt es viel weniger Geld, weniger Fans, die Attraktivität der Gegner und der Stadien ist in der Bundesliga höher." - Gerald Baumgartner

90minunten.at: Sie haben relativ wenig Bundesligaerfahrung dazu geholt. Hätte es mehr gebraucht?

Baumgartner: Wir hatten einige Probleme, wir wollten das steuern. Wir haben das Konzept nach den Spielern gerichtet und haben gute Leistungen gezeigt. Es gab Auf und Abs. Das ist normal, das kann passieren, wenn es vom Kader her Probleme gibt und man immer wieder umstellen muss. Wir wollten es positiv nehmen und wir sind ja nicht Stockletzter. Es wird auch im Frühjahr eng bleiben. Das beste Beispiel ist Hartberg, die haben europäisch gespielt und waren letztes Jahr im Europacup. Es wurden jetzt zehn Punkte – man kann es auch so sehen: Gleich viele wie die Austria. Es ist einfach knapp.

 

90minuten.at: Ist der Unterschied zwischen 2. Liga und Bundesliga zu groß? Admira, Grödig und Altach wurden in der Aufstiegssaison je Dritter.

Baumgartner: Es ist schwieriger geworden. Der Unterschied zwischen erster und zweiter Liga ist größer geworden. Die Kluft wird immer größer, in der 2. Liga gibt es viel weniger Geld, weniger Fans, die Attraktivität der Gegner und der Stadien ist in der Bundesliga höher. Ried haben auch die Fans gefehlt. Wir hatten dreieinhalbtausend Fans in der 2. Liga. Die jeweiligen Aufsteiger müssen sich Schritt für Schritt an höhere Budgets und größere Zuschauerzahlen heran tasten, wenn man gegen die heimischen Topmannschaften spielen darf. Dazu gehört es auch, das erste Jahr zu überleben.

 

90minunten.at: Zum Abschluss zu Ihnen. Sie sind 56 Jahre alt, sie wollten vermutlich noch länger in Ried bleiben. Was haben Sie vor? Warten Sie an der Seitenlinie, bis Sie wieder eingewechselt werden?

Baumgartner: Ich muss einmal schauen, dass meine Lungenentzündung ganz abheilt. Das dauert ja länger. Ich fühle mich aber wieder fit und werde nach den turbulenten und intensiven Jahren in Ried mit der Familie genießen. Ich arbeite gerne und viel. Ich bin mit Leib und Seele Fußballtrainer, das möchte ich in den nächsten Jahren ausüben. Wenn ich dann bereit bin, möchte ich wieder in den Bundesligafußball.

 

90minuten.at: Wenn man sich Ihre Vita anschaut, dann war es bislang schwierig, in der Bundesliga lange Fuß zu fassen. Warum?

Baumgartner: In Mattersburg haben wir unsere Ziele erreicht, wurden im zweiten Jahr Sechster. Das war ein relativ großer Erfolg. Bei der Austria war es schwierig, aber man sieht, dass es nicht einfach ist, dort Trainer zu sein. In Ried und überall anders habe ich meine Ziele erreicht. Wenn man sich mein Profil genau ansieht, dann sind das gute Werte. Ich sehe das positiv! Leider Gottes ist es Gang und Gebe, den Trainer auszuwechseln, wenn es das eine oder andere Problem gibt. Ich denke nicht, dass es bei mir so viel zu bekritteln gibt.

 

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