Schwache Liga? "Die können auch öfters als einmal gaberln"
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Schwache Liga? "Die können auch öfters als einmal gaberln"

Salzburg-Kapitän Mads Bidstrup begibt sich im 90minuten-Interview auf Spurensuche, woran es gegenwärtig hakt.

Im Sommer 2023 heuerte Mads Bidstrup bei Red Bull Salzburg an. Mit im Gepäck des Dänen: Eine Ausbildung beim FC Kopenhagen und bei RB Leipzig sowie der Reifeprozess zum Profi bei Brentford bzw. Nordsjaelland.

Mittlerweile ist er mit seinen 24 Jahren der achtälteste Spieler im Kader der Bullen und Kapitän. In dieser Funktion muss er derzeit öfters erklären, warum gewisse Dinge nicht funktionieren - und das tut er im 90minuten-Interview auch ausführlich.

Zunächst dreht sich das Gespräch um genau diese Frage: Wie ist sein Standing als junger Spieler, der aber gleichzeitig im Vergleich zum Rest alt ist - und was kann ein Älterer überhaupt besser als ein Jüngerer?

Und dann wird natürlich über das Paradoxon gesprochen, warum die Mozartstädter als Tabellenerster eigentlich nicht dort sind, wo sie hingehören, wie stark die Liga ist und auch wie die Nachwuchskicker in die erste Mannschaft kommen.

90minuten: Bevor wir zum Sport kommen, reden wir über dich und deine Rolle im Verein. Trainer Thomas Letsch hat gemeint, du bist "gefühlt schon Salzburger". Wie siehst du das?

Mads Bidstrup: Ich bin über mein Standing hier in Salzburg sehr glücklich. In den zweieinhalb Jahren, die ich hier bin, habe ich mir einiges erarbeitet. Das liegt einerseits am Trainer, andererseits an harter Arbeit. Ich will mich immer einbringen, nicht nur in der Kabine und im Trainingszentrum, sondern auch in der Stadt und den Fans gegenüber. Das hat sich eben ausgezahlt. Weil wenn du Kapitän bist, trägst du viel Verantwortung. Ich bin oft der Erste, der gefragt wird, warum etwas nicht gut läuft. Ich mach das gerne und denke, dass ich über die notwendigen Qualitäten dazu verfüge.

90minuten: Du bist erst 24 Jahre alt, damit der achtälteste im Kader. Bei vielen anderen Teams wärst du eher bei den Jüngeren. Was macht das mit dir?

Bidstrup: Als ich bei Brentford in der Premier League war, war ich der Jüngste. Hier dann einer der älteren Spieler zu sein, war schon eine große Umstellung. Aber es ist gut, dass ich mit Alex Schlager, Stevie Lainer, Jakob Rasmussen oder Karim Onisiwo Teamkollegen an meiner Seite habe, die einiges an Erfahrung haben. Allerdings möchte ich betonen, dass wir als Team in der Lage sind, mit dem von dir erwähnten Umstand umzugehen. Natürlich sind die Themen der 17-, 18- oder 19-Jährigen schon anders, als wenn jemand 30 Jahre alt ist. Das macht meine Rolle mitunter anspruchsvoll, aber auch spannend.

90minuten: Lange wurde behauptet, Salzburg sei zu jung, dann kamen zuerst Onisiwo, dann Lainer und so weiter. Welche Soft Skills hast du als älterer Spieler im Vergleich zu den jungen Burschen?

Bidstrup: Was ich ihnen mitgeben kann, ist, dass ich schon mit 16 Jahren von zu Hause weg gewechselt bin und viel gesehen habe, am Spielfeld aber auch abseits davon. Dabei meine ich nicht nur die schönen Seiten des Fußballs, sondern auch das Rundherum. Viele, die zu uns nach Salzburg kommen, sind das erste Mal in ihrem Leben von zuhause weg und oft auch noch frisch im Profi-Fußball. Wenn sie alleine sind, gehe ich mit ihnen auf einen Kaffee, übersetze beim Arzt, wenn ich das kann, oder helfe bei sonstigen Sachen.

Und gerade, wenn es am Platz nicht so gut läuft, ist es für junge Spieler schwierig, damit mental umzugehen, weil Ihnen noch diese Erfahrungen fehlen. In dieser Situation sind die erfahrenen Spieler wichtig, damit die Jungen das richtige Mindset behalten, nicht frustriert werden, sich nicht von Emotionen negativ leiten lassen. Ich bin in der Kabine zwar nicht ihre Mama oder der Papa, aber immer für sie da, wenn sie etwas brauchen.

Letztlich gilt aktuell: Ja, ich stimme zu, wir sind nicht konstant genug. Das wollen wir so schnell wie möglich beheben.

Mads Bidstrup

90minuten: Ich kann mir vorstellen, dass Zlatko Junuzovic als Co-Trainer, der im Gegensatz zum Cheftrainer eine sehr lange Profikarriere hatte, noch eine weitere Stütze ist.

Bidstrup: Was Zladdi einbringt, ist sehr positiv. Man sieht den Impact auch: Er bringt positive Energie und Stimmung rein. Ich persönlich kann immer zu ihm gehen und mir Ratschläge holen. Er kennt ja die länger zurückliegenden Red-Bull-Salzburg-Zeiten, den Klub und die Werte. Das finde ich inspirierend.

90minuten: Kommen wir zum Sport: Ihr spielt manchmal gut und verliert, gebt sogar einen 2:0-Vorsprung her. Warum klappt's nicht über die vollen 90 Minuten?

Bidstrup: Wenn man das so einfach sagen könnte, wären wir nicht in der Situation. Es spielen verschiedene Faktoren mit rein. Der gesamte Klub ist beispielsweise in einer Umbruch- bzw. Entwicklungsphase. Wenn man sich dann ansieht, wo wir vor einem Jahr waren, stehen wir schon recht ordentlich da, auch wenn wir bei weitem noch nicht zufrieden sind. Dass die Erwartungshaltung uns gegenüber hoch ist, wissen wir und sind ja selbst davon überzeugt, dass wir das beste Team in Österreich sind. 

Aber es ist noch immer ein junges Team, das zwar die Qualität hat, jedoch nicht immer die notwendigen richtigen Entscheidungen trifft. Wir müssen zum Beispiel bei einem Spielstand von 2:0 nicht wie verrückt attackieren. Da können wir etwas bedachter agieren. Manchmal fehlt zudem die Konzentration über die vollen 90 Minuten. Letztlich gilt aktuell: Ja, ich stimme zu, wir sind nicht konstant genug. Das wollen wir so schnell wie möglich beheben.

"Schau, du stehst nach einem Spiel wie gegen die WSG und Altach da und kannst es gar nicht glauben, denkst dir: 'Wie konnte das passieren? Wie kann Tirol in 30 Minuten drei Tore machen?'"
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"Schau, du stehst nach einem Spiel wie gegen die WSG und Altach da und kannst es gar nicht glauben, denkst dir: 'Wie konnte das passieren? Wie kann Tirol in 30 Minuten drei Tore machen?'"

90minuten: Die angesprochene Erwartungshaltung ist immer Titel und Champions League – wenn man das ein-, zweimal verpasst, spielt dann in jedem Spiel die Angst mit, dass man scheitert? Beim 2:0 gegen die WSG...

Bidstrup: (unterbricht) Das Spiel hätten wir auf alle Fälle gewinnen müssen. Schau, du stehst nach einem Spiel wie gegen die WSG und Altach da und kannst es gar nicht glauben, denkst dir: 'Wie konnte das passieren? Wie kann Tirol in 30 Minuten drei Tore machen?'. Wenn das öfters passiert, dann gehen dir noch andere Gedanken durch den Kopf.

Doch wenn du die Spiele dann analysierst, siehst du die Fehler und dass diese uns auf diesem Level Punkte kosten. Die müssen wir abstellen. Unsere Effizienz – in beiden Strafräumen – ist einfach nicht gut genug. Wir arbeiten natürlich jeden Tag dran, die Box besser zu verteidigen und mehr Tore zu schießen. Obwohl ich schon denke, dass wir zu vielen Chancen kommen und viele rein machen, nur eben zu viele bekommen. Da muss die Balance gefunden werden. Vor allem auch, weil man die Bundesliga nicht unterschätzen sollte.

90minuten: Ich will jetzt keinen Assist zu einer Ausrede liefern, aber den Punkt aufnehmen. Sind Altach und Co. in den letzten zwölf Monaten besser geworden?

Bidstrup: Die Fans müssen schon verstehen, dass dort auch gute Spieler sind, die öfters als einmal gaberln können. Man braucht sich dafür ja auch nur die aktuelle Tabelle ansehen, wo alles extrem knapp beisammen ist. Ob das Level der anderen Klubs angestiegen ist oder wir eben erst an einem gewissen Punkt unserer Entwicklung sind, weiß ich nicht. Es ist schlichtweg enger und das wissen wir auch. Wir werden in jedem Spiel unter Druck kommen.

Als Salzburg-Fan würde ich es natürlich lieber sehen, wenn wir fünf, sechs Punkte weiter vorne sind. Aber die Liga ist aufregend, weil jedes Spiel ein intensiver Fight ist. Der LASK ist ein gutes Beispiel: Sie hatten am Anfang der Saison Probleme, jetzt haben sie acht der letzten acht Spiele gewonnen, und du siehst, wie gut sie sind.

Wir kreieren zwar viele Chancen, die Effizienz ist aber noch nicht hoch genug, wenn wir jedes Spiel zwei Tore kassieren.

Mads Bidstrup

90minuten: Das Toreschießen wird mit den Comebacks von Onisiwo und Konaté vermutlich leichter. Sprich: Muss der Fokus nun auf der Defensivarbeit liegen?

Bidstrup: Zuerst möchte ich schon festhalten, dass wir in der Bundesliga die mit Abstand meisten Tore erzielt haben. Ich denke aber, dass dieses Sprichwort schon eine gewisse Richtigkeit hat: Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Meisterschaften.

Wir kreieren zwar viele Chancen, die Effizienz ist aber noch nicht hoch genug, wenn wir jedes Spiel zwei Tore kassieren. Aber ich möchte ganz klar sagen, dass es dabei nicht um die Personen in der letzten Verteidigungslinie geht, sondern darum, wie wir als Mannschaft verteidigen.

90minuten: Und wenn ich junge Spieler einsetze, dann muss ich damit rechnen, dass sie mehr Fehler machen.

Bidstrup: Du könntest ja umgekehrt sagen, dass ein 35-Jähriger nicht mehr so schnell laufen kann. Es geht nicht um das Alter, sondern unsere Prinzipien und Werte, wie wir uns verhalten, wenn wir unser Tor verteidigen. Das Vertrauen in die Klubphilosophie ist hoch. Wenn ein junger Spieler in der Bundesliga aufläuft, sind der Trainer und der gesamte Staff davon überzeugt, dass sie ready sind. Trummer, Schuster, Gadou – sie haben schon oft bewiesen, dass sie das können.

90minuten: Findet man diese Zeit dann in der Winterpause, um alles besser einzuspielen – wenn man nicht alle drei Tage spielt und dazwischen mehr regeneriert als trainiert?

Bidstrup: Die Fans können sich zu 100 Prozent sicher sein, dass wir absolut alles tun, um am höchstmöglichen Level zu performen. Wir haben aber in dieser Saison auch jetzt schon 27 Spiele absolviert – ohne die Klub-WM. Das ist schon intensiv und wir haben viel gelernt. Die Pause nach den letzten Spielen wird uns guttun, um zu analysieren und dann noch mehr zu arbeiten, um besser aus der Winterpause herauszukommen. Ich werde jetzt nichts versprechen, außer dass wir alles für den Erfolg geben werden.

Bidstrup über die U17: "Die, die schon im Erwachsenenfußball spielen, haben Vorteile gegenüber ihren Alterskollegen."
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Bidstrup über die U17: "Die, die schon im Erwachsenenfußball spielen, haben Vorteile gegenüber ihren Alterskollegen."

90minuten: Apropos Nachwuchs: In den letzten Wochen hat der Salzburg-Nachwuchs bei der U17-Weltmeisterschaft aus. Wie bringt man diese Burschen in die erste Mannschaft – was soll jetzt geschehen?

Bidstrup: Zunächst einmal finde ich es toll, dass der Klub so viele Talente hat, die es in ein U17-WM-Finale schaffen. Es ist aber nicht mein Job zu wissen oder zu erklären, wann diese bereit sind; Wir haben sind sehr viele qualifizierte Personen bei uns, die das entscheiden werden. Der Klub handhabt es so, dass die, die gut sind, eine Chance bekommen, egal, wie alt sie sind.

Eines zeigte sich schon in Katar: Die, die schon im Erwachsenenfußball spielen, haben Vorteile gegenüber ihren Alterskollegen. Mit Liefering gibt es einen guten Ort, um die ersten Schritte im Erwachsenenfußball zu tätigen. Ich denke, sie werden ihre Chancen also bekommen.

90minuten: Für viele Spieler ist die österreichische Bundesliga ein Ort, um sich für größere Ligen zu empfehlen. Du bist 24 Jahre alt, was sind deine Pläne?

Bidstrup: Eine der ersten Sachen, die ich zum neuen Trainer letztes Jahr gesagt habe, war: Viele Spieler wollen hier eineinhalb, zwei Jahre performen und dann woanders hin wechseln. Ich sehe das anders. Red Bull Salzburg ist ein Klub in einer super interessanten Entwicklungsphase. Es ist für mich nicht so, dass ich aufzeige und bei der ersten Gelegenheit weg bin. Salzburg fühlt sich toll an, wie ein richtiges Zuhause.

Ich will den Klub jetzt wieder dorthin bringen, wo er hingehört – an die Spitze des österreichischen Fußballs. Gerade weil das nicht so leicht ist, mag ich diese Aufgabe so sehr. Ich arbeite ja immer daran, wie ich mich als Kapitän verbessern kann, das werde ich auch in der Winterpause machen.

90minuten: Zu viel Druck kann Karrieren ohnehin verlangsamen oder sogar verhindern. Was wäre denn dein Plan B gewesen, wenn du nicht Fußballprofi geworden wärst?

Bidstrup: Meine Eltern haben mir als Kind immer gesagt, dass sie auf mich stolz sind, wenn ich mein Bestes gebe - ganz egal ob als Feuerwehrmann oder auf der Universität. Das habe ich mitgenommen....

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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