Dietmar Riegler: "Der WAC passt eigentlich gar nicht dort hin"
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Dietmar Riegler: "Der WAC passt eigentlich gar nicht dort hin"

Das "Leicester City Österreichs" greift nach dem Double. Im Interview blickt der Präsident auf die aktuelle Lage, zukünftige Herausforderungen und ein neues Stadion.

Der Wolfsberger AC ist nur 180 Minuten davon entfernt, österreichische Fußballgeschichte zu schreiben.

Die Kärntner können sich mit zwei Siegen zum Doublesieger und damit zum wahrscheinlich größten Sensationsteam seit Gründung der Bundesliga krönen. "Wenn ich in einem ruhigen Moment nachdenke, was alles möglich ist, bin ich schon ein bisschen nervös", gibt Präsident Dietmar Riegler zu.

Was wie ein Märchen klingt (das es eigentlich jetzt schon ist), war zu Saisonbeginn völlig undenkbar. Im 90minuten-Interview blickt der Klub-Boss auf ein Jahr zurück, das den Verein in neue Sphären katapultiert hat.

Er spricht über historische Dimensionen, Aufbruchstimmung in der Stadt, Transfergerüchte und warum auch ein möglicher Titelgewinn nichts an der Bodenhaftung des Klubs ändern würde.

90minuten: Zwei Siege und ihr seid Meister: Wie hätten Sie reagiert, wenn Ihnen das jemand Anfang des Jahres 2025 gesagt hätte?

Dietmar Riegler: Den hätte ich zu einem Spinner erklärt. Das war zu Saisonbeginn so unrealistisch. Wir hätten uns nicht einmal getraut, uns das vorzustellen. Wir waren so weit weg. Ich kann mich noch erinnern, als wir beim Trainingsstart mit Didi Kühbauer in der Trainerkabine gesessen sind. Wir hatten noch gar keine richtige Mannschaft und der Kader war noch so klein. Da war es das Ziel, unter die Top sechs zu kommen, aber zu dem Zeitpunkt haben wir uns gedacht: Mit diesem Kader werden wir es sehr, sehr schwer haben. Aber dann haben wir Woche für Woche Spieler dazubekommen, die uns als Mannschaft mit ihrer Qualität besser gemacht und glücklicherweise schnell "funktioniert" haben – nichtsdestotrotz war an einen möglichen Meistertitel nicht zu denken.

90minuten: Der WAC wäre als Meister in mehrerlei Hinsicht ein absolutes Novum. Bisher kamen diese ausschließlich aus Wien, Graz, Linz, Innsbruck und Salzburg. Ihr wärt also auch der erste Kärntner Meister und der erste, mit weniger als 100.000 Einwohnern. Was bedeuten Ihnen solche Statistiken?

Riegler: Wir haben ja schon mehrmals Geschichte geschrieben, wenn man an die Europacupspiele zurückdenkt. Wir haben Gladbach 4:0 besiegt (Europa League 2019/20, Anm.) und wurden in einer Gruppe mit Feyenoord Rotterdam, Dinamo Zagreb und ZSKA Moskau Zweiter (Europa League 2020/21, Anm.). Dort passt der WAC eigentlich gar nicht hin. Man sieht, dass mit Zusammenhalt und wenn der Wille da ist, Kräfte frei werden und im Fußball sehr viel möglich ist.

90minuten: Erhoffen Sie sich von der erfolgreichen Saison auch einen Aufschwung in Sachen Zuschauer und einen generellen Zuwachs an Fans?

Riegler: Es herrscht natürlich totale Aufbruchstimmung. In Wolfsberg wird nach wie vor nur über Fußball gesprochen. Das ist Thema Nummer eins. Das war ja für niemanden vorstellbar und so weit weg, dass wir so weit kommen.

Alles, was wir heuer erreicht haben, geht in die Geschichte ein.

Dietmar Riegler über eine schon jetzt historische WAC-Saison

90minuten: Eine so erfolgreiche Saison lässt ja potenziell auch die Erwartungshaltung im Klub-Umfeld wachsen. Beschäftigt Sie eigentlich der Gedanke, dass der Druck von außen steigen könnte, das zu wiederholen?

Riegler: Das glaube ich nicht, wir sind hier sehr bescheiden. Ich versuche einfach, in jeder Situation das Beste zu machen. Man muss sich sagen: Es ist jetzt so, ich muss mich mit der Situation zurechtfinden und es gibt keinen Grund zum Jammern. Das ist eine Eigenschaft von mir und von vielen, die hier mitarbeiten. Den Erfolg muss man vor allem der Mannschaft und dem Trainerteam zuschreiben. Ich kann nur meine Wünsche einbringen, meine Anliegen vortragen und allen ins Gewissen reden. Wie sie das bisher umgesetzt haben, ist einzigartig.

Alles, was wir heuer erreicht haben, geht in die Geschichte ein. Die Mannschaft will jetzt natürlich noch die Ziellinie überqueren, aber wenn uns das (der Meistertitel, Anm.) nicht gelingt, bricht bei uns deswegen auch nichts zusammen. Dass das Ganze nicht zu wiederholen sein wird, dürfte jedem klar sein. Natürlich werden wir wieder versuchen, eine gute Mannschaft auf die Beine zu stellen und erfolgreich zu sein. Es wird uns ja doch der eine oder andere verlassen, andere werden hinzukommen. Ob das dann aufgeht, werden wir sehen.

90minuten: Sie sprechen bereits möglich Abgänge an. Wie groß ist die Angst, dass diese Mannschaft nach der Saison aufgrund eines Ausverkaufs auseinanderbricht?

Riegler: Es ist bei mir immer so, dass ich gewisse Spieler ziehen lasse, die ihren Dienst für den WAC geleistet haben. Es ist für den Spieler ein sportlicher Aufstieg. Er hat etwas davon und wir haben etwas davon. Es muss alles zeitlich gut passen. Ich denke, ich kann es gut abschätzen, wann für den jeweiligen Spieler die beste Zeit ist. Solange ich das persönlich beeinflussen kann, werde ich das auch immer tun.

Ich werde jetzt sicher keinen Ausverkauf starten. Unsere Stärke ist ohnehin die Kaderbreite. Wir haben sehr viele Joker-Tore geschossen. Wenn jemand von der Bank kommt, werden wir nicht schlechter, sondern eigentlich noch besser. Weil frische Spieler reinkommen, die auch die nötige Qualität haben. Wir haben zwei bis drei Abgänge, mit denen wir rechnen. Wenn man das mit entsprechender Qualität auffrischt, werden wir, glaube ich, nicht viel schlechter sein.

"Chippi" Nwaiwu könnte bald in einer Top-5-Liga auflaufen
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"Chippi" Nwaiwu könnte bald in einer Top-5-Liga auflaufen

90minuten: Als heißeste Transferaktie gilt Chibuike Nwaiwu. Sie haben am vergangenen Wochenende gesagt, dass es schon Anfragen von zehn Klubs aus England, Deutschland und Frankreich gibt, aber noch keine schriftliche. Hat sich daran mittlerweile etwas geändert oder sind Anfragen dazugekommen?

Riegler: Es hat natürlich in weiterer Folge Kontakte gegeben. Mit so großen Vereinen ist das für uns auch Neuland. Bei den Transfers, die wir in den letzten Jahren getätigt haben, waren die Angebote meistens schon sehr konkret, als die Vereine auf uns zugekommen sind. Bei "Chippi" ist es so, dass wirklich großes Interesse da ist. Aber es traut sich noch niemand, die Karten so richtig auf den Tisch zu legen. Es gibt fast jeden Tag ein Telefonat, in dem gefragt wird, wie es aussieht. Ich sage allen dasselbe: Schickt mir ein Angebot, dann wird man weitersehen. Ich möchte vor den beiden letzten Spielen aber noch nicht zu sehr in die Offensive gehen, um nicht abgelenkt zu werden.

90minuten: Die beiden anderen besonders heißen Transferkandidaten sind Dejan Zukic und Thierno Ballo. Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, einen oder sogar zwei aus diesem Trio halten zu können?

Riegler: Auch an den beiden (Zukic und Ballo, Anm.) ist natürlich Interesse da. Am Ende muss es für mich passen. Von den dreien möchte ich maximal zwei hergeben. Wenn aber das ganze Paket stimmt, werden wir auch den Abgang von allen drei verkraften müssen.

90minuten: Auch Trainer Didi Kühbauer hat sich interessant gemacht. Wurde da schon Interesse bei Ihnen hinterlegt?

Riegler: Da ist es eher ruhig. Man hört es immer nur aus den Medien, aber ich glaube, dass er so ähnlich denkt und keine Gespräche führt. Ich habe bei uns intern auch schon verkündet, dass man bitte keine Unruhe reinbringen soll. Ich wünsche mir jetzt einen noch stärkeren Zusammenhalt. Wenn man jetzt konzentriert an die Sache herangeht, werden wir alle miteinander erfolgreich sein.

Es wird ein Großteil davon ins Stadion fließen.

Riegler über die Verwendung der Mehreinnahmen durch Transfers und Europacup

90minuten: Internationale Wettbewerbe werdet ihr definitiv in Klagenfurt austragen. Habt ihr in eurer Planung auch über andere Ausweichstadien nachgedacht?

Riegler: Nein, für uns passt Klagenfurt absolut. Es liegt zentral in Kärnten und wir haben dort schon sehr viele Spiele absolviert. Wir hoffen natürlich, dass uns viele Kärntner unterstützen.

90minuten: Eine Qualifikation für einen internationalen Bewerb bringt auch immer satte Mehreinnahmen. Dazu werden wahrscheinlich auch noch Einnahmen aus Transfers kommen. Wie viel davon möchten Sie ins Stadion investieren?

Riegler: Das kann ich noch nicht konkret beantworten, aber es wird ein Großteil davon ins Stadion fließen. Wir haben erst vor Kurzem wieder die Gespräche und Planungen aufgenommen. Es ist gut, wenn man mehrmals drüberschaut. Man kommt dadurch wieder auf anderen Ideen. Was ich in nächster Zeit schon umsetzen möchte ist, dass man zusätzliche Trainingsplätze errichtet. Danach kann man das Stadionprojekt angehen. Ich weiß noch nicht, wo wir mit den Kosten in der Planung letztlich zu liegen kommen. Das wird noch ein wenig länger dauern.

90minuten: Von welchem Zeithorizont sprechen wir da? Wann könnte denn mit dem Bau begonnen werden?

Riegler: Das hängt sehr viel von Genehmigungen (für die Trainingsplätze, Anm.) ab. Wir müssen mit Grundstückseigentümern eine Einigung finden und eine Umwidmung beantragen. Da wird sicher noch ein Jahr vergehen. Dann werden einmal die Trainingsplätze errichtet, danach gehen wir das Stadion an. Es gilt zunächst einmal abzuwarten, wie viel wir tatsächlich einnehmen und wie wir dann die Finanzierung aufstellen. Wir haben aber keine unmittelbare Eile, weil wir ja noch alle Auflagen erfüllen. Aber uns ist natürlich klar, dass unser Stadion nicht mehr zeitgemäß ist und wir die nächsten Schritte machen müssen.

90minuten: Was ist der aktuelle Stand bezüglich des Brandes bei der Cup-Titelparty? Ist der Schaden schon repariert?

Riegler: Die Stelle wurde provisorisch abgedichtet. Das muss jetzt noch mit der Versicherung abgeklärt werden. Da werden noch ein paar Prüfungen gemacht. Der Schaden ist zum Glück nicht allzu groß.

90minuten: Abschließend: Mit welchem Gefühl gehen Sie in die letzten beiden Runden?

Riegler: Ich habe beruflich sehr viel zu tun, das lenkt mich zum Glück immer ein wenig ab. Wenn ich in einem ruhigen Moment nachdenke, was alles möglich ist, bin ich schon ein bisschen nervös. Da fängt es im Bauch zu kribbeln an. Jetzt denken wir zunächst einmal an das Spiel am Sonntag gegen Austria Wien. Das müssen wir positiv absolvieren und dann können wir weiterschauen.

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