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Als Florian Scheuba 1981 mit 16 Jahren gemeinsam mit seinen Schulkollegen Mini Bydlinski, Wolfgang Pissecker und Werner Sobotka die Kabarett-Gruppe "Die Hektiker" gründete, war er schon längst dem Fußball verfallen.
Gemeinsam mit seinen Freunden prägte er 1992 Toni Polsters Standard-Journalisten-Antwort "Ja, das stimmt" – das würde er heute so nicht mehr machen. Warum, das erklärt er im 90minuten-Interview. Weiters erzählt er über seine Erinnerungen an das Turnier, warum er eher den ÖFB parodieren würde und wie er als satirischer Beobachter der Welt weniger über Fußball witzeln würde.
Das grün-weiße Herz hat er übrigens vom Papa geerbt und gibt es an den eigenen Nachwuchs weiter. Wenn er nicht gerade am Fußballplatz ist, macht er Kabarett, Podcasts, Fernsehen oder schreibt Kolumnen.
90minuten: Herr Scheuba, Sie sind ja Fußball-, genauer gesagt Rapid-Fan. Warum eigentlich?
Florian Scheuba: Das kann man sich gar nicht aussuchen. Es ist wie bei den Graugänsen von Konrad Lorenz: Eine frühkindliche Prägung. Mein Papa hat mich mitgenommen, und das gebe ich nun an meinen Sohn weiter. Fußball ist wie eine parallele Realität, und wenn man darauf anspricht, kippt man eben hinein. Es ist wie ein Spiel: Wenn es einem im Moment wichtig ist, ist es relevant. Wenn man sich darauf einlässt, dann richtig.
90minuten: Aber ist es nicht wie wenn man mit älteren Geschwistern spielt? Das ist oft frustrierend, man macht es trotzdem.
Scheuba: Ich glaube nicht, dass jemand, der gerne Schach spielt, damit aufhört, nur weil er verliert. Ein Wert des Fußballs ist, dass man nicht immer vorhersehen kann, wie das Spiel ausgehen wird. Auch wenn es im modernen Fußball schwieriger geworden ist, hat dieses Unbekannte seinen Reiz. Es ist, wie wenn man ein neues Theaterstück oder einen Film sieht: Es ist spannend, wie es ausgeht. Das fesselt das Interesse.
Kein Spiel war so, dass man es sich länger merken musste. Auch der weitere Verlauf mit einem Finale Deutschland gegen Argentinien und dem 1:0-Sieg durch einen Brehme-Elfer war nicht so, dass das einem das Herz höher schlagen ließ.
90minuten: Wir sprechen anlässlich der WM 1990. Das hatte noch nicht viel mit dem modernen Fußball zu tun. Was verbinden Sie mit dieser Zeit, als Sie Mitte 20 waren?
Scheuba: Meine positivste Erinnerung ist eigentlich das letzte Qualifikationsspiel gegen die DDR im Ernst-Happel-Stadion. Ich war bei dem 3:0 dort, das war durchaus historisch. Die Stimmung im Vorfeld war sehr angespannt; eigentlich haben viele erwartet, dass die DDR eher aufzeigen wollte, bevor sie aufgelöst wird. Österreich hat also überrascht. Wir haben folgende Geschichte im Stadion nicht mitbekommen: ORF-Reporter Peter Elstner wollte in die Kabine gelangen, scheiterte aber daran. Sie wollten ihn nicht reinlassen, weil die Vorberichterstattung so negativ war.
90minuten: Und die WM?
Scheuba: Die war eher enttäuschend. Kein Spiel war so, dass man es sich länger merken musste. Auch der weitere Verlauf mit einem Finale Deutschland gegen Argentinien und dem 1:0-Sieg durch einen Brehme-Elfer war nicht so, dass das einem das Herz höher schlagen ließ. Das Turnier habe ich also nicht in glorreicher Erinnerung.
90minuten: Als ich mich durch die Berichterstattung gewühlt habe, war ich dennoch ein bisschen an, sagen wir, 2016 erinnert: Auf einmal war Österreich Geheimtipp.
Scheuba: Das hätte ich jetzt nicht so in Erinnerung. Man muss ja auch sagen, dass Polster der einzige Legionär war - alle anderen haben nur in Österreich gespielt. Das war 2016 schon ganz anders, da hat die Globalisierung schon zugeschlagen. Vielleicht war ja dennoch die Selbsteinschätzung mancher Spieler so, dass sie bei der WM über einen Gegner drüberfahren können. Ich glaube eher, dass das 3:0 gegen die DDR ein Aufflackern war. Die Mannschaft war nicht so glorios.

90minuten: Es war eine WM zwischen alter und neuer Fußballwelt. Aus Sicht eines Künstlers: Die Hektiker hatte es schon lange gegeben. Welche Vorstellung hatten Sie denn von den prominenten Spielern? Heutzutage gibt es ja nicht nur FS1 und FS2, sondern mehr Fernsehsender, Social Media und so weiter. Wie hat man da das Weltgeschehen eingefangen?
Scheuba: Unser Zugang zu den Fußballern ist ein bisschen missverstanden worden. Wir haben uns über die Interviews lustig gemacht – allen voran das "Ja, das stimmt" von Toni Polster. Die Grundlage waren aber Reporter, die Interviews so geführt haben, dass sie in der Frage die Antwort drinnen hatten. So ist es überhaupt erst entstanden, dass Polster immer "Ja, das stimmt" geantwortet hat. Das wurde dann in die Richtung verstanden, dass die Fußballer deppert seien und man sich über sie lustig machen könne. Der eine oder andere war vielleicht schon etwas unerfahren und rhetorisch nicht so gut, aber wir wollten sie nicht als Trotteln der Nation hinstellen.
Denn da waren schon falsche Lacher dabei, weil manche im Publikum die Fußballerparodien lustig fanden, weil sie sich erhaben fühlen konnten. Für mich hatte das also einen problematischen Beigeschmack. Also haben wir als Antwort darauf in unser Programm eine Skifahrer-Nummer eingebaut. Das ist in Österreich ja immer ungerecht: Die Skifahrer sind die Heiligen. Die dürfen alles, und egal welchen Blödsinn die Skifahrer erzählen, das ist super, weil sie natürlich, authentisch und ehrlich sind.
90minuten: Haben Sie das damals vielleicht unterschätzt? Kam der eine oder andere wie Toni Polster später einmal daher und stellte Sie oder die Hektiker zur Rede?
Scheuba: Das kann ich nicht sagen. Mit Toni Polster habe ich nie darüber gesprochen, aber er hat schon auch einen gewissen Grundschmäh, und seine Art hat er auch kultiviert. Ich denke nicht, dass er einen großen Schaden davon getragen hat. Er war ja generell eine polarisierende Persönlichkeit und ist ja auch wegen zuvor schwacher Leistungen damals beim 3:0 ausgepfiffen worden.
Das war früher schon witziger, als sie alle geredet haben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und sie unfreiwillig oder absichtlich lustig waren.
90minuten: Auf den Mund gefallen sind Pfeffer, Ogris und Co. wirklich nicht. Nicht nur, weil wir alle 35 Jahre älter sind: Würden Sie solche Parodien heute noch so machen?
Scheuba: Ich würde das nicht machen, weil mir die Relevanz fehlt. Ich würde mich eher über die Landesverbandspräsidenten des ÖFB lustig machen, etwa wenn Herr Gartner aus Niederösterreich Rangnick erklärt, wie man Fußball spielen muss. Die Fußballer selber präsentieren sich heutzutage auch ganz anders in der Öffentlichkeit. Peinliche Aussagen oder blöde Sprüche kommen bei Interviews ja auch deshalb nicht mehr so viele, weil sie immer unter Beobachtung stehen.
Hinzu kommt, dass sie ihre Mediencoaches haben und sich selber in sozialen Medien präsentieren. Das war früher schon witziger, als sie alle geredet haben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und sie unfreiwillig oder absichtlich lustig waren. Prinzipiell würde mir nicht einfallen, was einer tun sollte, damit ich ihn als Kabarettist vorkommen lassen muss. Aber den ÖFB könnte man machen.
90minuten: Alex Kristan ist ja einer der wenigen Kabarettisten, die viel mit Sportparodien gearbeitet haben. Sind die Sportler fader, die Politiker besser verwertbar?
Scheuba: Ich habe mit Alfred Dorfer ein ganzes Programm namens Ballverlust über Fußball gemacht, das ist neun Jahre her.
90minuten: Eben, neun Jahre.
Scheuba: Ich wollte nur sagen, dass wir uns schon damals nicht über Spieler, sondern Strukturen lustig gemacht haben. Wenn man sich ansieht, was die Kommerzialisierung alles im Fußball anrichtet – die letzte WM in Katar, die über-übernächste in Saudi-Arabien, die an Sinnlosigkeit nicht mehr zu überbietende Klub-WM – sind diese Themen relevant und gehören aufgearbeitet.
Herbert Prohaska könnte man als Figur vorkommen lassen, weil er einfach so ein tolles Branding als Persönlichkeit, einen authentischen Schmäh rüberbringt sowie eine immer noch lustige Art und Weise zu sprechen hat. Sonst würde ich das Vehikel Fußballer nicht nehmen, um der Menschheit etwas zu erzählen. Die Themen haben sich eben verschoben, aber für Satire eignet sich der Fußball eben auf andere Art.

90minuten: Der Fußball und die Welt insgesamt hat sich stark verändert. Ist der Fußball zu ernst geworden?
Scheuba: Der Prohaska hat nach dem Spiel geraucht, Johan Cryuff rauchte in der Halbzeitpause. Das ist heute völlig undenkbar. Gleichzeitig ist das athletische Niveau viel höher. Ernster ist es alleine schon aufgrund der Kommerzialisierung. Man braucht sich ja nur die Einnahmen und Siegesprämien von 1990 ansehen und das, was dieser Tage an Geld verschoben wird. Das hat bewirkt, dass die Spieler stromlinienförmiger geworden sind.
90minuten: Würden Sie dennoch einen "Scheuba fragt nach"-Falter-Podcast mit Ralf Rangnick und Peter Schöttel machen?
Scheuba: Natürlich! Den Schöttel habe ich erst neulich gesehen, als er auf dem Weg zu einer Präsidiumssitzung war und ich nach Amsterdam, um mir Ajax gegen Twente anzusehen. Da haben wir nett geplaudert. Ralf Rangnick schätze ich sehr und finde sein Auftreten abseits des Platzes positiv und erfrischend. Wir sollten froh sein, dass wir ihn haben.
90minuten: Da komme ich noch auf eine Parallele zu damals. Schon rund um 1990 war alles entweder voll super oder ganz schlecht. Rangnick versucht uns das auszutreiben. Grad als Rapid-Fan wissen Sie ja, dass man regelmäßig am Ende der Welt angelangt ist, um wenige Wochen später vom Meistertitel zu träumen. Braucht Österreichs Fußball mehr Grautöne?
Scheuba: Dieses Phänomen hat sich kaum verändert. Diese Mentalität zwischen in den Himmel loben und verdammen gehört zu Österreich, das ist aber nicht nur im Fußball so, sondern in vielen Bereichen. Die Selbstwahrnehmung schwankt rapide zwischen Größenwahn und Minderwertigkeitsgefühlen. Es stimmt wohl, dass Rangnick auch im Bereich Mentalität arbeitet. Das Team spielt ja mentalitätsmäßig beachtlich. Jetzt könnte man sagen, dass das unösterreichisch ist.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!