Wrabetz: "Fans in der Geschäftsstelle sind eine Mär"
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Wrabetz: "Fans in der Geschäftsstelle sind eine Mär"

Wieder einmal steht der SK Rapid vor einem gefühlten Neustart. Ganz so ist es nicht, wie Präsident Alexander Wrabetz im 90minuten-Interview ausführlich erklärt. Wieviel die Fans wirklich mitzureden haben.

Bei der letzten Frage musste Alexander Wrabetz lachen. 90minuten wollte wissen: Ein paar Leute meinten, ich soll Sie auch fragen, was schlimmer ist, ORF-General oder Rapid-Präsident? Das werden Sie aber schon oft gehört haben, darum: Was haben Sie an ihrem Ehrenamt beim SK Rapid unterschätzt?

Denn diese Saison der Hütteldorfer war lange schwer greifbar. Einem erfolgreichen Saisonstart stand das peinliche Cup-Aus gegen Stripfing gegenüber. Dem Viertelfinale in der Conference League letztlich Rang fünf und nur das Playoff gegen den LASK (ab 17 Uhr im LIVE-Ticker).

Doch Wrabetz ist für mehr zuständig; nämlich, den Gesamtverein weiterzuentwickeln. Hier sieht er auch viel Positives, etwa, wie das Frauen-Team angenommen wurde. Im 90minuten-Interview bilanziert er nun die gesamte Saison.


90minuten: Wenn wir uns die letzten zweieinhalb Jahre Ihrer Präsidentschaft ansehen, wäre Rapid gerne woanders, man war zuletzt gezwungen, personelle Änderungen durchzuführen. Manche nennen das einen Neustart. Wie ist Ihre Analyse?

Alexander Wrabetz: Ich glaube, dass wir anders aufgestellt sind als vor zweieinhalb Jahren. Wir wollten und sind unter sehr professionellen Rahmenbedingungen in den Frauenfußball eingestiegen, sind nahe am Ziel Aufstieg dran. Es war beeindruckend, als das Frauenteam nach dem Erringen des Meistertitels vor dem Block stand und vom ganzen Stadion gefeiert wurde. Da gab es früher ja von manchen Bedenken, wie das Thema Frauenfußball aufgenommen wird, und die angebliche Diskussion hat sich erledigt.

Es gibt deutlich mehr als 23.000 Mitglieder, damals waren es rund 16.500. Und wir haben es geschafft, einen nach der Wahlauseinandersetzung 2019 zerstrittenen Verein zusammenzubringen. Der Verein strahlt aus, dass wir attraktiv sind und viele Menschen Mitglieder werden wollen. Weiters ist die finanzielle Situation besser. Hierbei lag ein großes Augenmerk auf dem Liquiditätsmanagement. Die Bilanzstruktur war zwar schon in der Vergangenheit gut, aber man braucht im Fußball liquide Mittel, die man kurzfristig investiert. Verschiedene Maßnahmen haben uns hier mehr Chancen am Spielermarkt gegeben, und wir können Transfers besser vorbereiten.

Natürlich würde sich keiner freuen, wenn wir nicht in den Europacup kommen. Aber wir hätten einen Plan, damit uns dies nicht umwerfen würde.

Alexander Wrabetz

90minuten: Und sportlich?

Wrabetz: Die Conference League-Saison war gut. Eine solche Performance hat man sich nach der jüngeren Europacup-Vergangenheit nicht so erwartet, auch wenn wir den Einzug ins Semifinale unglücklich verpasst haben. Im Sommer und Frühherbst konnte man zudem sehen, wie die Mannschaft auftreten kann. Ab Ende Oktober, Stichwort Stripfing, gab es eine Serie an Rückschlägen, wo wir das Ruder leider nicht herumreißen konnten, und darum stehen wir jetzt nur auf dem fünften Platz. Das haben wir nicht angestrebt.

90minuten: Wie abhängig sind diese erwähnten Entwicklungen von der Kampfmannschaft. Die Saison kann man im Europacup-Playoff nur noch irgendwie retten.

Wrabetz: Natürlich hat das einen großen Einfluss, die Profimannschaft ist und bleibt die Lokomotive. Ist man sportlich erfolgreich, ist die Stimmung gut, man ist für Mitglieder und Sponsoren attraktiver und so weiter. Wer in einer Aufwärtsspirale ist, kann noch mehr positive Effekte erreichen. Du musst aber für Rückschläge gewappnet sein. Da sind wir heute resilienter als in der Vergangenheit. Natürlich würde sich keiner freuen, wenn wir nicht in den Europacup kommen. Aber wir hätten einen Plan, damit uns dies nicht umwerfen würde.

90minuten: Change-Prozesse sind nicht einfach und gehen nicht ohne Rückschritte, das ist klar. Neu sind recht schnell Katzer, Knipping und Klauß gewesen, zwei sind nicht mehr da. Hat Sie das überrascht?

Wrabetz: Das muss man jetzt aufdröseln. Robert Klauß war damals eine gute und richtige Entscheidung und hat uns weitergebracht. Wie auch bei anderen großen Vereinen kamen die unvermeidbaren Rückschläge. Diese haben sich dann ausgewachsen und aus dem Negativtrend sind wir nicht hinausgekommen. Lange haben wir an eine Trendumkehr geglaubt. Die Entscheidung ist uns dann nicht leichtgefallen, in einem Trainerwechsel haben wir zu dem Zeitpunkt Vorteile gesehen.

Wenn man in Fanforen hineingeschaut hat, war es ja bei weitem nicht so, dass man den Trainer loswerden wollte. Nach einer genauen Analyse ergab sich ein Trainerprofil, nach dem wir jetzt gesucht haben. Ich bin zuversichtlich, dass Peter Stöger eine Trendumkehr nach Rückschlägen besser gelingen kann.

Irgendwann passte es zwischen Robert Klauß und Rapid nicht mehr
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Irgendwann passte es zwischen Robert Klauß und Rapid nicht mehr

90minuten: Klauß erklärte oftmalige Trainerwechsel in einem 90minuten-Interview damit, dass die Vereine sich die Trainer nicht gut genug aussuchen.

Wrabetz: Ich habe mit dem Trainersuchen und Verantwortung übernehmen auch schon Erfahrung. Es ist klar, dass man kaum einen Trainer bekommen wird, der schon unter Beweis gestellt hat, dass er alles abdeckt. Also muss man sich entscheiden, welche Eigenschaften wichtiger als andere sind. Bei Robert Klauß kam auf seinen Wunsch auch ein Co-Trainer mit, der sehr nah bei der Mannschaft sein sollte. Wir dachten, dass das eine guter Kombination ist. Was ich noch erwähnen will: Seine Amtszeit betrug fast 17 Monate, das ist im UEFA-Schnitt und über dem österreichischen.

90minuten: Peter Stöger steht aber schon für einen anderen Fußball als Robert Klauß.

Wrabetz: Wir wollten keine Hauruckaktion und haben uns gefragt, was der neue Coach besser können muss als der alte. Es ging darum, ein junges Team mit unterschiedlichstem Background zu einer Mannschaft zu formen, wenn es gut läuft – und auch wenn nicht. Darum hatte das einen noch höheren Stellenwert als vorher. Peter Stöger hat durchaus andere Vorstellungen als andere Trainer, aber uns ging es auch darum, dass er mit diesem Kader arbeitet und mehr herausholt.

90minuten: Ich bin überrascht, dass Sie von sich aus sagen, dass Sie Erfahrung mit dem Trainersuchen haben, das wäre ja eher eine Aufgabe für die Geschäftsführung. Können Sie den internen Prozess schildern, wie der SK Rapid zu einem Trainer kommt?

Wrabetz: Gegen meinen Willen wird es keinen Trainer geben, ich stehe ja auch in der Mit-Verantwortung. Der Prozess war so, dass das Ziel war, dass der neue Trainer zu Trainingsbeginn da sein muss. Wenn Rapid einen Trainer sucht, ist das Interesse öffentlich immer groß, wir wollten uns trotzdem diese Zeit nehmen. Im Sportausschuss überlegen wir uns gemeinsam mit dem Geschäftsführer Sport ganz genau, welches Profil wir suchen; da brachte sich Mecki Katzer bzw. sein Team viel ein.

Wir sind sehr strukturiert vorgegangen, Katzer hat die diversen Gespräche mit verschiedenen Kandidaten geführt, eine klare Empfehlung gegeben und das Präsidium hat dann entschieden. Man muss auch sagen, dass es immer großes, auch internationales Interesse von Trainern und deren Beratern gibt, wenn der SK Rapid einen Coach sucht.

Manche von außerhalb glauben, dass ein Teil unserer Fans in der Geschäftsstelle oder Präsidentenloge aufmarschieren würden, um Entscheidungen zu treffen. Das ist natürlich eine Mär.

Alexander Wrabetz

90minuten: Es fallen auch immer internationale Namen, da stellt sich aber auch die Frage nach der Leistbarkeit. Wer in Deutschland, einem zehnmal so großen Land, Trainer war, wird nicht unbedingt ins Budget passen.

Wrabetz: Wir haben uns angesehen, warum das internationale Interesse da ist und woran es scheitert. Auch wenn man weiß, dass einer, der das Gehaltsniveau der deutschen Bundesliga gewohnt ist, nicht realistisch ist. Stöger hätte aber auch woanders hingehen können, er war ein halbes Jahrzehnt, im erwähnten zehnmal so großen Land, erfolgreich Trainer. Seine Austria-Vergangenheit hat für uns übrigens keine Rolle gespielt, er hat ja auch Rapid-Background.

90minuten: Kommen wir zu Herrn Knipping. Er hat viel angestoßen, nach rund eineinhalb Jahren hat man sich getrennt. Es gibt viele Gerüche, wie es zur Trennung kam. Hat er von außen kommend zu viele Dinge angestoßen?

Wrabetz: Inhaltlich hätte er durchaus noch mehr anstoßen können. Es war damals eine bewusste Entscheidung, jemanden zu holen, der Stärken im Controlling und Kosteneffizienz hat. Wir mussten ja schauen, wie wir "Alles für den Sport" möglichst effizient schaffen. Es war klar, dass es dafür auch ein gewisses Gefühl braucht, das wusste er mit seiner Dortmund-Vergangenheit. Er hat sich diesen Themen gewidmet und systemisch gute Lösungen gefunden. Uns ging es jetzt aber auch darum, einen stärkeren Fokus auf Sponsoring, Business-Community und Hospitality zu legen. Wir denken, dass eine andere Person da besser passt.

90minuten: Diese internen Umstrukturierungen, die dem einen oder anderen auch (finanziell) wehtun können, sind abgeschlossen?

Wrabetz: Es ging ja nie um ein Ändern, nur um etwas anders zu machen. Wir wollten alle Kostenpositionen durchleuchten. Das war der Auftrag, er hat es gemacht und dabei einen bereits im Dezember 2023 eingeschlagenen Prozess fortgesetzt. Wir führen einige Entscheidungen ja auch fort.

90minuten: Die Art und Weise, wie die Trennung kommuniziert wurde, war dennoch überraschend und sorgte für Spekulationen.

Wrabetz: Für uns ist das Kapitel erledigt.

90minuten: Ein Faktor bei Rapid sind auch die Fans. Es gibt ja leider doch regelmäßig Themen mit ihnen. Wie ordnen Sie all dies ein?

Wrabetz: Wir sind ein Mitgliederverein, die Vereinsmitglieder wählen uns und unter den 23.000 ist die gesamte Bandbreite der Gesellschaft vertreten. Da hat jeder seine Meinung. Aber es wird total überschätzt, inwiefern die Mitglieder beziehungsweise die gerne so genannte aktive Fanszene bei Entscheidungen im Tagesgeschäft mitreden.

Diesen Anspruch stellen sie auch gar nicht. Sie wissen, dass die großen strategischen Entscheidungen vom Präsidium getroffen werden, das Operative bei der Geschäftsführung, die Arbeit mit der Mannschaft beim Trainer liegt. Trotzdem glauben manche von außerhalb scheinbar, dass ein Teil unserer Fans in der Geschäftsstelle oder Präsidentenloge aufmarschieren würden, um Entscheidungen zu treffen. Das ist natürlich eine Mär.

Rapid und die Fans - ein nicht ganz so einfaches Thema
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Rapid und die Fans - ein nicht ganz so einfaches Thema

90minuten: Es gibt aber Bilder, wo einige in einer Loge sind.

Wrabetz: Das war nicht zu unserer Zeit und möchte ich gar nicht bewerten. Aber ich möchte noch einmal betonen, dass unsere Fans sich international sehen lassen können. In der medialen Verkürzung sieht es dann so aus, als ob wir ein Problem mit ihnen hätten. Die Fankultur zu erhalten und die Tage, an denen es von einer kleinen Anzahl von Fans zu negativen Eskalationen kommt, zu minimieren, ist eine Herausforderung, aber wir sind hierbei auf einem guten Weg.

90minuten: Dass Rapid tolle Fans hat, wird oft genug betont. Wie will man diesen erwähnten Weg gehen?

Wrabetz: Auf vielen Ebenen. Wir haben eine Sensibilisierung in Sachen Homophobie und Diskriminierung und ein Maßnahmenprogramm, das auch schon anfängt, Wirkung zu zeigen. Das Derby ist unser Hauptproblemfeld, und wir haben zu durchaus harten Maßnahmen gegriffen und die Fans wechselseitig ausgeschlossen. Wir kommunizieren auch mit der Szene. Dazu gibt es auch Sanktionen, die wir setzen und schließen jene aus, die sich danebenbenehmen. Das ist aber ein Prozess, bei dem die Richtung stimmen muss.

90minuten: Manche Vereine setzen auf Fanprojekte und Sozialarbeit. Könnte man mehr in der Prävention tun?

Wrabetz: Wir führen laufend - aber intern - viele Gespräche mit den Fans. Und sie unterstützen sich gegenseitig untereinander, sind also unglaublich solidarisch. Manche Themen sind aber mehr ein Gesellschafts-, als ein Fußballproblem und wir müssen alle lernen, wie wir damit umgehen. Klare Verfehlungen müssen sanktioniert werden und diese Konsequenzen sollen nicht zu falschen Solidarisierungen führen. Das schadet dem Verein und das wissen die meisten Fans auch.

90minuten: Wenden wir uns der Zukunft zu. Katzer ist Sportchef, Stöger Trainer, Hofmann überblickt als Geschäftsführer, eine neue Person soll neue Einnahmequellen im kommunikativen Bereich erschließen?

Wrabetz: Wir haben die stärkste Business-Community in Österreich, aber man muss sie laufend entwickeln; es gibt neue Erlösmöglichkeiten im Bereich digital. Es ist also schon eine wirtschaftliche Geschäftsführung, aber mit diesem Schwerpunkt.

Der ORF steht ebenfalls im Mittelpunkt vieler Dinge, aber dass Rapid diese ganz enorme Bedeutung für so viele Menschen hat, hätte ich in diesem Ausmaß nicht gedacht.

Alexander Wrabetz

90minuten: Rapid wird einen Rekordumsatz in der Höhe von 55 Millionen Euro schreiben. Sie haben bereits erwähnt, dass man sich eine Saison ohne Europacup leisten kann. Haben Sie eine Benchmark, die der neue Mann erreichen muss, um die Säule "nationales Sponsoring" zu verstärken?

Wrabetz: Es kann ja nicht das Ziel sein, sich darauf auszuruhen. Transfererlöse und Europacupeinnahmen sind wichtig, aber eben auch das Sponsoring. Wir haben die wichtigsten Partner gehalten und neue gewonnen. Wir möchten insgesamt weiterwachsen und wenn es in Europa nicht so läuft, sollen Investitionen trotzdem möglich sein. Und übrigens: Die Position kann von einem Mann oder einer Frau ausgefüllt werden.

90minuten: Was bleibt vom UEFA-Geld, also in der Höhe kaum planbaren Mehreinnahmen?

Wrabetz: Unser Ziel ist es ja nicht, riesige Gewinne zu machen, weil wir auch keine Investoren bedienen müssen. Der laufende Betrieb soll finanziert werden, Weiterentwicklungen leistbar sein. Was übrig bleibt, soll im größtmöglichen Ausmaß in den Sport fließen und am Ende eine schwarze Null dastehen.

90minuten: Im Herbst sind Wahlen. Sie wollen noch nichts verkünden, meinten aber im Kurier, ein öffentlich ausgetragener Wahlkampf mit zwei Listen wie 2019 wäre "schlimm". Es soll sich eine Liste formieren. Wie wollen Sie das alles managen?

Wrabetz: Indem man nicht viel drüber redet. Wir möchten uns auf das Ende dieser Saison konzentrieren und uns gut für die kommende aufstellen. Es müssen jetzt keine großen Erklärungen abgegeben werden. Die mediale Diskussion wird wohl ohnehin kommen. Einstimmigkeit ist uns lieber als eine große Auseinandersetzung. Wenn es mehrere werbende Gruppen gäbe, dann soll die Diskussion fair sein und nicht den Verein monatelang lähmen und zu Nachwirkungen führen.

90minuten: Ein paar Leute meinten, ich soll Sie auch fragen, was schlimmer ist; ORF-General oder Rapid-Präsident. Das werden Sie aber schon oft gehört haben, darum: Was haben Sie an ihrem Ehrenamt beim SK Rapid unterschätzt?

Wrabetz: Ich mache die Aufgabe wirklich gerne, aber es ist gelegentlich schon sehr viel Zeit, die man aufwenden muss – und dann ist es auch noch intensiv. Dass die Stimmungshochs und -tiefs bei Rapid ganz besonders sind, habe ich schon gewusst. Und der ORF steht zwar ebenfalls im Mittelpunkt vieler Dinge, aber dass Rapid diese ganz enorme Bedeutung für so viele Menschen hat, mit allen positiven und auch negativen Emotionen, hätte ich in diesem Ausmaß nicht gedacht. Und oft ist es so: wenn du glaubst, es ist gerade alles super, passiert etwas, mit dem du nicht gerechnet hast.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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