ÖFB-Lehrgang: Fehlendes Gegenpressing, fragwürdige Aufstellungen und ungewohnte Positionen

Wieder gab es Nationalteam-Spiele, in denen nicht das volle Potential oder auch die Qualitäten der einzelnen Spieler gezeigt wurden. Das fehlende hohe Pressing oder das Zurückrufen der eigenen Spieler im Gegenpressing oder auch die fehlende Idee im Ballbesitz sorgen für viel Unmut bei den Fans und den Medien.

+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Mannschaftsanalyse von Simon Goigitzer

 

An den ersten drei Spieltagen der WM-Qualifikation konnte das ÖFB-Team nur vier Punkte holen: ein 2:2 gegen Schottland, ein 3:1-Sieg gegen Färöer und eine 0:4-Blamage gegen Dänemark. Bereits in den Lehrgängen in den Monaten davor wurde die passive und „ängstliche“ Spielweise von Teamchef Franco Foda kritisiert. (Foda: Unzureichender Matchplan und ohne Lösungen gegen tiefstehende Gegner [Spiel-Analyse]) Auch einige andere Bereiche, wie die Startelf oder Einwechslungen wurden von Fans und Medien eher schlecht bewertet. In dieser Analyse werden einige dieser Punkte genauer betrachtet sowie mögliche Hintergründe zu den Entscheidungen geliefert.

 

Startaufstellung, Einwechslungen und Veränderungen während dem Spiel

In den drei Spieltagen der Qualifikation gab es genauso viele verschieden Startaufstellungen. Gegen Schottland spielte Österreich mit einer Dreierkette, die mit Philipp Lienhart, Aleksander Dragovic und Stefan Ilsanker besetzt wurde. Für die zwei darauffolgenden Spiele wurde auf eine Viererkette gewechselt, die in den zwei Spielen allerdings gleich blieb. Jedoch gab es sehr viele Variationen im Mittelfeld, sodass sich weder die Abwehr noch die Mittelfeldspieler selbst an ihre Mitspieler und dessen Bewegungsabläufe gewöhnen konnten.

Der Gruppengegner Dänemark könnte gleich als Vergleich hergenommen werden. Im ersten Spiel der Qualifikation und gegen Österreich spielten sie mit einer identen Aufstellung. Nur am zweiten Spieltag wurde sehr stark rotiert, sodass allein Kasper Schmeichel in allen drei Spiele startete. Nationalmannschaften haben sehr wenig Zeit, um sich vorzubereiten. Darum scheint es wichtig, dass sie mit dem gleichen System und Personal so oft wie möglich spielen können. Sonst müssen sich Trainer und Zuschauer zu sehr auf die individuelle Qualität der Spieler verlassen.

Was waren jedoch die Gründe für die Aufstellungen beziehungsweise für das ausgewählte Personal des Teamcheffs? Zwei große Themen, die vor allem in den sozialen Netzwerken immer wieder besprochen wurden, waren David Alaba und Stefan Ilsanker. Der Frankfurt-Legionär musste in den drei vergangenen Bundesligaspielen für den verletzten Martin Hinteregger in der Innenverteidigung einspringen. Alle drei Spiele zeigte er vor allem defensiv hervorragende Leistungen. Zwar war Ilsanker im Spielaufbau limitierter als andere österreichische Spieler, allerdings ist der Teamchef ein defensivorientierter Trainer. Das heißt, dass Foda durch Ilsanker defensive Stabilität über einen kreativen Spielaufbau stellt.

Bei Alaba wäre die Thematik schon ein wenig schwieriger, da der Bayern-Legionär in vielen Bereichen gute Qualitäten hat. Zwar spielte er gegen Schottland als linker Außenverteidiger in der Fünferkette, wurde aber in den darauffolgenden Spielen im linken Mittelfeld aufgestellt. Da Österreich neben Christoph Baumgartner keinen weiteren Linksaußen zur Verfügung hatte, aber mit Andreas Ulmer einen weiteren linken Verteidiger auf sehr guten Niveau hat, kann Foda Alaba im Mittelfeld aubieten. Der Kapitän ist sehr athletisch, kann sehr gute Flanken in den Strafraum bringen und wirkt zudem noch als ein weitere defensiver Spieler. Und wie schon bei Ilsanker erklärt, versuchte Foda zuerst die Defensive zu verstärken.

Veränderungen während des Spiels oder auch Einwechslungen wurden bereits in vergangenen Analysen kritisiert. Die Spiele gegen Schottland und Dänemark zeigten, dass sich in diesem Bereich nichts veränderte. Gegen die Schotten gab es beispielsweise nur einen Wechsel, obwohl viel früher gewechselt hätte werden können, um die Chancen auf einen Sieg zu erhöhen. Auch im Spiel gegen Dänemark gab es einige Probleme. Im Spielaufbau hatte man immer wieder Schwierigkeiten, hinter die erste Pressinglinie zu kommen bzw. aus dem Mittelfeld in das letzte Drittel zu kommen. Hier hätte Foda früher reagieren und Marcel Sabitzer auf seiner gewohnten zentralen Mittelfeldposition spielen lassen können. Dadurch wären Pässe aus der ersten Aufbaulinie in das Mittelfeld durch die Freilaufbewegungen von Sabitzer leichter gewesen und auch Anschlussaktionen hätte möglicherweise erfolgreicher sein können. Jedoch lässt Foda Spieler öfters auf ungewohnten Positionen spielen, die die Profis daraufhin auch in neue und unter Umständen ungewohnte Situationen bringen.

 

Spieler sind nicht auf ihren Positionen aufgestellt?

Jede Position hat ihre eigenen Aufgaben und jeder Spieler interpretiert diese Aufgaben auch unterschiedlich. Allerdings können Spieler nur in bestimmten Position ihre Stärken und Fähigkeiten ausspielen. Werden sie auf dem Spielfeld woanders als ihre gewohnte Position aufgestellt, so kann das die Spielweise sehr stark beeinträchtigen. David Alaba war in diesem ÖFB-Lehrgang wieder ein gutes Beispiel. In der letzten Saison war er einer der besten Innenverteidiger der Welt und in der laufenden Spielzeit auch noch immer Stamminnenverteidiger beim FC Bayern München. Nun stellt man den Abwehrspieler auf die linke Mittelfeldposition, wodurch er auch durch Positionsrochaden auch öfters im rechten Mittelfeld auftaucht (wie zum Beispiel gegen Dänemark). Dadurch werden nicht nur seine Stärken weggenommen, sondern er wird dadurch in ungewohnte bzw. neue Situationen gebracht und trifft daraufhin nicht die optimale Entscheidung. Hier ein Beispiel. (Abbildung 2)

Sasa Kalajdzic verlor einen Zweikampf im Mittelfeld, konnte aber im Liegen noch einen Pass auf den rechten Flügel spielen. Da die Dänen auf einen Ballgewinn spekulierten, blieben sie stehen und ließen Alaba komplett alleine. Der Kapitän nahm den Ball beinahe optimal mit dem rechten Fuß mit, verlangsamte aber gleich nach der Mitnahme seine Bewegungen und wollte daraufhin einen Pass auf Xaver Schlager spielen, der in die Tiefe lief. Der Pass kam nicht an und die Dänen waren im Ballbesitz.

Um diese Situation optimal auszunutzen und in eine Torchance zu verwandeln, hätte Alaba den Ball viel weiter nach vorne mitnehmen sollen und dabei den Lauf von Thomas Delaney kreuzen, damit er vor dem Gegenspieler ist. Durch seine Athletik wäre Alaba auch höchstwahrscheinlich schneller gewesen und hätte zum Abschluss kommen können. Da der Bayern-Spieler jedoch nur sehr selten in solche Situation kam (und zudem noch viel öfters als Defensivspieler aufgeboten wird, es somit für ihn ungewohnt war), versuchte er schnellstmöglich den Ball abzugeben. Baumgartner hätte diese Situation möglicherweise besser gelöst, da er sehr gerne mit dem ersten Kontakt gleich nach vorne sprintet und Tempo aufnimmt. Solche Aktionen konnte man in diesem Spiel vom Hoffenheim-Legionär sehen. Auch Frankfurt-Legionär Ilsanker wurde mehrmals in ungewohnte Situationen gebracht. Dazu ein Beispiel aus dem Spiel gegen Schottland. (Abbildung 3)

Gegen Schottland bildete sich oft eine asymmetrische Viererkette, sodass Ilsanker öfters auf der rechten Außenverteidigerposition zu finden war. Diese Position war für ihn nicht optimal, da er hauptsächlich in der Innenverteidigung spielte und dadurch kaum situationsgerechte Entscheidungen treffen konnte. Er bekam den Ball von Dragovic und konnte am Flügel einige Meter nach vorne dribbeln. Daraufhin schaute er auf und versuchte einen Chipball auf Kalajdzic zu spielen. Dieser Pass resultierte nach einem Kopfball von einem gegnerischen Innenverteidiger zwar in einem Einwurf, jedoch hätte die Situation besser gelöst werden können. Adrian Grbic befand sich im Zwischenlinienraum und wäre mit einem flachen Diagonalpass eine bessere Anspielstation gewesen, um den Angriff optimaler fertig zuspielen.

Allerdings wären Alaba und Ilsanker nicht die beiden einzigen Beispiele. Hoffenheim-Legionär Baumgartner musste im Spiel gegen Dänemark auf der rechten Seite spielen und gegen Schottland eher als zentraler Mittelfeldspieler. Hier nahm ihm Foda wieder einige der Stärken. In Hoffenheim bewegte sich Österreicher hauptsächlich im linken Halbraum und konnte von dort auch immer wieder diagonale Dribblings machen oder auch für vertikale Pässe aus der ersten Aufbaulinie angespielt werden. Zudem konnte er aus dem linken Mittelfeld beziehungsweise aus der linken Zehnerposition besser in den Strafraum hineinstürmen. Seine Freilaufbewegungen im Strafraum sind vergleichbar mit den Bewegungen von Erling Haaland. Allerdings nahm Foda nicht nur die individuellen Stärken von Spieler weg, sondern schwächte durch seine Spielweise auch eine mögliche bessere Mannschaftsleistung.

 

Pressing und Gegenpressing wird von Foda gestoppt

Teamchef Franco Foda hat eine sehr defensive Ansicht vom Fußball, die jedoch überhaupt nicht zum Spielermaterial der österreichischen Nationalmannschaft zusammenpasst. Neun der elf Spieler, die am Mittwochabend gegen Dänemark in der Startaufstellung waren, spielen bei einem Verein, die sehr viel über das Umschaltverhalten und das hohe Pressing kommen. Das heißt, dass viele Spieler jahrelang bei Red Bull Salzburg kickten und weitere Profis wie Alaba oder Trauner bei Mannschaften unter Vertrag stehen, die einen hohen Wert auf das hohe Pressing und das Umschaltverhalten nach Ballverlust haben. Foda setzt diese beiden Aspekte kaum bzw. gar nicht ein, sodass auch in diesem Punkt die Stärken der Spieler minimiert werden.

Hier dazu ein perfektes Beispiel aus dem Spiel gegen Färöer. Österreich verliert den Ball am gegnerischen Strafraum und für Ulmer besteht die Möglichkeit sofort in das Gegenpressing umzuschalten. Allerdings wird er von Foda zurückberufen und ermöglichte den Gegner einen Pass ohne Gegnerdruck.

Hier sah man sehr gut, wie Ulmer die Salzburger Prinzipien verinnerlicht hat und sofort umschaltete. In den Spielen gegen Schottland und Dänemark hatte Österreich nur acht bis neun Rückeroberungen des Balles im letzten Drittel, das ist der Statistikplattform Wyscout zu entnehmen. Nur gegen die Färöer-Inseln war dieser Wert sehr hoch, allerdings war bzw. ist das Inselteam auch um einiges schwächer als die anderen. Im Vergleich dazu die Mannschaften Red Bull Salzburg, Wolfsburg und RB Leipzig. Vor allem die Mannschaften von Red Bull, aber auch der Bundesligist von Cheftrainer Oliver Glasner hatten immer Ballrückeroberungen im letzten Drittel um einen Wert von 20.

Die Wyscout-Plattform gibt zudem noch den Wert „Abfangen“ an. Hierzu zählen Dribblings oder Pässe vom Gegner nach vorne, die daraufhin abgefangen werden. Die Anzahl der abgefangenen Angriffe waren im Vergleich zu den Vereinsmannschaften sehr ähnlich. Es gab jedoch große Unterschiede, wo Angriffe gestoppt oder abgefangen werden. Gegen Schottland und Dänemark lagen zwei bis zehn Prozent der abgefangenen Bälle im letzten Drittel. Die Vereine der jeweiligen Legionäre erzielen dabei Bereiche von 15 bis 30 Prozent. Durch diese Szene und die angegebenen Statistiken könnte man schlussfolgern, dass Foda durch sein passives Spiel nicht zum Spielermaterial der Nationalelf passt.

 

3 Spiele in 7 Tagen? Von Frische ist hier nicht zu reden

Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der Spielplan in beinahe jeder Liga enger zusammengeführt. Das heißt, dass in kürzerer Zeit mehr Spiel durchgeführt werden mussten und die Profis auch weniger Pausen hatten. Zwar meinte Foda nach dem Spiel, dass "es nichts mit der Frische zu tun“ hatte, allerdings mussten mehrere Spieler in sieben Tagen drei Spiele bestreiten, nachdem sie schon mehrere Monate einige englische Wochen hinter sich haben. Hier wäre, wie es Dänemark gemacht hatte, eine größere Rotation der Startelf gegen die Färöer vorteilhaft gewesen.

Die österreichische Nationalmannschaft muss mit nur vier Punkten aus drei Spielen in die WM-Qualifikation starten. Auch nach diesem Lehrgang hagelte es mehr als berechtigte Kritik Richtung ÖFB und Franco Foda. Zwar ist der Punkteschnitt vom jetzigen Teamchef einer der besten, allerdings passt diese Spielweise nicht mit dem Spielermaterial zusammen und möglicherweise könnten die Ergebnisse und Erfolge mit dieser „goldenen Generation“ noch besser ausfallen.

 

90minuten.at-Exklusiv