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Austria Wien unter Peter Stöger: Fehlerhaftes Pressing, viele technische Fehler und keine Rückwärtsbewegung [Mannschafts-Analyse]

Bereits letzte Saison hatte die Wiener Austria große Probleme in ihrem Spiel, landeten unter dem Strich und verloren das Playoff um die Europa League gegen Hartberg. Nun ist Peter Stöger Cheftrainer, allerdings änderte sich bisher kaum die Tabellenposition. Was läuft falsch bei der Wiener Austria?

+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Mannschaftsanalyse von Simon Goigitzer

 

FK Austria Wien steht nach elf Runden der österreichischen Bundesliga auf Platz 9 der Tabelle mit gerade nur 10 Punkten. Nur zwei Mal konnten die Wiener gewinnen, spielten vier Mal unentschieden und verloren die restlichen fünf Partien. Im ÖFB-Cup konnte man gegen den TSV Hartberg zwar ins Viertelfinale weiterkommen, jedoch war auch diese Leistung über die ganzen 90 Minuten gegen die Steirer nicht überzeugend. Doch wie spielte die Wiener Austria überhaupt bis jetzt?

 

Die Spielausrichtung

Die Violetten spielten in der laufenden Saison hauptsächlich ein flaches 4-4-2. Die Viererkette wurde überwiegend von Markus Suttner, Erik Palmer-Brown, Johannes Handl und Georg Teigl besetzt. Im zentralen Mittelfeld gab es immer wieder einige Veränderungen, allerdings war Alexander Grünwald auf der Sechserposition in den meisten Spielen gesetzt. Der zweite Sechser war meistens Stephan Zwierschitz oder Thomas Ebner. Die zwei Flügelpositionen bekleideten hauptsächlich Manprit Sarkaria und Patrick Wimmer, wobei Aleksandar Jukic immer öfters auf den Flügeln eingesetzt wurde. Die beiden Stürmer der Wiener Austria waren neben Christoph Monschein auch Benedikt Pichler, Dominik Fitz und, nach seiner langen Verletzungpause, auch wieder Alon Turgeman.

In der Phase des gegnerische Ballbesitzes agierten die Wiener in einem tiefen Mittelfeldpressing, wobei vor allem die Flügelspieler im Mittelfeld versuchten das Zentrum zu schließen. Das heißt, dass sie viel enger an den eigenen Zentrumsspieler standen und somit Passwege durch die Mitte verhindern wollten.

Abbildung 1: Das Pressing der Wiener Austria im 4-4-2.

Im Spiel gegen die Hartberger sah man sehr gut, wie sich die Wiener Austria im Pressing verhielt. (Abbildung 1) Wimmer und Sarkaria waren sehr weit eingerückt und provozierten somit im gegnerischen Aufbau den Pass auf den Außenverteidiger. Die beiden Stürmer versuchten die zentralen Mittelfeldspieler des Gegners in Deckungsschatten zu stellen und dabei noch mehr den Ball auf den Flügel zu leiten. Wurde nun der Außenverteidiger angespielt, so bewegte sich der äußere Mittelfeldspieler auf den Ballführenden zu und setzte ihn unter Druck. Der ballnahe Stürmer positionierte sich daraufhin zum gegnerischen Innenverteidiger, sodass der Flügelspieler nicht zurückspielen konnte.

Eroberte die Wiener Austria den Ball, versuchte sie so schnell wie möglich zu einer Torchance zu kommen. Hierbei schalteten vor allem die Flügelspieler und die beiden Stürmer schnell um und liefen in die Tiefe. Die Laufwege der einzelnen Spieler sind sehr oft situationsgerecht und öffnete für die Mitspieler freien Raum oder die Spieler dienten selbst als Anspielstation. Ein Beispiel aus dem Spiel gegen Altach. (Abbildung 2)

Abbildung 2: Eine offensive Umschaltphase im Spiel gegen Altach.

Die Wiener eroberten im Mittelfeld den Ball und konnten einen Konter starten. Monschein hatte den Ball und dribbelte auf die Dreierabwehr der Altacher zu. Hier kamen nun die Rollen von Teigl und Sarkaria in das Spiel. Beide waren die äußeren Mittelfeldspieler und rannten beim Konter entlang des Halbraumes mit. Es kam das Prinzip der minimalen Breite zur Anwendung, die besagt, dass ein Spieler in einer offensiven Umschaltsituation so breit wie nötig, aber weiterhin so weit innen wie möglich bewegen sollte. Damit zogen sie die Restverteidigung des Gegners nicht nur auseinander, sondern dienten auch als Anspielstation. Würde beispielsweise Teigl zehn Meter weiter außen stehen, wäre er für Monschein nur schwer anspielbar und würde auch viel weniger Gefahr für die Gegner bedeuten. Durch Konter kam die Austria immer wieder zu Chancen, hat jedoch das Problem in der Entscheidungsfindung im letzten Drittel.

Im eigenen Ballbesitz ergab sich bei den Austrianern ein klares Muster. Der Spielaufbau geschah in einer Viererkette, zwei Sechsern und zwei äußeren Mittelfeldspielern, die sich immer wieder in den Halbräumen positionierten. Der Aufbau ging vor allem immer wieder über die Außenverteidiger. Das heißt, dass die Innenverteidiger sehr früh auf die Flügel spielten. Dort versuchte man auch mit dem offensiven Flügelspieler im Halbraum und mit einem entgegenkommenden Sechser Überzahl zu schaffen und sich von dort mit kurzen Kombinationen herauszulösen. Bereits in der Wiener Derby-Analyse: Dominantes Rapid scheitert gegen schwach pressende Austrianer [Spiel-Analyse] wurde das flügellastige Spiel der Austrianer im mittleren Drittel erwähnt.

Die Außenverteidiger spielten auch bei den hohen Wechselpässen eine wichtige Rolle. Nicht nur waren sie immer die Abnehmer, sondern konnten nach den hohen diagonalen Ball einen Angriff in das letzte Drittel einleiten. Besonders Wechselpässe aus den Halbräumen auf die ballferne Seite spielte die Austria sehr gerne. Sind diese Pässe jedoch nicht möglich. gab es auch immer wieder Szenen mit Chippässen über die gegnerische Abwehr. Vor allem wenn Monschein oder Bright Edomwonyi spielten, kamen hohe Bälle von der 1. Aufbaulinie – aufgrund der Schnelligkeit der beiden Stürmer - in die Tiefe.

Kam es zu einem Ballverlust, pressten ein bis zwei Spieler den Ballführenden. Jedoch agierte der Rest der Mannschaft sehr behäbig und es kam nur selten zu schnellen Rückeroberungen beziehungsweise auch zu einer situationsgerechten  Rückwärtsbewegung einiger Spieler. Und so kam es zu einem der vielen Probleme.

 

Die Probleme der Wiener Austria

1. Das Gegenpressing und die Rückwärtsbewegung: Immer mehr Mannschaften schalten nach Ballverlust mit einem offensiven Gedanken um. Das heißt, dass sie nach einem Ballverlust, so schnell wie möglich wieder in Ballbesitz kommen wollen, um gleich einen Angriff zu starten. Dabei ist es aber nötig, dass die nicht nur einzelne Spieler diese Idee ausführen, sondern die gesamte Mannschaft. Dies geschieht bei der Wiener Austria bei den meisten Fällen zurzeit nicht. Ein Beispiel im Spiel gegen Altach: (Abbildung 3)

Abbildung 3: Austria verliert den Ball, schaltet jedoch nicht situationsgerecht um.

Pichler verliert den Ball, da er versucht gegen zwei Gegenspielern in ein Dribbling zu gehen. Nun sollte sich daraus für mindestens vier Spieler der Wiener eine Gegenpressingsituation ergeben. Jedoch passierte, dass nur Suttner versuchte, mit einer hohen Intensität und im Sprint, den Ball zurückzuerobern. Zwierschitz bewegte sich zwar als rechter Außenverteidiger wieder zurück in die Viererkette, jedoch kam von Teigl, Monschein und besonders von Sarkaria, Pichler oder Grünwald keine Bewegung zum Ball, um wieder in Ballbesitz zu kommen und Suttner zu unterstützen.
Einerseits müssten die Spieler nicht unbedingt in ein Gegenpressing gehen und könnten sich nach Ballverlust sofort versuchen in die defensive Formation zu ordnen, jedoch kam es weder zum Gegenpressing noch zu einer Rückwärtsbewegung zu einer defensiven Ordnung. Von einzelnen Spieler kam es nur selten zu intensiven Pressingphasen nach hinten. Vor allem von den offensiveren Spielern, die sich vor allem in der Rückwärtsbewegung, um einiges verbessern könnten.

Im Spiel gegen Sturm Graz kam es auch zu einer ähnlichen Situation. (Abbildung 4 & 5)

Abbildung 4: Teigl hatte den Ball im Spielaufbau, jedoch kaum eine Anspielstation.

Abbildung 5: Wieder eine Gegenpressingsituation, in der die Austria nicht situationsgerecht umschaltet.

Teigl hatte den Ball im Spielaufbau, jedoch kaum Anspielstationen. Der Außenverteidiger versuchte einen Pass auf Pichler zu spielen, der jedoch nicht ankam und die Wiener Austria kam wieder in eine Gegenpressingsituation. Amadou Dante eroberte den Ball und dribbelte in das Zentrum. Nur Wimmer setzte den Außenverteidiger unter Druck und Zwierschitz versuchte den nächsten Gegenspieler zuzustellen. Auch hier sah man wieder einige Spieler, die sich aus der Rückwärtsbewegung „herausnahmen“ (Pichler, Fitz).

Auch ein Problem im Gegenpressing war, dass einige Spieler nicht wissen, welchen Spieler sie nun attackieren beziehungsweise welchen Spieler sie zustellen müssten. Hahn, der gerade nicht im Bild ist, bewegte sich hinter Zwierschitz, obwohl Kevin Friesenbichler komplett frei im Sturmzentrum stand. Der Stürmer wurde von Dante auch angespielt und Sturm konnte sich aus der Gegenpressingsituation der Wiener ohne Probleme lösen. Nach dem Pass von Dante stoppte Wimmer auch seine Rückwärtsbewegung und es dauerte lange bis einige Spieler den Konter von den Grazer unterbinden wollten. Das heißt, dass auch in dieser Szene die Rückwärtsbewegung nicht optimal war. Allerdings zeigte die Abbildung 4 auch ein weiteres Problem auf.

 

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