Foto: © Screenshot Sky Sport Austria Taktik / 2020

Austria Wien unter Peter Stöger: Fehlerhaftes Pressing, viele technische Fehler und keine Rückwärtsbewegung [Mannschafts-Analyse] (2)

Bereits letzte Saison hatte die Wiener Austria große Probleme in ihrem Spiel, landeten unter dem Strich und verloren das Playoff um die Europa League gegen Hartberg. Nun ist Peter Stöger Cheftrainer, allerdings änderte sich bisher kaum die Tabellenposition. Was läuft falsch bei der Wiener Austria?

2.Aufbau und Entscheidungsfindung im letzten Drittel: Die Wiener Austria hat zwar eine Idee im Ballbesitz, kann diese aber kaum gut ausführen. Vor allem der Aufbau und die hohen Wechselpässe zu den Außenverteidiger ergeben immer wieder Probleme. Wie zum Beispiel in der vorherigen Abbildung 4.

Teigl bekam einen hohen Wechselpass, war jedoch von seinen ganzen Mitspielern isoliert. Das heißt, er hatte kaum Anspielstationen. Nur Fitz bewegte sich in die Tiefe, der Rest bewegte sich nur gering und gab für den Außenverteidiger auch keine Passoption. Nun kam auch noch die Entscheidungsfindung von Teigl dazu. Nachdem er sah, dass er keinen Mitspieler anspielen konnte, blieb er stehen und schaute sich weiterhin um. Eine Lösung wäre gewesen, anstatt das Spiel noch mehr zu verlangsamen ein Dribbling in den freien Raum am  Flügel zu starten. So hätte sich möglicherweise ein freier Mitspieler ergeben können. Auch wäre es möglich, dass sich Teigl umdreht und auf den Innenverteidiger spielte, um den Aufbau neu zu gestalten.

Auch die nächste Szene zeigte, dass die Austria große Probleme im Spielaufbau hatte. (Abbildung 6)

Abbildung 6: Hahn war von seinen Mitspielern isoliert und hatte kein richtig Anspielstation. (Pfeile in Schwarz zeigen Bewegungsvorschläge von Spielern)

Hahn bekam den Ball von Brown und wurde von einem Grazer sofort unter Druck gesetzt. Auch hier hatte der Ballführende wieder keine Anspielstationen. Diesmal ging der Austrianer jedoch in ein Dribbling und konnte sich durchsetzen, jedoch verloren sie in der Anschlussaktion den Ball. Nachdem Brown Hahn anspielte, bewegte sich weder der Innenverteidiger frei, noch Jukic löste sich vom Gegner früh genug um anspielbar zu sein.

Wie auch in der vorherigen Szene sah man hier, dass oft Spieler von ihren eigenen Kollegen isoliert werden und somit keine Passoptionen hatten. So mussten mehrmals riskante Entscheidungen getroffen werden, wodurch oft auch in der Anschlussaktion ein Ballverlust geschah.

Kam die Wiener Austria jedoch einmal in das letzte Drittel, wurde hier zu oft die falsche Entscheidung getroffen. Viel zu früh versuchten die Spieler den „finalen“ Pass zu spielen, der den Mitspieler frei vor dem Tor stellen würde, wobei die gegnerische Abwehr geordnet stand und den Pass abfangen konnte. Ein Beispiel aus dem Spiel gegen Altach. (Abbildung 7)

Abbildung 7: Pichler will zu früh den "finalen" Pass spielen.

Pichler hatte den Ball im rechten Halbraum und versuchte einen Pass auf Monschein zu spielen. Allerdings stand die Altacher Abwehr geordnet und konnte das Zuspiel ohne Probleme abwehren. Diese Szene zeigte gut, dass sie sehr schnell den „finalen“ Pass in die Tiefe spielen wollen und oft freie und womöglich bessere Passoptionen übersehen. Beispielsweise bewegte sich Sarkaria entgegen und hätte mit den ersten Kontakt Grünwald in die Tiefe spielen können. Dadurch wäre der Kapitän im Sechzehner und möglichweise auch in einer guten Abschlussposition.

Ein weiteres Problem bei der Wiener Austria waren die technischen Fehler bei der Ausführung von Entscheidungen. Beispielsweise hatte die Austria im Vergleich zu anderen Mannschaften eine sehr geringe Passquote. Diese liegt bei circa 77 Prozent von allen Pässen in der bisherigen  Saison. Im Vergleich dazu hatten ihre Gegner im Durchschnitt über 80 Prozent. Zwar ist dies noch ein kleiner Unterschied, jedoch wurde bei der Statistik nicht einberechnet, wie gravierend die Fehlpässe sind und welche Auswirkungen sie haben. Machten sie einen Fehlpass im Spielaufbau könnte der Gegner sehr schnell kontern, passiert jedoch der Ballverlust im letzten Drittel, hat dies nicht so große Auswirkungen, da der Gegner noch einen weiten Weg bis zum Tor hat. Auch die genauen Pässe pro Spiel sind ein Indiz dafür, dass eine Mannschaft große Probleme im Ballbesitz hat. Da liegt die Austria im Ligavergleich auf Platz 10 und nur vor SV Ried und FC Flyeralarm Admira. (Statistik aus Wyscout und Fotmob)

 

3. Das Pressing: Wie schon erwähnt presste die Wiener in einem 4-4-2. Erst ab der Höhe der Mittellinie wurden die Gegner meistens attackiert, wobei sich hier schon das erste Problem ergab. Zwar wurden die Ballführenden angelaufen, jedoch nicht wirklich unter Druck gesetzt und die Gegenspieler können sehr oft aus der 1. Aufbauline einen Pass ohne Druck spielen. Das nächste Problem war das Anlaufen. Immer wieder wurden die Sechser nicht in den Deckungsschatten genommen oder die Spieler liefen nicht passend zur Situation den ballführenden Gegner an und öffneten dadurch immer wieder Passwege in die Mitte, die der Gegner sofort ausnützte. Des Weiteren war das Problem, wenn die ersten Pressinglinie überspielt wurde, kommt es wie in den Situationen bei Ballverlusten kaum zu Rückwärtsbewegungen.

Abbildung 8: Gegner wurde nicht unter Druck gesetzt und konnte problemlos einen Wechselpass spielen.

Der Sechser der Hartberger, kippte auf die Seite ab und spielte mit dem entgegenkommenden Stürmer einen Doppelpass. Der Sechser wurde von keinem Austria-Spieler unter Druck gesetzt und konnte einen hohen diagonalen Pass auf die andere Seite spielen. Da der Sechser kaum attackiert wurde, kam der Wechselpass auch sehr genau an und Hartberg stand sehr schnell in einer sehr guten Flankenposition. Eine andere Lösung der Situation könnte wiefolgt aussehen: Entweder wird der Hartberger von einem Stürmer attackiert und bei dem hohen Pass gestört oder der Spieler verhindert den Pass sogar oder einer der Mittelfeldspieler rückt heraus und attackiert den Ballführenden.

Ein weiteres Beispiel für das suboptimale Verhalten im Pressing war im Spiel gegen Altach zu beobachten. (Abbildung 9)

Abbildung 9: Monschein öffnete durch sein suboptimales Anlaufen den Passweg in die Mitte.

Altach spielte in einer Dreierkette und hatte oft sehr breite Innenverteidiger, die immer wieder versuchten die Mittefeldspieler im Zentrum anzuspielen. Hier kam auch wieder das fehlerhafte Pressing der Wiener den Gastgebern zu gute. Monschein schaute sich sehr selten um und konnte daher nur sehr schwer seine Gegenspieler in seinen Deckungsschatten stellen. Daher lief er auch in dieser Situation den Ballführenden nicht situationsgerecht an und Samuel Gouet konnte ohne Probleme angespielt werden. Auch Grünwald merkte zu spät, dass der Passweg zum Sechser offen war und konnte daher nicht früh genug aus dem Vierermittelfeld herausschieben. In der Anschlussaktion spielte Gouet einen direkten Pass nach vorne, da Grünwald seine Position verließ, um den Sechser zu attackieren, und mit zwei Pässen wurden gleich zwei Linien von der Wiener Austria überspielt.

Die Probleme beim Anlaufen zogen sich über mehrere Spiele. Wie zum Beispiel gegen den SK Sturm Graz. (Abbildung 10)

Abbildung 10: Stürmer standen zu weit auseinander und Sturm Graz kann ohne Druck durch die Mitte spielen.

In der Partie gegen die Grazer gab es große Probleme die Mitte zu schließen. Zunächst standen die beiden Stürmer zu weit auseinander und auch das Anlaufen war nicht situationsgerecht. In der oberen Szene hatte der Schlussmann der Gäste den Ball und die beiden Stürmer  standen viel zu weit auseinander, sodass der Tormann ohne Probleme in die Mitte spielen konnte. So wurde die erste Pressinglinie der Wiener einfach überbrückt. Auch gegen SKN St. Pölten kam dieses Problem zustande. (Abbildung 11)

Abbildung 11: Auch hier kann St, Pölten durch fehlerhaftes Verhalten beim Anlaufen der Austrianer einfach durch die Mitte spielen.

Auch hier war es für Peter Pokorny möglich den vertikalen Pass auf den zentralen Mittelfeldspieler zu spielen. Pichler läuft den Ballführenden in einem Bogenlauf an, um ihn auf die linke Seite des Spielfeldes zu leiten. Da Pichler den Lauf startete, machte auch Edomwonyi bereits die Bewegung auf den Flügel, um den Außenspieler gleich attackieren zu können. Jedoch erkannte Pokorny dies und spielte einen vertikalen Pass auf Ljubicic, der sich daraufhin aufdrehen konnte. Auch hier gab es wieder das Problem, das Grünwald zu spät nachgeschoben war. Zudem täuschte die Annahme und die Körperposition den Stürmer der Austria, sodass er sich bereits früh für die Bewegung nach außen entschied.

 

4. Chancenverwertung: Die Wiener Austria kam in den letzten Partie zwar zu einigen guten Abschlussmöglichkeiten, allerdings konnten sie nur wenige von den Chancen nutzen. Laut Statistik, schoss die Wiener Austria im Durchschnitt ein Tor pro Spiel. Der zu erwartende Wert liegt bei 1,37 pro Spiel. Viele Teams überperfomen bei solchen werten, jedoch unterperformen die Violetten bei ihren Torchancen. Auch bei den Torschüssen pro Spiel liegen sie im Ligavergleich sehr weit unten. Mit nur 3,9 Torschüssen pro Partie liegen sie nur auf Platz neun der Liga. (Statistik von Wyscout und Fotmob)

 

Fazit

Die Wiener Austria hat einige Probleme, an denen sie arbeiten muss. Vor allem im Pressing können sie einige Dinge, wie das Anlaufverhalten oder die Rückwärtsbewegung der ersten Pressinglinie, verbessern. Die Rückwärtsbewegung trifft auch auf die Situationen im Gegenpressing zu. Viele Spieler nehmen sich aus der defensiven Arbeit heraus und dadurch haben sie auch sehr wenige Ballrückeroberungen im Vergleich zu anderen Teams in der Liga. Zudem müssen sie im Ballbesitz darauf achten, dass der Ballführende immer Anspielstationen hat und nicht von seinen Mitspielern isoliert ist. Verbessert Peter Stöger und die Wiener Austria einige der obengenannte Bereiche, könnten sie auf jeden Fall einen besseren Tabellenplatz haben.

 

 

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