Trainerwechsel sind ein beliebtes Instrument, wenn es im Fußball nicht rund läuft. Dabei wirkt eher ein kurzfristiger Impuls. Eine Forschungsgruppe der Universität Münster stellte schon vor vielen Jahren fest, dass Trainerentlassungen statistisch keine signifikante, langfristige Wirkung haben. Auch neuere Untersuchungen bestätigen den Schluss der Forscher:
Es handelt sich eher um eine "Regression zur Mitte". Das bedeutet vereinfacht: Ein Team spielt mehrere Wochen extrem schlecht und hätte ohnehin wieder mehr gepunktet, weil das Leistungsniveau höher ist. Das soll vollkommen unabhängig von der Person am Trainerstuhl geschehen. Erklärungen, warum man einmal gut, einmal schlecht spielt, hat der eine oder andere Spieler auch nach vielen Jahren nicht.
Ex-SKN-Spieler Ahmet Muhamedbegovic etwa erklärte gegenüber 90minuten über die Abstiegssaison 2020/21: "Warum die Rückrunde so schlecht war, weiß bis heute niemand." Man könnte diesen Effekt des Zurückkehrens zum gewohnten Niveau anhand zweier Beispiele festmachen: Austria Wien und Blau-Weiß Linz.
Nichts Genaues weiß man nicht
Anhand dieser Beispiele zeigt sich gut, dass eine pauschale Aussage, dass Trainerwechsel wenig bringen, kaum zu geben ist. Die Veilchen spielten letzte Saison wirklich gut, veränderten wenig und schafften erst vergangenes Wochenende den Befreiungsschlag. Blau-Weiß Linz, mit aktuell einem Zähler, performte letzte Saison ebenfalls besser als erwartet. Den Stamm des Teams hielt man zusammen, mit Mitja Mörec folgte ein Mann auf den abgeworbenen Gerald Scheiblehner, dem man viel zutraut; gegen Salzburg gelang nun der erste Zähler der Saison.

Durch die Verhältnisse im heimischen Fußball wird eine Analyse generell erschwert. Im Regelfall setzen sich die bekannten fünf Großklubs oben fest. Hierbei spielen Geld bzw. Tradition Fußball. Also sollte man den Blick auf die unteren Sechs wenden. Denn gerade im Abstiegskampf entscheiden "dank" der Punkteteilung nach 22 Runden oftmals wenige Augenblicke über Bundesliga oder LigaZwa.
Am Ende trennten Absteiger Klagenfurt und die neuntplatzierte WSG Tirol gerade einmal vier Punkte. Die Austria hatte einen Trainerwechsel versucht, Altach hatte schon früh Standfest durch Ingolitsch ersetzt und der GAK verschliss überhaupt drei Trainer. Die Wattener, die als erste den Klassenerhalt sicherten, hielten an Philipp Semlic fest.
Muster erkennbar?
Sieht man sich alle Absteiger seit 2018/19 sowie jene an, die in einem Jahr dem Abstieg entronnen sind und ihr Verhalten in der nächsten Saison an, gibt es ebenfalls ein diffuses Bild. Wacker stieg in der ersten Saison mit neuem Modus trotz Trainerwechsels von Karl Daxbacher zu Thomas Grumser im Frühjahr ab. Die WSG blieb 2019/20 nur dank des Endes der SV Mattersburg in der Liga und hielt an Thomas Silberberger fest. Die Admira wäre 2021/22 ohne Punkteteilung gar nicht abgestiegen, hielt an Herzog die ganze Saison fest, verbrauchte davor aber mehrere Trainer. Und, und, und.
Dass die meisten Absteiger und Doch-nicht-Absteiger irgendwann Klaus Schmidt auf der Bank sitzen hatten, ist ein nettes Detail am Rande. Lang blieb dieser nie, was vermutlich darauf hindeuten könnte, dass es schwierig ist, wenn der eine oder andere Trainer, der in einer heißen Phase zum Aufganseln des Teams geholt wurde, langfristig arbeiten soll. Nicht unlogisch, weil andere Tugenden gefragt sind, wenn man um jeden Punkt rauft, als wenn man 22 Runden Zeit hat, sich zu positionieren.
Du gibst die Leitlinien vor, die Spieler folgen aus Überzeugung und du spürst umgekehrt, was sie brauchen. Geht das verloren, gerät das System aus der Balance.
Ein klares Muster, was sich sportlich letztlich auszahlt, gibt es kaum. Wie der Effekt, dass das Band zwischen Trainer und Mannschaft zerschnitten wird, beschreibt Philipp Semlic: "Das Verhältnis gestaltet sich so, dass du die Leitlinien vorgibst und die Spieler diesen mit Überzeugung folgen, du umgekehrt spürst, was sie brauchen. Geht das verloren und der eine oder andere Spieler wird unzufrieden, gerät das System aus der Balance."
Im Sommer entscheidet es sich!
Dass das nicht passiert, darauf müssen auch Sportdirektoren achten, meint er weiter. Individuelle Qualität spielt dabei mit Sicherheit eine Rolle. Ein vereinfachtes Beispiel: 2023/24 schoss Ronivaldo zehn von insgesamt 33 Blau-Weiß-Toren, bei Austria Lustenau brauchte es drei Mann, um elf Goals zu erzielen – von 16. Die Linzer hatten acht Kicker mit mehr als zwei Toren, Lustenau vier.
Die Sportdirektoren müssen die Kicker auftreiben, die auch die notwendige Qualität mitbringen. Für den Faktor Eingespieltheit gibt es gleich viele gute wie schlechte Beispiele, wie bereits eingangs erwähnt.
Im Endeffekt entsteht da ohnehin ein Teufelskreis: Man schmeißt den einen Trainer spät in der Saison raus und holt einen Haudegen, der drei Monate später Geschichte ist. Dann zahlt man bis zu vier Coaches und kann sich keine Kaderverstärkungen mehr leisten.
Kontinuität zahlt sich langfristig aus
Was bei Scheiblehner, Schopp, Semlic oder Silberberger jedoch ersichtlich ist, ist der Plan, wie man generell Fußball spielen will. Dieser muss im gesamten Verein existieren und dann kann es gut laufen. Das zeigt sich vor allem dann, wenn man sich die bisherigen Spielzeiten der kleineren Klubs ansieht. Hierbei lassen sich Erfolg (Teilnahme an der Meistergruppe) und Misserfolg (Abstieg in die 2. Liga) leicht abbilden:
Bundesliga-Teams seit 2018/19 ohne Meistergruppenteilnahme:
Name | Saisons | Trainer |
---|---|---|
Wacker Innsbruck | 1 | 2 |
Admira Wacker | 4 | 8 |
Austria Lustenau | 2 | 3 |
SCR Altach | 7 | 9 |
SV Ried | 3 | 8 |
17 | 30 |
Kleine Teams seit 2018/19 mit Meistergruppenteilnahme:
Name | Saisons | Trainer |
---|---|---|
Austria Klagenfurt | 4 | 2 |
TSV Hartberg | 7 | 6 |
WAC | 7 | 8 |
BW Linz | 2 | 1 |
WSG Tirol | 7 | 2 |
GAK | 1 | 3 |
28 | 22 |
Die Absteiger kommen auf 17 Spielzeiten und 30 Trainer. Jene, die es mindestens einmal in die Meistergruppe schafften, kommen auf 27 Spielzeiten bei 19 Trainern – und sind bis auf Austria Klagenfurt alle noch in der Bundesliga.
Auf den Punkt gebracht: Ja, es gibt kurzfristige Effekte, aber Kontinuität am Trainersessel, auch in Form weniger Wechsel, erhöht langfristig die Chance auf Erfolge.