News-Archiv / 2016

Österreichs (künftige) Offensivmisere

Marcel Koller sucht ihn. Red Bull Salzburg, Austria und Rapid Wien haben ihn nicht und auch sonst schaut es nicht gut aus. Wo ist der heimische Vollblutstürmer? Ein Statistik-Check von Georg Sander

 

Natürlich gibt es gegenwärtig Deni Alar. Mit elf Volltreffern führt er die Torschützenliste der heimischen Bundesliga an. Er hatte auch 2010/11, 2011/12 und 2012/13 Saisonen mit zehn Toren oder mehr - in den letzten drei Jahren vor seinem Wechsel zu Sturm war die Ausbeute aber nicht allzu groß. Und inwieweit das aber bedeutet, dass Österreich einen neuen Knipser hat? Alar ist 26 Jahre alt und eine dauerhafte Konstanz über Jahre ist ihm bislang abzusprechen. Der Blick auf die Torschützenkönige der letzten Jahre verdeutlicht das. Seit 2005/06 hießen die treffsichersten Spieler der Liga je zwei Mal Roland Linz, Alex Zickler und Jonatan Soriano. Hinzu kommt der 33-jährige Schweizlegionär Marc Janko, Steffen Hofmann, Türkeiexport Jakob Jantscher, der „Lange“ Stefan Maierhofer und Philipp Hosiner.

 

Zwar befindet sich mit Philipp Prosenik auf Rang drei der aktuellen Torschützenliste noch ein österreichischer Stürmer, die restlichen treffsicheren Kicker sind aber Mittelfeldspieler oder eben ohne heimischem Pass. 90minuten.at hat deshalb die Kaderlisten aller Spiele der heimischen Bundesligaklubs untersucht um herauszufinden, wie es um die heimischen Offensivkräfte steht. Dabei wurden die Einsatzzeiten von für Österreich spielberechtigten Kickern, die mit Stichtag 29.11. bzw. vor der 17. Runde 22 Jahre oder jünger waren analysiert. Eingeteilt wurde in Offensiv- und Defensivspieler.

 

Statistik: Missverhältnis zwischen eingesetzten Offensiv- und Defensivspielern

 


57 Fußballspieler entsprachen dem Kriterium „Österreicher“ und „22 Jahre und jünger“, 40 Prozent oder 23 davon waren Offensivspieler (siehe zweite Grafik). Die Offensivspieler kamen gemessen an den gesamten Einsatzminuten aller Youngsters nur auf 40 Prozent der Einsatzminuten. Im Schnitt verbuchen alle Youngsters des Samples 667 Einsatzminuten. Der Schnitt der Gruppe der Offensivspieler beträgt nur 605 Einsatzminuten. Die Wahrscheinlichkeit, als Offensivspieler Einsatzminuten zu bekommen, ist also geringer.

 

 

Natürlich sind die Grenzen zwischen Offensivspieler und Stürmer heutzutage eher fließend. Würde man nur Vollblutstürmer in die Rechnung mit einfließen lassen, sehe die Statistik aber noch katastrophaler aus. Legt man die Stürmerdefinition von den Kollegen von transfermarkt.at an, bleiben überhaupt nur Kevin Friesenbichler, Marko Kvasina (FAK), Marcel Holzer (WAC), Fabian Schubert (Ried), Maximilian Entrup (SCR) und Patrick Schmidt (Admira) über. Gemessen an der Gesamteinsatzzeit aller Youngsters ergibt sich dann ein Wert von unter fünf Prozent.

 

Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen

Es gibt eine klare Diskrepanz zwischen der oberen und der unteren Tabellenhälfte. Alle Klubs „oben“ haben Durchschnittsminuten bei Offensivspielern von 700 oder mehr, dann klafft eine Lücke auf, Mattersburg folgt mit 443. Es dürfte aber allenfalls ein Indikator dafür sein, dass es sich auszahlt, auf junge Kicker zu setzen. Oder wie sagte es Lustenau-Erfolgscoach Lassaad Chabbi: „Viele sagen: Der hat zwei Spiele nicht getroffen, also muss ein anderer spielen. Das glaube ich nicht.“ Vertrauen ist der Schlüssel zum Erfolg; Vertrauen, das Österreichs Offensivkräfte anscheinend nicht bekommen.

 

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