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Sturm Graz unter Christian Ilzer: Erfolgreicheres Pressing und dominantes Auftreten im Ballbesitz [Mannschafts-Analyse] (2)

Sturm Graz steht nach elf Runden auf dem zweiten Tabellenplatz und ist mit einem Spiel weniger nur einen Punkt hinter Red Bull Salzburg. Mit starken defensiven Leistungen und schnellen Kontersituationen spielen sie nicht nur dominant gegen schwächere Mannschaften, sondern konnten auch gegen den amtierenden Meister gewinnen.

Die Weiterentwicklung im Spielaufbau

Am Anfang der Saison hatte Sturm Graz noch einige Problem im Ballbesitz. Dies wurde auch in der vergangen Spiel-Analyse zu Sturm Graz erwähnt: „Sturm Graz weiterhin mit Problemen im Ballbesitz [Spiel-Analyse]“. Aber auch wie in den anderen Bereichen, konnte man im Spielaufbau einige Verbesserungen sehen. Zu Beginn und wie auch in der oben genannten Analyse hatten die Grazer große Probleme mit Bewegungen von Spielern, die den Ball nicht hatten. Das heißt, dass der Ballführende nur wenige Anspielstationen hatte, da viele seiner Mitspieler im Deckungsschatten des Gegners und dadurch nicht anspielbar waren.

Im Spielaufbau agierten die Grazer mit einer Viererkette, wobei die Außenverteidiger schon sehr früh auf die Höhe der Sechser rückten. Die Achter besetzten den Halbraum und die Stürmer wichen immer wieder auf den Flügel aus. Vor allem Jantscher bewegte sich immer wieder auf den linken Flügel.

In der ersten Aufbaulinie spielte Nemeth eine wichtige Rolle, da der Spielaufbau sehr oft vom jungen Innenverteidiger gestaltet wurde. Er suchte früh den tiefen Pass bis in die letzte Linie. Das heißt, dass er entweder einen Chipball über die Abwehr versuchte oder mit einem flachen vertikalen Pass das Sturmzentrum bespielen wollte. Wie zum Beispiel im Spiel gegen WSG Tirol. (Abbildung 7)

Abbildung 7: Vertikaler Pass von Nemeth um schnellstmöglich das Mittelfeld zu überbrücken.

Nemeth bekam den Ball von Wüthrich und schaute mit seiner Mitnahme gleich nach vorne. Mit seinem zweiten Ballkontakt spielte er einen halb-hohen vertikalen Pass auf Friesenbichler, der sich in den Zwischenlinienraum bewegte. So überspielte er schnell das Mittelfeld und in der Anschlussaktion konnte Graz auch zu einem Torabschluss kommen. Im Spiel gegen Red Bull gab es auch ein gutes Beispiel für die hohen Pässe von Nemeth über die gegnerische Abwehr. (Abbildung 8)

Abbildung 8: Der einleitende Pass von Nemeth zum 3:0 gegen Salzburg.

Nemeth bekam den Ball von seinem Schlussmann zugespielt. Auch in dieser Situation konnte er mit seiner Mitnahme aufschauen und sah, dass Ingolitsch in die Tiefe startete. Zudem war die Körperposition von Andreas Ulmer nach vorne gerichtet, sodass er Probleme hatte den hohen Ball zu verteidigen. Außerdem bewegte sich Ingolitsch kurz vor dem Pass zu Nemeth, um Ulmer noch ein wenig aus seiner Position herauszuziehen und noch mehr Platz hinter der Abwehr zu schaffen.

Viele der Angriffe von Sturm Graz gingen jedoch auch hauptsächlich über die linke Seite. Dante als Außenverteidiger traf mit dem Ball immer wieder sehr gute Entscheidungen und konnte durch seine Pässe in die Tiefe auch öfters Angriffe einleiten. Auch laut Wyscout-Statistik werden über 30% der Angriffe über die linke Seite gespielt.
Ein Grund dafür ist, dass sich auch Jantscher immer wieder auf den linken Flügel fallen lässt. So konnten sie öfters den linken Flügel überlagern und mehrmals Angriffe von dort einleiten. Die Bewegungen von Jantscher halfen auch oft Platz im Zwischenlinienraum zu öffnen. Der linke Außenverteidiger hatte dann immer wieder die Möglichkeit flache diagonale Pässe in das Sturmzentrum zu spielen. Wie zum Beispiel im Spiel gegen die Austria. (Abbildung 9)

 

 

Abbildung 9: Jantscher bewegte sich auf den Flügel, bekam den Ball von Dante und konnte den 2:0 Treffer für Kiteishvili auflegen.

Dante erhielt das Spielgerät von Stankovič und konnte Jantscher, der sich aus der Stürmerposition auf den Flügel bewegte in die Tiefe schicken. Nun musste Johannes Handl entscheiden, ob er den Stürmer der Grazer attackiert oder die Mitte schließt. Er entschied sich das Zentrum zuzumachen, allerdings wurde Jantscher daraufhin kaum unter Druck gesetzt und konnte ohne Probleme eine Flanke in den Rückraum spielen. Zudem war auch die Grazer Strafraumbesetzung in dieser Szene sehr gut, da die erste Stange angelaufen wurde und auch der Rückraum von Kiteishvili, der das Tor erzielte, besetzt wurde.

Allerdings wurde nicht immer Jantscher angespielt, sondern durch den Laufweg des Stürmers konnte der Passweg in den Zwischenlinienraum geöffnet werden, in den Dante auch öfters hineinspielen konnte. So liefen die Angriffe immer wieder über den linken Flügel.

 

Was macht Sturm zur besten Defensive der Liga?

Sturm Graz bekam in elf Runden nur fünf Gegentore und konnte zudem sieben Mal in der laufenden Saison zu Null spielen. Auch die Statistik bei Wyscout besagt, dass sie beim Verteidigen zurzeit überperfomen. Der Wert der erwarteten Gegentore liegt im Durchschnitt bei 1,17. Allerdings bekamen sie im Durchschnitt pro Spiel nur 0,45 Gegentore in der Bundesliga. Zudem erkennt man auch, dass sie sehr wenige Schüsse auf das Tor zulassen. Besonders zu sehen war in den Spielen, dass Torabschlüsse des Gegner aus einer guten Position entweder von einem Verteidiger geblockt wurden oder Schlussmann Jörg Siebenhandl konnte den Schuss parieren. Aber was machen die Grazer besser im Vergleich zu anderen Mannschaften?

In den letzten Partien der Bundesliga konnte man erkennen, dass die Grazer mit sehr vielen Spielern den eigenen Strafraum verteidigen. Das heißt, dass viele Spieler, wenn sie überspielt worden sind oder der Gegner in das letzte Drittel kam, schnellstmöglich zurückliefen und sich geordnet auf den Sechzehner aufstellten. Vor allem nach Ballverlusten kamen die Grazer immer wieder schnell vor den eigenen Strafraum und konnten die Räume für die Gegner schnließen. Wie zum Beispiel gegen die Wiener Austria. (Abbildung 10)

Abbildung 10: Das Verhalten der Grazer in der Defensive.

Die Grazer verloren kurz vor der Situation den Ball im Mittelfeld, jedoch dauerte es nur ein paar Sekunden bis sie sich am Sechzehner geordnet formierten und den Angriff der Austria verhindern konnten. Bis zu acht Spieler positionierten sich um den Strafraum und gaben den Ballführenden kaum Anspielstationen nach vorne.

Zudem war die Abwehrkette sehr gut in defensiven 1-gegen-1-Situationen und konnten dadurch entweder den Zweikampf gewinnen oder den Gegner auch vom Tor wegleiten. Die Verteidiger antizipierten auch öfters tiefe Bälle des Gegners und konnte den Ball so immer wieder erobern.

Außerdem muss noch der Schlussmann der Grazer erwähnt werden. Siebenhandl spielte bis jetzt eine hervorragende Saison. Er konnte nicht nur mit einigen Paraden mehrere Gegentore verhindern, sondern er spielt auch im Spielaufbau sehr gut mit. Vor allem aber auch tiefe Pässe des Gegners hinter die Abwehr konnte Siebenhandl mehrmals Abfangen.

 

Fazit

Der SK Sturm Graz hatte zu Beginn der Saison ein paar Probleme in einigen Bereichen, die jedoch im Laufe der Spiele immer wieder verbessert wurden. Vor allem im Anlaufverhalten im Pressing und im Spielaufbau konnten sich die Grazer um einiges steigern. Was jedoch am meisten herausstach, waren die wenigen Gegentore. In der Defensive agieren sie sehr gut und können den Ballführenden immer wieder unter Druck setzen und ihm keine Anspielstationen bieten. Dazu kam, dass Siebenhandl eine sehr gute Herbstsaison spielte.

Können die Grazer weiterhin so spielen und besonders in der Meistergruppe wieder gegen Salzburg performen, könnten sie das Rennen um den Meistertitel dieses Jahr sehr spannend machen.

 

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