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"Zwei-Stadien-Debatte in Graz geht nicht mehr weg" [Exklusiv-Interview] (2)

Sturm Graz-Präsident Christian Jauk und Geschäftsführer Wirtschaft Thomas Tebbich ziehen im exklusiven 90minuten.at-Interview Bilanz über die letzten Monate und blicken in eine Zukunft mit zwei Stadien.

90minuten.at: Eine größere Anzahl an Mitgliedern bedeutet mehr Partizipation. Was heißt das für die nächste Generalversammlung?

Jauk: Ich erwarte für die nächste Generalversammlung eine Größenordnung zwischen 500 und 1.000 stimmberechtigten Mitgliedern vor Ort. Wenn die Mitgliederzahl stark wächst, muss man den Verein strukturell dementsprechend aufstellen, dass jedes Mitglied die Möglichkeit hat, sich laufend einzubringen. Wir haben dazu die entsprechenden Gremien, Kuratorium und Beirat, geschaffen. Wenn sich alle Wünsche und Anregungen von Mitgliederseite auf die Generalversammlung alle paar Jahre konzentrieren, dann kann das schnell in chaotischen Zuständen enden.

 

90minuten.at: Ein schwieriges Thema ist – mittlerweile seit vielen Jahren – die Stadionfrage in Graz. Aktuell gibt es eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit dem GAK und der Politik. Was ist dazu der aktuelle Stand der Dinge? Stichwort Zwei-Stadien-Lösung?

Jauk: Unser Ziel ist und bleibt es, alleiniger Pächter in Liebenau zu werden. Auch weil das geografisch mit der Nähe zu Gruabn und Augarten passt. Das Grundproblem in der Debatte ist, dass immer nur über die 20 Fußballspiele im Jahr diskutiert wird. Dabei geht es um eine Sportinfrastruktur, nicht nur um ein Fußballstadion. Es gibt viele innovative Konzepte, die über die rein sportliche Nutzung hinausgehen. Lange ging es außerdem immer nur um Sturm. Jetzt ist es vor Kurzem aber erstmals der Fall gewesen, dass der GAK klar formuliert hat, eine eigene Spielstätte zu wollen. Das ist eine neue Dimension. Wenn wir gemeinsam auftreten, erhöhen wir natürlich den Druck auf die Politik und die Wahrscheinlichkeit für eine Lösung. Unsere Konzepte zur Übernahme von Liebenau gibt es seit Jahren. Wir sagen klar „Sturm braucht eine Heimat“. Wirtschaftlich fehlt uns gegenüber unseren Ligakonkurrenten ein guter siebenstelliger Betrag, in erster Linie aufgrund fehlender Business-Seats und Sky-Boxen, auf Dauer werden wir das sportlich nicht kompensieren können. Vor allem brauchen wir diese Heimat aber aus emotionalen Gründen.

"Wir haben jahrelang dieses Stadion weiterentwickelt, obwohl wir auch nur einer der Mieter sind. Und wir haben es jetzt geschafft die öffentliche Debatte zur Zwei-Stadien-Lösung loszutreten. Die geht nicht mehr weg, das wird kommen. Die Frage ist nur wann." - Christian Jauk

90minuten.at: Ist das ein Zugang, den die Mehrheit der Sturmfans abseits der organisierten Fanszene auch so sieht? Oder gibt es nicht vielfach die Meinung, ein Stadion für beide Klubs reicht doch?

Jauk: Wie war denn das in Wien oder in Linz? Gab es da nur Wünsche von Fans? Es liegt an uns, Vereinsführung, Vorstand, Geschäftsführung, zu argumentieren, warum wir das haben wollen. Und wir haben seit Jahren ein Konzept für einen Pachtvertrag vorliegen, wo sich die öffentliche Hand jährlich einen sechsstelligen Betrag erspart. Wir haben zugleich ein Investitionsprogramm vorgeschlagen, bei dem Sturm zum Beispiel die Sky-Boxen finanzieren würde. Bisher war die Politik nicht willens darüber zu verhandeln, aus Sorge um den zweiten Klub. Jetzt hat der GAK aber eben den Wunsch offiziell geäußert eine eigene Sportstätte haben zu wollen. Wir haben in den Gesprächen viel positive Energie zu unseren Vorschlägen festgestellt, aber ich traue mich trotzdem nichts zu prognostizieren, weil es aufgrund der aktuellen Lage am Ende der Gespräche heißen könnte: Schön, aber jetzt nicht, die Stadt hat leere Kassen.

 

90minuten.at: Aber nach Ihren Ausführungen würde die Stadt Graz sich Geld ersparen.

Jauk: Ja. Aber die Politik muss zugleich einen einmaligen Millionenbetrag in eine zweite Sportanlage investieren. Langfristig wäre es für die öffentliche Hand trotzdem ein Plus.

Tebbich: Es wird durch den Schritt des GAK jetzt einmal abgewägt, welche Optionen es gibt, wie sieht es mit Raumplanung oder öffentlicher Anbindung für potenzielle Standorte aus. Aber wir sind weit weg von konkreten Vorschlägen.

Jauk: Man muss sich bei der Gelegenheit diesen Irrsinn vorstellen, den ich seit Jahren erlebe, als Sturm-Präsident das GAK-Stadion planen zu müssen. Ich würde mir wünschen, dass sich die Frage an die verantwortliche Politik richtet, was sie zu dem Thema vorhat. Infrastruktur, egal ob Kultur, Verkehr oder Sport, ist immer eine politische Frage. Aber um das Thema jetzt abzuschließen: Wir haben jahrelang dieses Stadion weiterentwickelt, obwohl wir nur einer der Mieter sind. Und wir haben es jetzt geschafft die öffentliche Debatte zur Zwei-Stadien-Lösung loszutreten. Die geht nicht mehr weg, das wird kommen. Die Frage ist nur wann.

Das Gespräch dreht sich noch weiter um die Politik und die Infrastruktur. Thomas Tebbich spricht die Nachteile für die Akademie im Ligavergleich an und wie wichtig ein baldiger Abschluss der Gespräche zur Errichtung des zweiten Trainingszentrums wäre. Gerade einmal zwei Fußballplätze stünden dem Nachwuchs zur Verfügung, nur einer davon mit Flutlicht. Angesprochen auf den Österreichertopf, den Sportdirektor Andreas Schicker, wie im November bei BlackFM (BlackFM // Volume #60 // Christian Ilzer & Andreas Schicker - BlackFM.at) verlautbart, auch in Zukunft gerne links liegen lassen würde, bestätigt Tebbich einen mittlerweile erfolgten Vorstandsbeschluss dazu. Dabei geht es um einen höheren sechsstelligen Betrag, Sturm ist aber der Meinung, derzeit mit dem Kauf von Potenzialspielern ohne Rücksicht auf die Anzahl an heimischen Spielern besser zu fahren. Ob die aktuelle Situation damit noch den Ansprüchen des Leitbilds zum eigenen Nachwuchs entspricht, bringt den Präsidenten auf den Plan:

"Wir haben schon schöne Pläne für den Geburtstag am 1. Mai 2023 gemacht. Für dieses Datum träumen wir aber vom Cupfinale in Klagenfurt und dafür würden wir die Geburtstagsfeier natürlich sehr gerne ein paar Tage verschieben." - Thomas Tebbich

Jauk: Ja, im Leitbild wird der besondere Stellenwert des Nachwuchses festgehalten. Mir als Präsident geht das Herz auf, wenn ich in der ersten Mannschaft einen Spieler sehe, der seine Jugend bei Sturm verbracht hat. Aber in Zeiten des sportlichen Erfolgs steigt der Wettbewerb und die Jugendspieler müssen über eine höhere Hürde springen, um es nach oben zu schaffen. Das war auch vor zwanzig Jahren unter Ivica Osim so. Ich hoffe, diese Hürde ist eine Motivation für jene mit ausreichend Potenzial. Ich würde es mir wünschen. Denn eine verbesserte Infrastruktur im Nachwuchsbereich, wie wir sie gerade planen, ist keine Garantie, aber sie erhöht die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg.

 

90minuten.at: Stichwort Leitbild: Es sind nun einige Jahre vergangen, seit Sturm sein Leitbild präsentiert hat. Was ist Ihrer Meinung nach davon schon im Vereinsalltag sichtbar?

Tebbich: Beim Mitglieder-Infoabend im November hat Jugendtrainer Thomas Raffl präsentiert, wie einheitlich die Spielformen schon von ganz oben in den Nachwuchs durchgreifen. Noch mehr imponiert haben mir aber seine Ausführungen zur Ausbildung bei Sturm und dem Stellenwert, was es heißt das schwarz-weiße Trikot tragen zu dürfen.

Jauk: Für mich ist das soziale und gesellschaftliche Engagement besonders wichtig. Neben der Tatsache, dass wir jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag an Steuern und Abgaben zahlen, betreuen wir in der Ausbildung junge Menschen sieben Tage die Woche wie in einem Schulbetrieb. Das geht hin bis zu unserem Special Needs-Team. Dazu kommt unsere Fankurve mit ihrer Aktion „Schwoaze helfen“. Es macht uns sehr stolz, dass es bei Sturm um mehr als den Sport geht.

 

90minuten.at: Geschäftsführer Sport und Trainerteam haben gerade neue Verträge unterschrieben. Wie sieht es mit der Geschäftsführung Wirtschaft und dem Präsidenten aus?

Tebbich: Ich komme aus einem Einzelsport, ich war Zehnkämpfer und habe eine Bestmarke über 8.000 Punkte erreicht. Ich traue mich zu sagen, wenn man eine solche Leistung erbracht hat, ist man aus einem besonderen Holz geschnitzt. Mir geht es um den Blick nach vorne. Wenn ich Möglichkeiten sehe, Dinge umzusetzen, Konzepte, die ich im Kopf habe voranzutreiben, dann bin ich mit vollem Elan dahinter. Das ist bei Sturm auch nach über sechs Jahren noch der Fall.

Jauk: Die nächste Generalversammlung ist spätestens im Jänner 2024. Dann war ich 12 Jahre lang Präsident, davor fünf Jahre Vizepräsident und Finanzvorstand. Im Moment sehe ich keinen Anlass zu dem Thema eine Meldung zu machen. Um Sturm zu helfen, muss man nicht unbedingt Präsident sein.

 

90minuten.at: Wir stehen gerade erst am Beginn einer sehr langen Winterpause. Trotzdem ein Ausblick auf den Frühling. Was wünschen Sie sich für 2023?

Tebbich: Wir haben schon schöne Pläne für den Geburtstag am 1. Mai 2023 gemacht. Für dieses Datum träumen wir aber vom Cupfinale in Klagenfurt und dafür würden wir die Geburtstagsfeier natürlich sehr gerne ein paar Tage verschieben.

Jauk: Ich möchte das mit einem Zitat von Ivica Osim beantworten: „Erfolgreich ist eine Mannschaft, wenn sie etwas bewegt, nicht nur aufgrund ihrer Pokale.“

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