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Kritik repariert

Sturm-Sportdirektor Gerhard Goldbrich denkt, dass Kritik das Produkt Fußball beschädige. Dabei ist es umgekehrt. Ein Kommentar von Gerald Gossmann und Michael Fiala

 

Sturm-Sportdirektor Gerhard Goldbrich hatte gestern einen unliebsamen Medientermin. Bei Talk und Tore auf Sky sollte er Antworten liefern, warum sein Verein Sturm Graz nur mehr Mittelmaß ist und keine Tore mehr schießt. An solcher Stelle kann man auf die Erklärungen bereits wetten. Nicht nur Goldbrich verwendet sie, auch andere tun das. Man müsse eben wieder Tore schießen, das Glück müsse zurückkommen, es brauche weniger Pech.

 

Das Budget

Ein weiteres Beispiel? Die Grazer haben deutlich weniger Budget als Salzburg, Austria und Rapid und somit viel weniger Handlungsspielraum bei Transfers, meinte Goldbrich. So weit, so richtig. Ein ähnliches Argument brachte auch Rapid-Trainer Zoran Barisic bereits vor dem peinlichen 0:6 in Valencia. Doch gleichzeitig hat Sturm deutlich mehr Budget als Admira, Mattersburg, WAC & Co. Und dennoch ist derzeit aus sportlicher Sicht kaum ein Abstand zwischen den Grazern und diesen Vereinen zu erkennen. Man könnte als meinen, das Argument zählt nur, wenn man den Rückstand auf andere Vereine erklären will, wie auch Jürgen Pucher als Replik in der Sendung sinngemäß anmerkte.

 

Wenn die Handvoll kritischer Journalisten dann das „Warum“ ergründen will, gibt es den Konter, der eigentlich immer folgt: „Draufhauen“ hilft auch nicht weiter. So formulierten das auch Gerhard Goldbrich und sogar Peter Klimkeit (!) gestern, indem er sachliche Kritik einfach in ein harsches „Draufhauen“ umformulierte. Man müsse aufpassen, dass man das Produkt Fußball nicht damit sogar beschädige, so Goldbrichs These.

 


Die These „Zu viel Kritik beschädigt am Ende das Produkt Fußball“ wird oft und gerne verwendet. Dabei ist es umgekehrt. Zu wenig Kritik verschlimmert den Zustand des heimischen Kicks und beschädigt ihn damit sogar. Das sah man gut vor der Heim-Europameisterschaft 2008, als der ÖFB mit dem ORF eine Art Nicht-Angriffspakt ausverhandelte, um die Stimmung im Land nicht zu gefährden. Das Nationalteam verlor trotzdem Spiel um Spiel und schaffte auch bei der Endrunde nichts. Die fehlende Kritik im Vorfeld half dem Teamchef auf seine Teamchefsessel zu bleiben, nicht aber dem Produkt Fußball. Auch die Bundesliga appelliert traditionell zur Bundesliga-Auftaktpressekonferenz sinngemäß, dass man mit Kritik sparsam sein solle, da vom Produkt Fußball im Endeffekt doch alle leben: Journalisten und Sportfunktionäre. Auch wenn sich viele daran halten: Das Produkt Bundesliga wurde dadurch nicht besser.

 

Dazu passte der gestrige Auftritt von Peter Klimkeit, Journalist der Kleinen Zeitung, perfekt. Eine seiner Antworten begann er fast schon symbolbehaftet: „Ich bin zwar nicht der Anwalt von Franco Foda, aber …“. Ein weiteres Mal meinte Klimkeit sinngemäß, dass er oft mit Franco Foda Gespräche führe und oft das eintrete, was der Grazer Trainer so von sich gibt. Soll heißen: Foda hat ja immer schon gesagt, dass diese Saison nicht einfach wird. Also was soll diese Kritik dann an Foda? Dass Klimkeit und Goldbrich bei Talk und Tore in Eintracht nebeneinander gesessen sind, war ein weiteres symbolisches Bild für die Allianz zwischen einem unkritischen Medium und einem Sportverein.

 

Ein Gegenbeispiel, wie konstruktive Kritik wirken kann, ist die Teamchefära von Didi Constantini. Gerade da zeigte die deutliche Kritik - vor allem zunächst ausschließlich von Internetmedien geäußert - , dass ein Benennen der Missstände in Verband und Nationalteam zu klaren Verbesserungen führte. Der ÖFB schaltete wie oft gefordert - und lange als Missstand kritisiert - Sportdirektor Ruttensteiner als fachliche Instanz zwischen Präsidium und Nationalteam und hat seither Erfolg. Oder auch in Deutschland zeigt sich gerade, wie wichtig kritische Medien sind: Viele Medien hielten Ex-DFB-Präsident Niersbach und Ikone Franz Beckenbauer lange die Stange. Der Artikel des Spiegel, der vor ein paar Wochen die dubiosen Geldflüsse des DFB im Zuge der WM 2006 erstmals thematisiert hat, wurde zwar am Anfang von vielen Seiten kritisiert. Im Endeffekt wird aber auch der DFB durch das Aufdecken dieser Affäre profitieren.

 

Zurück zu Österreich: Während Sportdirektor Goldbrich also denkt, dass Kritik das Produkt beschädigt, ist es vielmehr umgekehrt – ein konstruktives Benennen der Problemstellen repariert das Beschädigte.