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Freundschaftliche Internationalisierung

Der österreichische Rekordmeister Rapid Wien will national Titel gewinnen und international beachtet werden. Dafür wird ausnahmsweise keine Vereinslegende sondern ein Deutscher Trainer. Aber bedeutet Ausländer automatisch Internationalisierung? Ein Kommen


Rapid Wien hat diese Woche kurzerhand den bisherigen Trainer beurlaubt und prompt den neuen Coach vorgestellt. Mike Büskens heißt der Mann und ist Deutscher. Ein Deutscher als Cheftrainer klingt in Österreich generell nach Internationalisierung des Betriebs.


Es ist noch nicht lange her, da wurde bei Trainerbestellungen hierzulande nicht groß überlegt. Die einstigen Fußballhelden durften nach der Karriere ihren Herzensverein trainieren. Einer nach dem anderen. In der Nationalmannschaft war es lange Tradition einen Erfolgsbringer aus der Vergangenheit als Trainer einzukaufen. Herbert Prohaska, Hans Krankl oder Josef Hickersberger, allesamt Helden der glorreichen Cordoba-Generation, durften ran. Und die Vereine der heimischen Liga verstanden sich oft mehr als Familie denn als Unternehmen. Bei Rapid folgte auf die Legende Josef Hickersberger bald die Legende Peter Pacult; und darauf die Legende Peter Schöttel, der von der Legende Zoran Barisic abgelöst wurde. Boulevardmedien brachten jetzt wenig überraschend die Legende Didi Kühbauer als neuen Rapid-Trainer ins Spiel.


Lange wurden Trainer in Österreicher nach diesem einfachen Muster verpflichtet: auf den aufbrausenden Krankl folgte der überlegte Hickersberger. Und nach Hickersberger suchte man zumeist einen Wilden wie Pacult. Nicht ohne Grund folgte auf den lauten Pacult als Rapid-Trainer der ruhige Schöttel. Wesensmerkmale gepaart mit Legendenstatus als Alleinstellungsmerkmal – so wurden Trainer in Österreich lange Zeit ausgesucht.


Nach der Vertragsauflösung von Rapid-Trainer Zoran Barisic stand Rapid jetzt an einem Scheideweg. Will der Verein weiterhin wie eine Familie funktionieren, müsste er die Rangnachfolger Kühbauer oder Herzog präsentieren. Oder will man einen Kulturwandel, dann braucht es einen Mann von außen, einen Unbefangenen. Die Erfolgsgeschichte rund um den Schweizer Teamchef Marcel Koller und das erfolgreiche Gastspiel des deutschen Roger Schmidt bei Red Bull Salzburg haben Vereinsfunktionäre umdenken lassen. So sickerte früh durch, dass Rapid keine Rangnachfolge mit einem Familienmitglied plant, sondern eher in Richtung Kulturwandel tendiert.

 

Der Zugang, auch im Ausland nach talentierten Trainern Ausschau zu halten, ist richtig. Noch vor wenigen Jahren erzählten heimische Sportdirektoren ganz frei davon, gar nicht anderswo zu suchen, sondern bloß den heimischen Markt zu sondieren.

 



Rapid zieht im Sommer in das neue Stadion, das Budget wird auf 30 Millionen Euro aufgestockt, die Vereinsführung möchte in die Top 50 Europas – man will international wieder beachtet werden. Also muss ein internationaler Coach her. Aber nicht jeder Ausländer bedeutet automatisch Internationalisierung.
Als Roger Schmidt und Marcel Koller nach Österreich kamen, sprachen deren Spieler von einem Kulturwandel. Schmidt habe ihnen eine neue Sportart beigebracht, so innovativ sei das Training gewesen, betonte der einstige Salzburg-Spieler Fränky Schiemer. Und im Nationalteam lobten alle die modernen und akribischen Trainingsmethoden Kollers. Beide waren erfolgshungrig und reisten mit vielen Ideen im Kopf nach Österreich. Ideen, die sich mit jenen ihrer Vereine deckten. Das gilt es auszuloten, ehe man viel Geld für einen abgehalfterten Starcoach aus dem Fenster schmeißt, nur um internationaler zu wirken. Oft geisterten die Namen der deutschen Legendentrainer Thomas Schaaf, Armin Veh oder Jens Keller durch die Gazetten. Trainer, die auch jeder Stammtischkaiser im Nu nennen könnte. Als die Austria vergangenen Sommer mit dem kostspieligen deutschen Trainer-Altmeister Felix Magath verhandelte, scherzte der deutsche Rapid-Sportdirektor Andreas Müller noch über Medizinbälle, die der wohl im Flugzeug mitbringen werde. Nicht jeder deutsche Erfolgscoach von gestern ist heute noch ein Kassenschlager. Während Österreich mit dem hierzulande unbekannten Fachmann Marcel Koller Erfolge feierte, scheiterte beispielsweise Russland mit dem italienischen Startrainer Fabio Capello an der heimischen Auswahl. Im aktuellen Fußballzirkus zählt weniger der Name, mehr die Modernität des Konzeptes. Und die ist beim rasanten Wandel der Methodik heute schnell altbacken. Fakt ist: In Deutschland hat das Konzepttrainertum Hochkonjunktur. Taktik-Freaks ohne große Spielerkarriere wie Thomas Tuchel, Jogi Löw, Jürgen Klopp oder Julian Nagelsmann werden dort zu Trainer-Gurus und heben das Niveau des deutschen Fußballs.


Mike Büskens kickte früher für den deutschen Traditionsverein Schalke 04 als Spielerkollege des deutschen Rapid-Sportchefs Müller. Büskens größter Erfolg als Trainer war der Aufstieg mit Greuther Fürth in die deutsche Bundesliga. Ansonsten sieht seine Trainerbilanz eher trist aus. Wenige Erfolge, viele Beurlaubungen. Deutsche Journalisten beschreiben ihn auf Nachfrage eher als Heißmacher denn als Taktikfuchs. Und der Taktik-Blogger Martin Rafelt von „Spielverlagerung.de“ meint gegenüber „laola1.at“: „Für mich ist er eher ein Trainer der alten Schule, wobei er sicher versucht, eigene Akzente zu setzen.“
Viele Rapid-Anhänger wünschten sich einen unbefangenen Mann von außen und einen Strategen modernen Zuschnitts anstatt einer Rapid-Legende aus dem Vereinsklüngel.


Man neigt zur Frage: Ist Rapid mit dem deutschen Büskens jetzt internationaler oder wird da österreichische Freunderlwirtschaft bloß durch deutsche Kumpelei ersetzt? Macht ein Deutscher Rapid automatisch internationaler? Fest steht: Internationalität wird heute vor allem mit einem zeitgemäßen Konzept verbunden. Nicht ausschließlich mit der Nationalität des Übungsleiters.