Causa Grgic: Der ÖFB ist ein schlechter Verlierer
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Causa Grgic: Der ÖFB ist ein schlechter Verlierer

Stürmer Leon Grgic möchte künftig für den kroatischen Verband auflaufen. Der ÖFB fordert als Reaktion "volle Überzeugung für den rot-weiß-roten Weg". So wie der Verband es sich vorstellt, wird das aber nicht funktionieren.

Insgesamt 26 Spiele hat Leon Grgic in diversen Nachwuchs-Nationalteams für den ÖFB absolviert, es wird kein weiteres dazukommen. Auch in Ralf Rangnicks Kader für die WM-Qualifikation wird der 19-Jährige nicht zu finden sein. Er hat sich für einen Wechsel zum kroatischen Verband entschieden.

Diese Meldung hat am Donnerstag für viel Aufregung gesorgt. In einer Aussendung fordert der ÖFB künftig ein klares Bekenntnis und "volle Überzeugung für den österreichischen Weg" von Spielern, die vom Verband gefördert werden. Es ist eine patzige Meldung des Teams rund um Sportdirektor Peter Schöttel, die ihm schlecht zu Gesicht steht, weil es mit zweierlei Maß misst.

Roter Teppich für Wanner

Seit Jahren buhlt der ÖFB öffentlichkeitswirksam um das ehemalige Bayern-Talent Paul Wanner. Der 19-jährige Offensivspieler wurde in Dornbirn geboren und wäre für Österreich spielberechtigt, zeigt an einem Nationenwechsel bis dato aber wenig Interesse.

Im Juni hat er für den DFB bei der U21-Europameisterschaft gespielt und beinahe das Turnier gewonnen, Wanner bringt es auf 26 Länderspiele im Nachwuchsbereich, keines davon in rot-weiß-rot. Nur einen Perspektivlehrgang im November 2022 hat er mitgemacht.

Richtiges Commitment sieht anders aus, auch wenn Teamchef Rangnick nichts unversucht lässt. "Ich bin regelmäßig im Austausch mit Paul", ließ er die Öffentlichkeit wissen. Es sei vollkommen okay, wenn er noch Zeit brauche - am Ende würde er die Entscheidung wohl von seinen Einsatzchancen bei großen Turnieren abhängig machen.

Paul Wanner im ÖFB-Training (November 2022)
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Paul Wanner im ÖFB-Training (November 2022)

Wanner, der auf Vereinsebene künftig für PSV Eindhoven spielen wird, hat seine gesamte fußballerische Ausbildung in Deutschland absolviert. Bundestrainer Julian Nagelsmann würde ihn ungern dauerhaft verlieren, auch wenn es aktuell noch nicht für den DFB-Kader reicht. Skrupel hat der ÖFB trotzdem zurecht nicht. Man muss sich um jeden Spieler bemühen und die Entscheidungen sportlich nehmen. Auch dann, wenn man als Verlierer dasteht.

Entscheidung ist zu akzeptieren

Warum sich Leon Grgic letztlich für Kroatien und gegen Österreich entschieden hat, ist nicht bekannt. Der in Bruck an der Mur geborene Doppelstaatsbürger wurde von Familienmitgliedern an den Fußball herangeführt und trägt bis heute Schienbeinschoner mit dem Foto seines verstorbenen Großvaters. Vielleicht war - wie bei Paul Wanner - auch die sportliche Perspektive ausschlaggebend.

Losgetreten wurde das Thema in dieser Woche vom ÖFB. Seitdem sieht sich der junge Stürmer mit üblen Beleidigungen, Hass und Vorwürfen konfrontiert. In einer Aussendung bittet er am Freitagnachmittag um Verständnis und ein Ende der Nachrichtenflut: "Der Entschluss, einen Nationenwechsel zu vollziehen, war eine sehr schwierige Entscheidung für mich. Ich bin sehr dankbar für die Zeit mit dem ÖFB und habe deswegen auch stets sehr offen mit den Verantwortlichen des ÖFB über meine Gedanken in der letzten Zeit gesprochen. Es ist eine Entscheidung, die ich für mich treffen musste und dabei habe ich auf mein Herz gehört."

Verbandsintern war klar, dass er noch mit sich ringt. In der Aussendung schreibt der ÖFB von einem emotional intensiven Austausch über die vergangenen beiden Jahre, man habe nichts unversucht gelassen, um ihn zu halten. Warum es letztlich nicht gelungen ist, ist eine Frage, die sich vor allem der Verband stellen muss. Grgic hat jetzt früher als unbedingt notwendig einen Schlussstrich gezogen und macht damit einen Platz im U21-Team frei. Er hat bisher keinen Heeressport-Platz in Anspruch genommen, zahlt in Österreich Steuern und beschert Sturm Graz im Idealfall bald eine hohe Ablösesumme. Der Schaden hält sich also in Grenzen.

Unfaire Erwartungen

Junge Spieler, denen grundsätzlich die Türen zu mehreren Nationalmannschaften offen stehen, sollten sich ernsthaft Gedanken darüber machen, welche die richtige für sie ist. Das spricht für eine reflektierte Persönlichkeit.

"Volle Überzeugung" ist in diesem Zusammenhang eine unrealistische Forderung: Ein 18- oder 19-Jähriger, der parallel zur Karriere im Verein zwei Verbände und die eigene Familie im Ohr hat, kann und muss diesem Anspruch nicht gerecht werden. Zumal das gestrige Beispiel auch wieder einmal zeigt, wie locker so manches Vorurteil gegenüber Spielern mit Wurzeln im Ausland bei vielen "Fans" sitzt.

Mit Leon Grgic ist Österreich am Donnerstag ein talentierter Spieler abhandengekommen. Mit Erik Kojzek wurde vor kurzem übrigens ein anderer vom slowenischen Verband abgeworben. Unterm Strich darf man sich also auf frischen Wind im ÖFB-Sturm freuen. Solange die Regeln bleiben, wie sie sind, muss man mit dieser Bilanz zufrieden sein.

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