Ehrlich sein: Es geht beim Happel nicht ums Geld [Kommentar]

Österreich fährt fast schon sicher nach Deutschland zur Europameisterschaft. Ein derartiges Fußballfest wird es in Wien nicht geben, die heiße Kartoffel Nationalstadion will niemand angreifen. Das ist letztlich nur peinlich.

+ + 90minuten.at PLUS - Ein Kommentar von Georg Sohler + +

 

Während Österreichs Nationalteam der Herren kurz vor der endgültigen EM-Qualifikation steht, die Frauen den nationalen Zuschauer:innenrekord knacken werden und Salzburg, Sturm und der LASK in Europa für Furore sorgen wollen, bleibt das Ernst-Happel-Stadion eine Baustelle. Es ist in die Jahre gekommen und eigentlich braucht es ein neues Nationalstadion. Die Stadt Wien argumentiert gerne mit einem möglichen Denkmalschutz. Der wird per Verordnung vermutet, ist aber nicht per Bescheid festgestellt. Am Ende wird betont: Das ist teuer. Doch geht es wirklich um das liebe (Steuer-)Geld?

 

Finanzierung?

Die Spielstätten von Wacker Innsbruck/WSG Tirol, Red Bull Salzburg und letztlich auch Austria Klagenfurt wurden zur Euro 2008 gebaut, das Happel wurde temporär aufgehübscht. Während in den Zehnerjahren Rapid und Austria Schmuckkästchen auch aus öffentlicher Hand mitfinanziert bekamen, betrieb der LASK das gleiche Spiel. Sturm steht das noch bevor. Weitere Projekte, von Ried über Altach, dem Donaupark neu bis hin zu den kommenden Neubauten in (sicher) Lustenau und (sehr wahrscheinlich) Hartberg kamen oder kommen seit 20 Jahren dazu. Gefühlt sprießen die Fußballstadien nur so aus dem Boden. Im Happel hingegen fällt das Licht aus und der Rasen hat ein Loch. Im Normalfall teilen sich die jeweiligen Vereine und öffentliche Körperschaften die Kosten in irgendeiner Form auf. Das LASK-Stadion wurde mit kolportiert 30 Millionen Euro gefördert, Rapid und Austria lukrierten rund 26 Millionen Euro aus Förderungen. Gekostet haben alle drei Stadien natürlich das Doppelte und mehr. Den Rest berappen die jeweiligen Vereine selbst. Etwas Ähnliches hatte Sportminister Werner Kogler (Grüne) in einem Interview auch für Wien ins Spiel gebracht: Eine Drittelfinanzierung zwischen Bund, Land und ÖFB. „Für die Nationalmannschaft baue ich sicher kein Stadion um eine halbe Milliarde Euro“, hieß es zu der Thematik von Wiens Sportstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

 

Kosten, Kosten

Schauen wir uns das an: Diese riesige Summe ist vermutlich nicht weit von der Realität entfernt, möchte man für Jahrzehnte bauen. Die 2019 eröffnetet Puskás Aréna in Budapest verschlang zwischen 550 und 600 Millionen Euro, die 2012 eröffnete Friends Arena in Solna damals knapp 330 Millionen, die im selben Jahr eröffnete Arena Națională in Bukarest derer 234. Zwischen den letzten beiden Summen und heutzutage liegen zehn Jahre, mit Eurokrise und den Preisexplosionen der letzten Jahre und verschiedene Lohnkosten. Hacker wird mit seiner halben Milliarde in der Nähe der Realität sein. Im Unterschied übrigens zum ehemaligen ÖFB-Präsident Leo Windtner. Der träumte einmal von einem Stadion um 150 Millionen Euro. 600, 300, 150 Millionen Euro, im Endeffekt sind das unvorstellbar große Summen. Ob die Headline lautet: Hacker (bzw. Kogler) geben ÖFB 50 Millionen oder 200, das ist egal. Es geht schlicht darum, dass niemand für die Ausgabe für den Sport politisch gerade stehen will. Geld, das zeigen die üppigen Hilfen während der Corona-Pandemie, ist da. 

 

Politik gefordert

Im Sport ist es zudem so, dass das eh immer irgendwer erledigt, man muss ja nichts tun. Klubfußball, Formel 1, Wintersport, dafür brennen Getränkehersteller, Banken, Versicherungen und Co. Wo die nicht zahlen, sind es Einzelkämpfer:innen wie Anna Kiesenhofer. Für ein Selfie haben Präsident, Sportminister und Stadtrat dafür dann immer Zeit. Dabei ist es gelinde gesagt sehr naiv, nur vorzurechnen, dass ein Stadion soundso viel Geld kostet. Sport funktioniert auf vielen Ebenen. Ohne Spitze keine Breite, das kann bei jedem Sportverband erfragt werden und man erntet Zustimmung. Und wenn sich mehr Menschen präventiv bewegen, spart das dem ohnehin unter Druck stehenden Gesundheitsbereich Geld. Eine Studie von Sport Austria aus den Zehnerjahre errechnete etwa, dass körperliche Aktivität dem Staat rund eine halbe Milliarde Euro spart. Mit jeder sich regelmäßig bewegenden Person steigt dieser Wert zum weitere Millionen. Wenn man es da schon ein bissl volkswirtschaftlich angehen will. 

Eigentlich macht es fast fassungslos, wie eindimensional und populistisch hier vonseiten der verantwortlichen Politiker gedacht wird. Es zeigt wieder einmal: Sport ist Österreich einfach nicht wichtig. Er eignet sich für schöne Fotos mit dem rot-weiß-roten Schal, aber tun will man maximal das absolute Minimum. Ein zeitgemäßes Stadion sollte der Anspruch einer Weltstadt wie Wien in einem Land wie Österreich sein. Das müsste es allen Beteiligten wert sein. Ist es das nicht, scheitert es am politischen Willen. Das könnte man auch irgendwann sagen und nicht Ausreden suchen.

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