"Den Kontrast zeigten die Szenen nach dem Titel: Die internationalen Adabeis aus Fußball, Politik, Wirtschaft und Co waren im Stadion, in Buenos Aires explodierte die Stimmung in der gesamten Bevölkerung."
Beim Spiel England gegen Iran etwa wurden 10 Minuten in der ersten und 14 Minuten in der zweiten Halbzeit nachgespielt. In Ermangelung echter Fußballtradition konnten die Qataris leider nicht mit einer Plastiktröte aufwarten, sie stülpten Messi aber einen Bischt über. Und das war es auch schon wieder mit den positiven Nachrichten.
Kontraste
Das Finale in Lusail, im besten Fall so etwas wie die Seestadt von Doha, war genauso falsch, wie der Umstand, die WM in dem Land überhaupt stattfinden zu lassen. Den Kontrast zeigten die Szenen nach dem Titel: Die internationalen Adabeis aus Fußball, Politik, Wirtschaft und Co waren im Stadion, in Buenos Aires explodierte die Stimmung in der gesamten Bevölkerung. Und das in einem Land, das einerseits seit Jahren von Krise zu Krise taumelte, aber andererseits Fußball lebt und atmet wie kaum ein anderes. Kontrastreicher hätten die Bilder nicht sein können, da die oberen 10.000 in einem Land, das aus derer 300.000 und Heerscharen an Gastarbeitenden und hoch bezahlten Expats besteht – dort das gebeutelte Land, das in dem Moment keine Sorge, sondern nur noch pures Glück kennt.
Furchtbar, von Anfang bis Ende
Von der korrupten Vergabe über die Unterstützung durch Gianni Infantino über die tausenden gestorbenen Gastarbeiter, das aus dem Boden stampfen von WM-Stadien, der, siehe EU-Parlament, Bestechung über Terrorfinanzierung bis hin zu dem mit Füßen treten von Menschenrechten im Allgemeinen und speziellen, das war furchtbar. Es mag schon gut und richtig gewesen sein, auch die arabische Welt am Phänomen Fußball teilhaben zu lassen. Nach europäischen Vorstellung wäre es wohl unmöglich, ein Land zu finden, das den eigenen, teils durch Doppelmoral ausgehöhlten, ethischen Grundsätzen entspricht – Qatar war als Ausrichter vor allem eines: falsch.
Fußball als Spielball der Politik
Nun kann vordergründig durchgeschnauft werden. Die Frauen-WM 2023 findet in Australien und Neuseeland statt, die Herren kicken bei der EM 2024 in Deutschland, 2025 ist der Ausrichter der Frauen-Euro noch offen (Skandinavien, Frankreich, Polen und Schweiz haben sich beworben), die Herren-WM 2026 findet schließlich dann in den USA, Kanada und Mexiko statt. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Länder mit ihren ebenfalls berechtigten Kritikpunkten den Fußball dermaßen für Machtpolitik missbrauchen wie Qatar, das ist in dem Ausmaß – hoffentlich und Stand heute – mehr oder weniger auszuschließen.
Fußball bzw. Sport war leider immer ein Spielball der Politik, die Korruption begleitet WM-Vergaben seit Jahrzehnten. Geld und Erfolge nehmen die Kicker und die Fans der Vereine dennoch gerne – wer zahlt, schafft an, das gilt in weiten Teilen der Gesellschaft und somit auch im Fußball. Russland übrigens hat zumindest eine Fußballhistorie und war zwar 2018 auch schon im Krieg mit der Ukraine, Putin aber noch immer gern gesehener Gast. So eklatant wie in Qatar 2022 waren die Schieflagen bei Weltmeisterschaften der Herren aber seit 1978 nicht mehr so offensichtlich.