Foto: © GEPA 2018 / Februar

Kollektivstrafe – und dann?

Die Bundesliga verhängt gegenüber dem SK Rapid aufgrund der Vorkommnisse beim 325. Wiener Derby eine drakonische Strafe. Doch wie soll man damit langfristig umgehen?

Ein Kommentar von Georg Sander

 

Es gibt gegenwärtig sicher angenehmere Jobs, als für Rapid vor der Kamera zu stehen. Sportlich ist man schlecht ins Frühjahr gestartet, der zwischenzeitliche Erfolgslauf aus dem Herbst mit zehn ungeschlagenen Ligaspielen scheint wieder Lichtjahre entfernt. Die Admira und der LASK sitzen beharrlich im Nacken. Platz 5 ist der Schleudersitz für den Europacup. Neben dem Krampf am Feld pfeift ein Teil der organisierten Fanszene der Vereinsführung 'was, diese übt sich in schön klingenden Sätzen. Die Fans sind an sich treu, heißblütig und zahlreich. Und leider auch manchmal gut für Negativschlagzeilen. Allein seit 12. Februar 2017 gab es bei drei Derbies und zwei Gastspielen in der Südstadt Auffälligkeiten, die auf Fußballplätzen nichts und 2017/18 schon gar nichts verloren haben.

Sponsoren beobachten

Die grün-weiße Negativspirale, die sich sportlich spätestens mit dem verunglückten Wechsel von Barisic zu Büskens immer schneller zu drehen scheint, fand in dem homophoben Transparent gegenüber Führung und Öffentlichkeit in der Südstadt am vergangenen Sonntag einen Höhepunkt. Auch Sponsoren beobachten dieses Geschehen. Natürlich wird sich jetzt niemand sofort zurückziehen, es fallen aber auch Sätze wie: "Ein hartes und konsequentes Durchgreifen ist notwendig, sonst gefährdet man nachhaltig das Gesamtkunstwerk Rapid." Aus Sicht vieler Nicht-Rapid- und auch gar nicht so wenigen Rapid-Fans und Beobachter ist es nachvollziehbar, dass die Bundesliga mit einem Spiel Teilsperre und einer Geldstrafe in der Höhe von 100.000 Euro reagiert.

"Es kann nicht sein, dass ein gegnerischer Spieler Angst um seine körperliche Unversehrtheit haben muss, wenn er zum Eckball antritt", Senat 1 in der Urteilsbegründung

Strafe gegen Rapid

Eine mögliche Lesart der Teilsperre ist, dass man Rapid die zweifelsfrei einzigartige Stimmung wegnehmen will. Wobei sich die Liga damit ja ins eigene Fleisch schneiden würde, daher ist das wenig glaubwürdig. Freilich trifft die Sperre auch viele Fans, die mit dem Verhalten ihrer Tribünenkollegen keinesfalls einverstanden sind. Die Liga sagt aber unmissverständlich: „Aufgrund der Schwere der Vergehen und der gehäuften Anzahl an Vorfällen in den vergangenen Jahren galt es, ein deutliches Zeichen zu setzen. […] Wir haben uns dazu entschieden, beide Hintertortribünen sowie die angrenzenden Ecken zu sperren, um die Bildung eines alternativen Fansektors zu verhindern, wie es bereits in der Vergangenheit bei einer ähnlichen Sanktion gegen den SK Rapid Wien passiert ist.“ Die Strafe richtet sich also vor allem gegen den SK Rapid: Ein halbleeres Stadion, verärgerte Fans, die trotz Dauerkarte  nicht ins Stadion dürfen und die drohende Gefahr, beim nächsten Vergehen eine zweite Sperre auszufassen. Eigenartig hoch wirkt hierbei übrigens die Strafe von 45.000 Euro für das Stürmen des Spielfeldes - Ried musste für einen Nacktflitzer 2014 1.000 Euro bezahlen. Möglicherweise wird das nach einem allfälligen Protest zweitinstanzlich noch geändert. Zwischen den Zeilen ist das alles jedenfalls ein dringlicher Appell an den Klub, den schönen Worten auch Taten folgen zu lassen. 

Tatsächliche Wechselwirkung schwer greifbar

Wie viel Wahrheit in der kolportierten Macht des Block West steckt, ist von außen und auch wohl zum Teil aus dem engeren Umfeld des Vereins heraus schwer zu beurteilen. Fakt ist, dass durch diese Entscheidung der Liga ein unmittelbarer Einfluss auf das Vereinsgeschehen gegeben ist. Aus öffentlicher Sicht bleibt ein Verein übrig, der zuletzt aber nicht immer die richtigen Worte gefunden hat und der nicht alle Fans im Griff zu haben scheint. Kollektivstrafen sind in diesem Zusammenhang aber immer schwierig zu bewerten, der DFB will beispielsweise davon absehen. Schließlich trifft es auch immer unschuldige Personen. Viel anderes bleibt der Liga aber per Regulativ auch nicht übrig, als  eine Kollektivstrafe auszusprechen. Denn auch wenn der Verein nur bedingt für die Fans verantwortlich gemacht werden kann - Rapid und auch die Wiener Austria sind als Veranstalter offenbar gegenwärtig außer Stande, ein Wiener Derby ohne (gröbere) Zwischenfälle über die Bühne zu bringen. Darum der massive Schuss vor den Bug.

"Die organisierte Szene verrennt sich in eine Scheinwelt der Verteidigung einer zerbrechlichen Männlichkeit, die mit dem sonstigen zivilgesellschaftlichen Engagement nichts zu tun hat." - Homophobie gehört endlich raus aus dem Stadion

Dieses Menschenbild gehört in die Mottenkiste

Das homophobe Transparent in der Schriftart der Ultras Rapid am vergangenen Sonntag zeigt, wie wenig ein harter Kern derzeit Interesse daran hat, die Eskalation zwischen Fans, Verein und Öffentlichkeit zu beenden. Das ist enorm schade, nehmen doch Fußballfans, gerade im Ultra-Selbstverständnis, eine wichtige Rolle in der Gesellschaft ein, tendiert doch beispielsweise die Exekutive dazu, Repressionen an dieser Gruppe zu testen - etwa bei der Anwendung des Landfriedensbruch-Paragraphen oder bei einem überzogenen Polizeieinsatz beim Praterderby im Herbst. Rapid hat ein Leitbild, hinter dem die Fans eines Mitgliedervereins stehen sollten, auch die organisierte Szene. Hier verrennt man sich in eine Scheinwelt der Verteidigung einer zerbrechlichen Männlichkeit, die mit dem sonstigen zivilgesellschaftlichen Engagement nichts zu tun hat und auf ein Menschenbild setzt, das in die Mottenkiste gehört.

Was passiert nach dem nächsten Eklat?

Aber auch die Bundesliga bzw. der Senat 1 könnte über das Ziel hinaus geschossen sein. Man nimmt Rapid Zeit, sich seiner Probleme anzunehmen. Man kann nun einwerfen, dass der SCR schon genug Zeit hatte, die Vorfälle ohnehin schon zahlreich waren. Doch hätte man sich mit einer komplett bedingten (Teil-)Sperre auch ansehen können, wie es mit den Regresszahlungen tatsächlich ausgeht. Ob das ganze Wirkung zeigt. Ob Rapid eine ernstgemeinte Aktion gegen unerwünschtes Fanverhalten hinbekommt. Dieser Möglichkeit hat man sich beraubt. Beim nächsten nennenswerten Vorfall folgt ein zweites Spiel Teilsperre, dann bleibt der Liga in weiterer Folge nichts mehr übrig, als noch härtere Strafen auszusprechen. Das nächste Geisterspiel wäre die Folge. Auch hier trägt man einen Teil dazu bei, die Negativspirale schneller drehen zu lassen.

Es bleibt am Ende nur die Hoffnung, dass die Klubs, insbesondere Rapid, in sich gehen und wirklich ernstgemeint diskutieren, wie ein Stadionbesuch auszusehen hat. Und jener Teil der Fans, die für die Aktionen der letzten beiden Spiele verantwortlich waren,  sollte sich darauf besinnen, dass sie ihrem Herzensklub derzeit massiv schaden.

 

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