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Panikmodus im ÖFB: Notlösung Mitterdorfer und ein Brief, der nun doch nicht geschrieben wird

Überraschend schnell hat sich der Wahlausschuss des ÖFB auf einen neuen Präsidenten geeinigt. Eine Erzählung über Panik, Machterhalt und einen Brief, der nun doch nicht geschrieben wird.

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Eines muss man dem ÖFB lassen: Als Geschichtenlieferant für Journalist:innen hat sich der Verband in den vergangenen Jahren zur unverzichtbaren Säule entwickelt. Und auch die Kür des Kärntners Klaus Mitterdorfer im ÖFB-Wahlausschuss setzt dort fort, wo die Farce seit der Bestellung von Gerhard Milletich angefangen hat und mit dessen Demontage im Jänner vorerst geendet hat.

Viel wurde nach dem Ende von Milletich als ÖFB-Präsident von den Landesfürsten und Bundesliga-Vertretern im Präsidium philosophiert. Über eine Strukturreform müsse man nachdenken, es gehe doch auch um Inhalte, nicht um Köpfe. Ein externer Kandidat solle es sein, meinten die einen. Ein interner Kandidat wäre auch möglich, meinten die anderen.

Eines hat die Wahl von Klaus Mitterdorfer jedenfalls wieder eindrucksvoll gezeigt: Es geht nicht um Inhalte oder Weiterentwicklung, sondern einzig allein um Macht und dessen Erhalt.

 

Causa Hollerer vs Neuhold

Blicken wir zurück: Es war zunächst eine ganz normale Präsidiumssitzung, bevor es ans Eingemachte ging. Thomas Hollerer und Bernhard Neuhold wurden gebeten, die Sitzung zu verlassen, da die Zukunft der beiden, die nicht mehr miteinander an einem Tisch sitzen können und einen Riss durch den gesamten Verband ziehen, besprochen werden sollte. Interimspräsident Johann Gartner ergriff das Wort und wollte – mit Hilfe der Bundesliga und der Ost-Achse Wien und Burgenland – eine Lösung herbeiführen. Eine Lösung, die aus Sicht dieser Fraktion nur lauten kann: Bernhard Neuhold muss gehen.

"Allein die Tatsache, dass Neuhold die Spesenabrechnung am offiziellen Weg des Präsidiums vorbei herausgerückt haben soll, ist für den einen Teil im Präsidium ein Grund, warum es mit Neuhold nicht mehr weitergehen könne."

Mehr oder weniger schlagkräftige Argumente wurden dafür vorgebracht. Allein die Tatsache, dass Neuhold die Spesenabrechnung am offiziellen Weg des Präsidiums vorbei herausgerückt haben soll, ist für den einen Teil im Präsidium ein Grund, warum es mit Neuhold nicht mehr weitergehen könne. Wichtig zu verstehen: Dabei geht es darum, dass Neuhold ohne offiziellen Auftrag agiert haben soll, wie die Kronen Zeitung damals berichtet hat. Oberösterreichs Landespräsident Gerhard Götschhofer, der in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt, hätte diese Rechnung jederzeit über den Weg des Präsidiums ausheben lassen können.

Interessant bei dieser Diskussion war jedenfalls laut einigen Teilnehmern, dass sich sogar Günther Benkö (Burgenland) und Robert Sedlacek (Wien) im Sinne einer Neuhold-Ablöse zu Wort meldeten. Besonders Sedlacek fällt im Präsidium mit meinungsstarken Auftritten sonst gar nicht auf. Ein Auftritt, der wiederrum die West-Achse zusätzlich getriggert haben dürfte, denn Tirol, Salzburg und Oberösterreich stehen klar hinter Neuhold und wollen viel lieber Thomas Hollerer loswerden.

 

Die West-Achse dreht sich ….

Die West-Achse, das sind Oberösterreichs Präsident Gerhard Götschhofer, Salzburgs Herbert Hübel und der Tiroler Josef Geisler. Geisler stand vor dieser Präsidiumssitzung unter Beschuss. Grund dafür war ein Artikel der Tiroler Tageszeitung, in dem vermittelt wurde, dass er abgelöst werden soll. Im Hintergrund soll dabei Diana Langes-Swarovski die Fäden ziehen.

Ein Machtkampf in Tirol, der weite Kreise bis nach Wien gezogen hat. Im Kurier folgten dann zwei Artikel, wo Bundesliga-Präsident Philipp Thonhauser als neuer ÖFB-Geschäftsführer ins Spiel gebracht wurde. Dass dies just zwei bzw. drei Tage vor dem ÖFB-Wahlausschuss an die Öffentlichkeit gingen, war wohl kein Zufall. Die Information, wonach die Liga darüber nachdenke, mit Diana Langes-Swarovski eine eigene Kandidatin ins Rennen zu schicken, wurde von gewissen Kreisen bewusst gestreut, um die restlichen Landespräsidenten abseits der West-Achse „aufzuwecken“. So erzählt man es sich zumindest. Sinngemäß: „Passt auf liebe Landespräsidenten, die Bundesliga plant die Machtübernahme des ÖFB.“ Die Übung ist jedenfalls gelungen, wie die Sitzung in weiterer Folge zeigen sollte.

 

… wie die Fahne im Wind

Weil was dann passierte, gipfelte in der Krönung von Klaus Mitterdorfer. Und dabei spielten einige Personen im Präsidium den Wahlhelfer, die sich in den zwei Wochen davor über den Kärntner noch äußerst kritisch geäußert haben sollen. Im Fokus dabei steht die bereits erwähnte West-Achse. Josef Geisler meinte etwa noch im März im >> Interview mit sportsbusiness.at: „Ich habe schon beim letzten Mal die Meinung vertreten, dass uns hier nur eine externe Lösung helfen kann, weil das Präsidium gespalten ist. (…) Wir brauchen einen Präsidenten von außen, der eine wirtschaftliche Denkweise in den ÖFB bringt.“ Herbert Hübel inszenierte sich dann in der Sitzung am Freitag plötzlich als jener, der die "Hand reichte" und Mitterdorfer als Präsident ins Spiel brachte.

"Gerhard Götschhofer kündigte – so Aussagen zumindest zweier Präsidiumsmitglieder gegenüber 90minuten.at - nach der vorletzten Sitzung in Einzelgesprächen noch an, einen Brief schreiben zu wollen, in dem er klarlegen will, warum Klaus Mitterdorfer keinesfalls wählbar sei."

Ein Brief, der nicht mehr geschrieben wird

Der Höhepunkt: Gerhard Götschhofer kündigte – so Aussagen zumindest zweier Präsidiumsmitglieder gegenüber 90minuten.at - nach der vorletzten Sitzung in Einzelgesprächen noch an, einen Brief schreiben zu wollen, in dem er klarlegen will, warum Klaus Mitterdorfer keinesfalls wählbar sei. Götschhofer selbst wollte sich dazu gegenüber 90minuten.at nicht konkret äußern: „Ich will nicht, dass aufgrund von irgendwelchen Aussagen schon wieder ein Keil in unser Präsidium getrieben wird.“ Und wie kam der Meinungsumschwung zustande? „Nur weil ich eine externe Lösung bevorzugt habe, heißt das ja nicht, dass ich eine interne Lösung deswegen konsequent ablehne“, so Götschhofer.

 

Kein Konzept, keine Inhalte, aber neuer Präsident

Mitterdorfer meinte nach der Wahl zur Kronen Zeitung: „Die ganze Diskussion hat eine Dynamik angenommen und plötzlich war ich praktisch Präsident. (…) Ich werde für alle da sein. Für den Spitzensport, aber auch für den Amateursport. Denn ohne Basis gibt es keine Spitze.“ Das Phrasenschwein würde sich über so eine Aussage natürlich freuen. Eines muss aber klar sein: Der Wahlausschuss hat sich auf einen Präsidentschaftskandidaten verständigt und Inhalte spielten dabei gar keine Rolle. Ein Hearing mit internen oder gar externen Kandidaten fand zu keiner Zeit statt.

"In einer Panikreaktion wurde also Mitterdorfer also genau das, was er nicht sein möchte: eine Notlösung zur Absicherung der Macht anderer."

Die Amtszeit von Interimspräsident Johann Gartner neigt sich dadurch nun demnächst dem Ende zu und der Niederösterreicher wird sich nicht auf seine Fahnen heften können, dass er im Prozess der Wahl zum neuen Präsidenten etwas verändert hat. Immerhin konnte er in der Abstimmung – neben seiner Enthaltung und jener der Bundesliga – Einstimmigkeit herstellen. Doch was ist diese Einstimmigkeit wert?

„Es war mir ganz wichtig, dass es dieses Signal einer breiten Mehrheit gab, es sollte nicht der Eindruck einer Notlösung entstehen“, sagte Mitterdorfer nach der Kür.

Die Realität sieht anders aus: Mitterdorfer wurde nicht gewählt, weil er besonders wählenswerte Inhalte vorgestellt hat, sondern deswegen, weil damit eine andere Person „verhindert“ wurde. In einer Panikreaktion wurde also Mitterdorfer also genau das, was er nicht sein möchte: eine Notlösung zur Absicherung der Macht anderer.

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