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ÖFB und Austria sind nicht nur Opfer

ÖFB und Austria inszenieren sich rund um die Verlegung des Cup-Finales als Opfer. Doch es gibt auch einen anderen Blickwinkel.

Ein Kommentar von Michael Fiala


Es war so offensichtlich: Bereits in der Presseaussendung am vergangenen Donnerstag war der ÖFB bemüht, auf die Sicherheitsbesprechungen von Montag (und am kommenden Donnerstag, die jetzt nicht mehr notwendig ist), hinzuweisen. Damit war klar: Die Herren hatten ein Exit-Szenario im Kopf. Am Montag äußerte die Polizei bereits vor der Besprechung via APA Sicherheitsbedenken, dem ÖFB und der Austria blieb dann nach dieser Besprechung „zähneknirschend“ nichts mehr anderes übrig, das Finale zu verlegen. Genau so ist es auch gekommen. Heute, Dienstag, war es fix: Das Endspiel wird in Klagenfurt über die Bühne gehen.

Die Fans wurden dabei schnell als schuldige Gruppe ausgemacht, von ÖFB-Präsident Leo Windtner sogar als Idioten beschimpft. Bei der Austria und dem ÖFB redete man sich darauf aus, dass die Situation erst seit dem letzten Wiener Derby so brisant ist. Doch das ist nur die halbe Geschichte, denn wenn man eine ernstgemeinte Risiko-Analyse im Vorfeld gemacht hätte, wäre klar gewesen, dass jede Kombination mit Rapid, Sturm, LASK oder Salzburg im Cup-Finale zu Schwierigkeiten mit der Ost-Tribüne geführt hätte. Denn selbst wenn der LASK gegen Salzburg gespielt hätte, wäre der harte Kern der Austria-Fans zunächst verbal zur „Verteidigung der Tribüne“ ausgerückt – egal ob man das jetzt gut findet oder nicht, es wäre so gewesen. Das Länderspiel im Herbst war diesbezüglich schon ein erster Fingerzeig, der noch klein geredet wurde.

"Auch der ÖFB hat leider wieder einmal gezeigt, dass es noch viel Potenzial nach oben gibt, wenn wichtige Entscheidungen nach möglichst objektiven und sachlichen Kriterien getroffen werden sollen." - Michael Fiala

Kraetschmers halbe Wahrheit

Markus Kraetschmer hatte schon im Herbst 2018 gewusst, dass es zu Konflikten kommen kann, wenn die Ost-Tribüne zur Fantribüne eines großen, anderen Klubs umfunktionert wird. Im Interview mit 90minuten.at im September 2018 versuchte der Austria-Vorstand daher noch zu beruhigen: "Die Osttribüne steht beim Cup-Finale jedenfalls nicht als Fantribüne für andere Klubs zur Verfügung, das haben wir unseren Fans zugesichert." 90minuten.at-Informationen zufolge hätte die Austria das Cup-Finale laut den Ausschreibungsunterlagen aber erst gar nicht bekommen, wenn die Ost-Tribüne nicht für Fans anderer Klubs geöffnet wird. Und welch "Überraschung", so ist es dann auch gekommen: die Salzburger hätten auf der Osttribüne Platz genommen.


Auch der ÖFB hat noch Potenzial

Ja, und auch der ÖFB hat leider wieder einmal gezeigt, dass es noch viel Potenzial nach oben gibt, wenn wichtige Entscheidungen nach möglichst objektiven und sachlichen Kriterien getroffen werden sollen, was auch schon bei der Bestellung von Peter Schöttel oder Franco Foda zu kuriosen Situationen geführt hat. In diesem Fall heißt das: Man hat den österreichische Fußball, oder genauer formuliert, die Wirkung des eigenen Bewerbs (= ÖFB-Cup) nicht nur unterschätzt. Man hat sich zudem in Sachen Sicherheit von der Austria im Ausschreibungsverfahren offensichtlich beschwichtigen lassen oder – noch schlimmer - diese Sicherheitsthemen gar nicht bzw. nicht ernsthaft genug diskutiert.

Man kann die Entscheidung, das ÖFB-Finale zu verlegen, durchaus auch als Kniefall vor den Fans bezeichnen - das ist legitim. Man kann aber auch einen zweiten Blickwinkel auf das ganze Theater richten, die den ÖFB und die Austria nicht nur als Opfer erscheinen lassen.

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