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Franco im Glück [Euro 2020, Tag 4]

Franco Foda und seine Mannschaft haben Geschichte geschrieben. So würde wohl des Teamchefs Headline lauten. Diese Überschrift ist aber nicht weniger wahr: Österreich hat das der Papierform nach schwächste Team bei der Euro besiegt.

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Geht es nach dem ÖFB-Spin, hat Österreich am Sonntagabend tatsächlich Geschichte geschrieben. Die erste Partie bei einer Europameisterschaft wurde gewonnen. Österreich besiegt in Bukarest Nordmazedonien mit 3:1 und die Tür ins Achtelfinale ist damit relativ weit offen, weil ohnehin nur ganz wenige Mannschaften in der Gruppenphase ausscheiden. In Österreich passiert unmittelbar nach diesem Auftaktsieg der türkis-schwarzen Nationalmannschaft natürlich das übliche Lösen der medialen Euphoriebremse. Dabei gilt es doch diesen Erfolg richtig einzuordnen.

Gegen tief stehende Mazedonier gab es viel Mühe und Murks. Die einen sagen, dass es eben dann für den Gegner schlicht und einfach sehr schwierig sei, durchzukommen. Die anderen behaupten, es fehle an Kreativität und die Qualität der Offensive im Team Foda sei einfach nicht gut genug. Eine coole Aktion brachte relativ schnell die Führung. Ein kurioser Patzer in der österreichischen Defensive den unnötigen Ausgleich. Dann ging es wieder mit Mühe und Murks in die Pause. Viele wird hoch oder halbhoch durch die Gegend geflankt. Franco Foda bringt nach einer Stunde Michael Gregoritsch für Christoph Baumgartner. Gregoritsch, dessen Einberufung in den Euro-Kader viele nicht verstanden haben. Ich auch nicht.

Aber: Franco Foda war mit diesem Move und mit der Einwechslung zum richtigen Zeitpunkt der Mann im Glück. Ein „cracking cross by Alaba“ (© befreundeter Engländer) landet in Minute 78 genau dort, wo ein Stürmer wie Gregoritsch in der Regel unterwegs ist. Und auch der zweite Tausch nach einer Stunde sollte noch einschlagen. Marko Arnautovic schreibt kurz vor Schluss an. Auch dieser Wechsel ging für Foda auf. Überhaupt kann man dem vielgescholtenen Teamchef zumindest an diesem Tag nicht vorwerfen, nicht für eine Überraschung gesorgt zu haben. David Alaba als Abwehrchef in einer Dreierkette, darauf hätte im Vorfeld wohl tatsächlich kein Mensch getippt.

"Zur richtigen Einordung dieses ersten Auftritts des ÖFB-Teams gehört es aber auch, anzumerken, dass man gegen die hinsichtlich der Papierform schwächste Mannschaft des Turniers gespielt hat. " - Jürgen Pucher

Zur richtigen Einordung dieses ersten Auftritts des ÖFB-Teams gehört es aber auch, anzumerken, dass man gegen die hinsichtlich der Papierform schwächste Mannschaft des Turniers gespielt hat. Dazu gehört auch, dass die Lösungen gegen so tief stehende Gegner abseits von Bällen von der Seite oder dem Halbfeld, nicht wirklich vorhanden sind. Dazu gehört nicht zuletzt die Tatsache, dass gegen Nordmazedonien eine kaum geprüfte Abwehr trotzdem einen kapitalen Bock produziert hat. Gegen Holland und die Ukraine wird das eine andere Aufgabenstellung. Die Oranjes haben die Ukraine lange dominiert und die Gegenseite zeigte, wie unangenehm sie am Ende des Tages zu spielen ist. Beides eine andere Liga als Pandev und Co.

Nichtsdestotrotz. Franco Foda hatte zum Auftakt Fortune und Händchen auf seiner Seite. Es sei ihm gegönnt, gar so leicht hatte er es in den letzten Wochen ja auch wieder nicht. Ob er die noch kommenden Aufgaben und einen Verbleib im Turnier über das Achtelfinale hinaus hinkriegen wird, bezweifle ich weiterhin. Er soll mich gern eines Besseren belehren. Foda hat durch den gelungenen Start ins Turnier aber erst einmal ein paar ruhige Tage Vorbereitung auf das zweite Spiel. Kein Nachteil jedenfalls.

Übrigens: Wie gesagt, Europameister in Wembley wird England. Das Spiel am Sonntag gegen Kroatien widerspricht dieser These zumindest in keinster Weise.

 

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