Sturm im Herbst: Die Baustellen und der fehlende Vertrag
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Sturm im Herbst: Die Baustellen und der fehlende Vertrag

13 Runden sind gespielt und Sturm Graz steht auf Platz drei der Tabelle. Wie ist der bisherige Saisonverlauf einzuordnen, wo ist am Kader etwas zu tun und wo bleibt bitteschön der neue Vertrag für Jürgen Säumel? Eine Analyse.

Wir gehen in die nächste Länderspielpause, Zeit den aktuellen Zustand des SK Sturm einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Immerhin ist schon wieder mehr als ein Drittel der Meisterschaft absolviert.

Die letzten drei Pflichtspielauftritte waren in ihrer Gesamtheit einerseits nicht schlecht, andererseits dann doch wieder durchwachsen. Gegen Rapid verlor man trotz guter Leistung durch Unachtsamkeiten. In der Europa League erkämpften die Schwoazn gegen Nottingham Forest einen Punkt im Duell mit einem Premier-League-Verein. Wenn man sich die Offensiv-Performance der Säumel-Elf ansieht, kann man dieses zwar respektable Ergebnis allerdings trotzdem nicht als rundum positiv ablegen.

Baustelle Außenverteidigung

Und gegen Red Bull Salzburg am Sonntag gab Sturm schließlich eine Partie aus der Hand, die das Heimteam schlichtweg gewinnen hätte müssen. Wieder war es die mangelnde Durchschlagskraft im letzten Drittel, die drei Punkte verhindert hat. Das Spiel an sich dominierten die Grazer über weite Strecken.

Sturm erarbeitet sich zu wenig Torchancen, kann in der Offensive speziell gegen starke Gegner die Bälle nicht behaupten und kommt so trotz gefälligem Spiel zu wenig Abschlüssen.

Jürgen Pucher

In der letzten Länderspielpause im Oktober unterzog die sportliche Leitung den bestehenden Kader einer eingehenden Analyse, um den Handlungsbedarf für das Winter-Transferfenster zu definieren. Was man aus Messendorf hört, sind die dort festgestellten Bedarfe auch bereits in Bearbeitung und die Fühler für potenzielle Verpflichtungen oder Verkäufe und Leihen ausgestreckt.

In jedem Fall gibt es auf der Position des Rechtsverteidigers was zu tun. Tim Oermann fühlt sich in der Mitte bedeutend wohler, wie man in den vergangenen Spielen sehen konnte, und auch Jeyland Mitchell hat dort außer weite Einwürfe wenig zu bieten. Arjan Malic ist wieder fit und spielt aktuell auf dieser Position, der Weisheit letzter Schluss ist er aber auch nicht.

Fehlende Durchschlagskraft

Die nominelle Besetzung in der Offensive scheint ausreichend, im Angriff sind es eher die taktisch-spielerischen Dinge, wo Verbesserungsbedarf auszumachen ist. Sturm erarbeitet sich zu wenig Torchancen, kann in der Offensive speziell gegen starke Gegner die Bälle nicht behaupten und kommt so trotz gefälligem Spiel zu wenig Abschlüssen.

Besonders die frühere Stärke im Umschalten und dem schnellen Spiel in die Spitze ist ein bisschen verloren gegangen. Dazu schwächelt Otar Kiteishvili derzeit für seine Verhältnisse, hat zudem immer wieder kleinere körperliche Probleme und es wird brutal sichtbar, wie sehr das Sturm-Spiel von ihm abhängig ist.

Besonders die Arbeit an der Abwehr ist im Sommer-Transferfenster schiefgegangen. Es ist unverständlich, warum man im Zentrum fünf Akteure zur Verfügung hat und auf den Außenpositionen auf beiden Seiten zu wenige.

Jürgen Pucher

Die Potenziale der Neuverpflichtungen Filip Rozga, Axel Kayombo oder Maurice Malone sind erkennbar, alle drei sind aber derzeit noch nicht dort, wo sie wahrscheinlich sein können. Was am Kader insgesamt auffällt, ist ein gewisser Überhang an Spielern in der Innenverteidigung und im Sturm.

Besonders die Arbeit an der Abwehr ist im Sommertransferfenster schiefgegangen. Es ist unverständlich, warum man im Zentrum fünf Akteure zur Verfügung hat und auf den Außenpositionen auf beiden Seiten zu wenige, denn auch hinter Emir Karic auf der linken Seite ist kein weiterer gelernter Außenverteidiger im Kader.

Die Aktie Leon Grgic

Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass Sturm im Winter ganz vorne und ganz hinten jeweils einen Akteur abgibt. Entweder per Leihe, um denen Spielpraxis zu geben, die in Graz momentan wenig zum Zug kommen. Oder, um mit Leon Grgic ein Beispiel zu nennen, es könnte auch durchaus ein Verkauf anstehen.

Er ist sicher die lukrativste Aktie im Sturm, kommt in Graz noch immer nicht so zur Geltung, wie es sich viele erhofft haben und ist einem Wechsel wohl nicht ganz abgeneigt. Während der Leistungsfähigkeit der Schwoazn international immer wieder recht schonungslos die Grenzen aufgezeigt werden, ist das derzeitige Spielerangebot in der Bundesliga absolut konkurrenzfähig.

Wenn man in den Verein hineinhorcht, ist immer wieder zu vernehmen, dass Parensen und Säumel nicht immer auf einer Linie sind. Insbesondere der Trainer hätte sich da und dort ein wenig mehr Unterstützung des Sportchefs erwartet.

Jürgen Pucher

Auch deshalb, weil alle Spitzenteams ordentlichen Schwankungen unterliegen. Sturm ist nach Verlustpunkten immer noch gleichauf mit Tabellenführer Salzburg. In dieser Meisterschaft wird am Ende wohl der vorne sein, der die längste konstante Phase zustande bringt.

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Neuer Säumel-Vertrag im Winter?

Und da wäre dann noch der Trainer. Jürgen Säumel hat einen Vertrag bis zum Ende dieser Saison. Das Gerede über die Verlängerung seines Kontrakts kommt medial langsam ins Laufen, in Messendorf aber offenbar noch nicht. Mit ihm hätte noch keiner gesprochen, ließ Säumel wissen.

Und wenn man Michael Parensens ausweichende Antworten zum Thema unlängst in der "Kleinen Zeitung" dazunimmt, kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass hier noch nicht alles in trockenen Tüchern ist. Was in jedem Fall tunlichst vermieden werden sollte, ist, dieses Thema zu lange in den Frühling zu schleppen.

Wenn man in den Verein hineinhorcht, ist immer wieder zu vernehmen, dass Parensen und Säumel nicht immer auf einer Linie sind. Insbesondere der Trainer hätte sich da und dort ein wenig mehr Unterstützung des Sportchefs erwartet, heißt es.

Wie auch immer diese persönliche Beziehung gelagert ist, gibt es keinen schlagenden Grund, nicht mit Säumel auch in die nächste Saison zu gehen. Er hat zu einem schwierigen Zeitpunkt übernommen, mit seinem Team diese Situation mehr als ansprechend gemeistert und er hat ganz offensichtlich auch in der Kabine und am Trainingsplatz ein gutes Standing. Die Winterpause wäre ein mehr als guter Zeitpunkt, um die weitere Zusammenarbeit bekanntzugeben.

Jürgen Pucher ist Buchautor, Politikwissenschaftler, Fußballjournalist und praktizierender Sturmfan in Wien. Der Steirer war Mitgründer der Fanplattform Sturm12.at. Seit 2015 ist Pucher als Betreiber des Podcast BlackFM aktiv, der sich den "Schwoazn" widmet. Für 90minuten.at schreibt er in regelmäßigen Abständen die Kolumne "12 Meter".

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