Schweigen ist Mist
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Schweigen ist Mist

Sturm ist durch die abgelaufene Transferzeit mehr getaumelt als gegangen. Großteils selbst verschuldet durch eine wieder einmal schlechte Kommunikationsstrategie. Die Folge sind ein beschädigter Sportchef und schlechte Stimmung.

Das Transferfenster ist zu und die leidigen Spekulationen, nervige Deadline-Day-Ticker und hysterische Fanforen, wo alle immer schon vorher Bescheid wissen, sind endlich wieder Geschichte. Zumindest bis zum Jänner. Transferzeit ist eine Zeit, wo man so einigen Beobachtern das Mobiltelefon wegnehmen sollte, so viel unnötige Aufregung wird da produziert.

Kritik an Parensen wurde immer lauter

Beim regierenden Meister lief es in diesem Übertrittsfenster alles andere als rund. Gleich zu Beginn des Sommers hat Sturm-Sportchef Michael Parensen eine Reihe von neuen Spielern präsentiert, die meisten von ihnen junge Leute mit Potenzial. Ein Weg, den Sturm seit Jahren ganz bewusst geht. Talent einkaufen und später teuer weiterreichen. So weit, so gut.

Der Deutsche hat es als Nachfolger des populären Andreas Schicker ohnehin schwer, die Stimmung kippt schnell und oft wirkt er auch alleingelassen.

Jürgen Pucher über Michael Parensen

Aber Spieler wie Jusuf Gazibegovic und Mika Biereth waren absolute Leistungsträger, die nach deren Abgängen im Jänner 2025 nie gleichwertig ersetzt wurden. Dazu war klar, dass auch William Böving in diesem Sommer verkauft wird, wäre er doch sonst nach der Saison ablösefrei zu haben gewesen. Dann folgte noch Max Johnston dem Ruf auf die Insel. Erschwerend kam dazu, dass der größte dieser Anfangstransfers, Stürmer Axel Kayombo, sich in der Vorbereitung verletzt hat.

Bis in die letzten Züge der Transferzeit passierte außer der Leihe von Tim Oermann als Ersatz für Gregory Wüthrich in der Innenverteidigung wenig bis gar nichts. Die Fans hatten, nicht ganz zu Unrecht, den Eindruck: Hier wird nur verkauft und der Kader von Woche zu Woche weiter ausgedünnt. Die Kritik an Michael Parensen wurde immer lauter und immer undifferenzierter.

Keine Ziele stiften Verwirrung

Der Deutsche hat es als Nachfolger des populären Andreas Schicker ohnehin schwer, die Stimmung kippt schnell und oft wirkt er auch alleingelassen. Ihm fehlt vor allem eines: Der direkte Draht zu den regionalen Meinungsmachern, die Schicker in heiklen Phasen immer in seinem Sinne instrumentalisieren konnte. Parensen ist ein anderer, introvertierterer Typ.

Das muss nicht schlechter sein, vor allem dann nicht, wenn der Verein ihn dabei unterstützen würde. Das passiert aber nicht. In regelmäßigen Abständen ließ man den Sportchef in TV-Interviews schlecht aussehen. Unklare Aussagen und vertrösten auf die nächsten Wochen. Nach keinem dieser Auftritte hatten die Beobachter das Gefühl, gerade irgendeinen Mehrwert erfahren zu haben.

Das alles sind Investitionen in die Zukunft, die das defensive Vorgehen am Transfermarkt verständlicher erscheinen lassen. Nur: Man muss das den Leuten auch sagen.

Jürgen Pucher über die Infrastrukturvorhaben in Graz

Das Ganze gipfelte in einem kommunikativen Komplett-Bauchfleck. Parensen ließ im August wissen, die Saisonziele würden erst nach Ende der Transferzeit im September kommuniziert werden. Unverständnis ist ein mildes Wort dafür, was diese Aussage ausgelöst hat. Wenn ein Sportchef nicht selbst auf bessere Ideen in Interviews kommt, dann muss ihm eben jemand helfen. Passiert das nicht, wird Parensen im nervösen Grazer Umfeld in nächster Zeit einen sehr schweren Stand haben.

Millionen gehen in Steine statt Beine

Und: Den Kader-Status-Quo einzig und allein als Parensen-Versagen zu bezeichnen, greift zu kurz. Es war schnell offensichtlich, dass die Kosten für Gehälter nicht ins Unermessliche wachsen dürfen. "Altlasten" wie Bryan Teixeira und Szymon Włodarczyk mussten von der Pay-Roll, bevor wieder Kostenfaktoren dazukommen können. Spieler, die übrigens noch Parensens Vorgänger verpflichtet hat.

Und nicht zuletzt hat Sturms Sportdirektor sich wohl auch zu sehr auf das eine oder andere Schnäppchen am Ende des Transferfensters verlassen. Geworden sind es dann schließlich Maurice Malone von der Austria im Angriff und der Costa-Rica-Internationale Jeyland Mitchell für die Defensive. Ob sie diese Spieler sind, die Cheftrainer Jürgen Säumel nach dem Derby als Verstärkungen von seinem Klub gefordert hat? Man wird sehen.

Vorneweg stand jedenfalls die Vereinsführung hinsichtlich eines zu weit aus dem finanziellen Fenster Lehnens bei Spielerverpflichtungen auf der Bremse. Sturm investiert aktuell sehr viel Geld in die Infrastruktur. Ein neues Trainingszentrum für Nachwuchs und Damen wird gebaut, der Grazer Postplatz wird für die zweite Mannschaft adaptiert, damit diese nicht mehr in der Südsteiermark trainieren muss, und auch im Zentrum Messendorf wird um- und ausgebaut.

Sturm sagt nicht, was Sache ist

Dafür nahmen die "Schwoazn" zweitstellig Millionenbeträge in die Hand. Nicht zuletzt wird im Fall eines Umbaus des Stadions in Liebenau – so die Politik sich im Herbst zu einem Beschluss dazu durchringen kann - Sturm einen Beitrag dazu leisten müssen. Das alles sind Investitionen in die Zukunft, die das defensive Vorgehen am Transfermarkt verständlicher erscheinen lassen. Nur: Man muss das den Leuten auch sagen.

In regelmäßigen Abständen stolpert man in eine Phase, wo man durch Nicht-Kommunikation Unruhe, Missverständnissen und Spekulationen Tür und Tor öffnet.

Jürgen Pucher über die Sturm-Kommunikation

Wieso geht man nicht in diese Übertrittszeit, für die man ohnehin schon während der letzten Saison immer einen Umbruch prognostiziert hat, mit der Botschaft: "Unser Kader ist mittlerweile sehr teuer geworden, wir haben sehr viele Ausgaben vor uns, die uns mittelfristig aber weiterbringen werden, und wir werden uns deshalb auf dem Transfermarkt diesen Sommer eher vorsichtig bewegen."

Dafür würden junge Spieler vermehrt Chancen bekommen, was im optimalen Fall auch wieder zu größeren Transfereinnahmen führe. Und so weiter und so fort. Stattdessen entschied man sich wieder einmal für abwarten, herumeiern, Widersprüche, hinhalten und im Zweifel gar nichts sagen. Die Folge: Unsachliches Gemaule in den Internetforen, Fehlinterpretationen und schlechte Stimmung.

Schlechte Stimmung hausgemacht

Wie schon zuletzt an dieser Stelle ausgeführt: Es ist mir unbegreiflich, wieso ein Verein der Größenordnung Sturm Graz von seinen Verantwortungsträgern nicht so ausgerichtet wird, dass man eine proaktive Kommunikationskultur etabliert. In regelmäßigen Abständen stolpert man in eine Phase, wo man durch Nicht-Kommunikation Unruhe, Missverständnissen und Spekulationen Tür und Tor öffnet.

Wie kann es sein, dass dieser Verein in diesem Bereich nicht dazulernt? Jetzt steht man da, als Titelverteidiger und Europa-League-Teilnehmer,  und die Stimmung rund um den Klub fühlt sich an, als wäre Nestor El Maestro noch Trainer. Das ist schon ein ganz besonders starkes Stück an Kommunikationsversagen.

Jürgen Pucher ist Buchautor, Politikwissenschaftler, Fußballjournalist und praktizierender Sturmfan in Wien. Der Steirer war Mitgründer der Fanplattform Sturm12.at. Seit 2015 ist Pucher als Betreiber des Podcast BlackFM aktiv, der sich den "Schwoazn" widmet. Für 90minuten.at schreibt er in regelmäßigen Abständen die Kolumne "12 Meter".

VIDEO: Die Transferflops des SK Sturm

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