WSC: Neues Stadion, altes Schicksal?
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WSC: Neues Stadion, altes Schicksal?

2016 bezog der SK Rapid ein neues Stadion, 2018 die Wiener Austria. Der gewünschte große Erfolg blieb aus. Zwei Spielklassen drunter droht dem Wiener Sportclub ein ähnliches Schicksal.

Im Frühjahr 2026 ist es so weit – der Wiener Sportclub wird in einem modernen Stadion spielen, das für höhere Aufgaben gedacht ist als für die Regionalliga Ost. Das Dumme an der Sache ist anhand eines Blicks auf die Tabelle ersichtlich:

Der Wiener Sportclub ist der viertklassigen Stadtliga aktuell näher als dem Sehnsuchtsort 2. Liga. In Zahlen:

Die Hernalser haben vier Punkte Vorsprung auf den 15. Platz (FavAC) und 19 Zähler Rückstand auf Tabellenführer Leobendorf. Selbst wenn die Niederösterreicher nicht aufsteigen wollen, fehlen auf den zum Aufstieg berechtigenden Platz zwei aktuell 14 Punkte.

Unbedingt aufzusteigen, ist zwar nicht das Ziel der Dornbacher, aber: So einfach wie dieses Jahr wird es nicht mehr. Ab 2026/27 gibt es zumindest theoretisch nur noch zwei Absteiger aus der 2. Liga und den Aufstieg nur nach einem Playoff.

Den Schalter von einem Jahr Abstiegskampf, Niederlagen und Problemen zum Aufstiegskandidaten umzulegen, ist jedoch alles andere als einfach. Vor allem hat der Verein in den kommenden Wochen wie seit September ausschließlich Auswärtsspiele. Die Hoffnung auf schnelle Änderung ist also kaum gegeben.

Klug baut vor

Dabei hatten die Schwarz-Weißen vorgebaut. Schon im Winter verpflichtete man Robert Weinstabl. Der 42-Jährige werkelte schon von 2019 bis 2023 beim Traditionsverein, war davor bei Amstetten, zwischendurch beim SV Lafnitz Trainer. Er konnte seine anspruchsvolle, ballbesitzorientierte Fußballidee implementieren.

Ich trage für die Ergebnisse die volle Verantwortung, nicht jedoch für einen Teil unserer Transferpolitik im Sommer.

Robert Weinstabl, Ex-Trainer

In seiner ersten Amtszeit funktionierte dies auch gut, man wurde nie schlechter als Tabellenvierter und ebnete Spielern wie Todoroski, Kriwak, Vucenovic oder Ojukwu durch eine gute Entwicklung den Weg in den Profifußball. Nach Amstetten wollte er auch den Wiener Sportclub in die zweite Liga führen.

"Mein Hintergedanke war schon 2019, mit dem WSC aufzusteigen und deshalb bin ich dem Verein auch immer treu geblieben, auch als es nach der erfolgreichen Cupsaison 2022 interessante Angebote gegeben hatte. Das Stadion war immer ein Anreiz, rückte dann aber in weite Ferne", erzählt er gegenüber 90minuten.

Mittlerweile arbeitet er beim burgenländischen Fußballverband und blickt ohne Groll zurück. Er weiß: "Ich hatte nach der guten Rückrunde, welche wir noch auf dem fünften Platz beenden konnten, ein gutes Gefühl, dann kam leider eine Ergebniskrise."

Nach fünf Runden mit drei Remis und zwei knappen Siegen gegen den FavAC und die Wiener Viktoria folgten drei Niederlagen in Folge, nach einem 2:4 gegen Donaufeld musste er gehen. "Ich trage für die Ergebnisse die volle Verantwortung, nicht jedoch für einen Teil unserer Transferpolitik im Sommer", so Weinstabl.

Viele Verletzungen spielten ebenfalls eine Rolle, dazu später mehr. Dennoch schlagen irgendwann die Mechanismen des Fußballs zu: Irgendwann ist man nicht mehr der Richtige, um einen derart verunsicherten Haufen nach oben zu bringen. Die Probleme lagen aber tiefer als nur beim Trainer.

Kadergedanken

Dieser heißt nun Ex-Neusiedl-Coach Stefan Rapp. Einen massiven Turnaround schaffte auch er nicht, der mit pragmatischerem Fußball statt Ballbesitz-Orientierung auf Weinstabl folgte. Ein Sieg gegen Nachzügler Elektra, ein Remis gegen Marchfeld, nun zwei Niederlagen gegen Donau und Oberwart.

Die Friedhofstribüne gibt's nicht mehr, das war aber auch notwendig
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Die Friedhofstribüne gibt's nicht mehr, das war aber auch notwendig

Hinter vorgehaltener Hand erzählt man sich in Dornbach, dass zu viele Spieler ähnlicher Qualität im Kader sind. Einen Einserstürmer sucht man vergebens. Nur drei Spieler absolvierten bisher mehr als zwei Drittel der Ligaspiele. Unabhängig von den Verletzungen ist das ein Indiz, wie schwer es ist, in einem so großen Kader Stabilität zu finden.

Zu große Kader gelten als schwierig trainierbar, vor allem, wenn die Rollenverteilung aufgrund individueller Qualität nicht klar ist. Spielern wie Patrick Puchegger (30, FAC), Eren Keles (30, Mauerwerk), Andree Neumayer (29, SKN), Nicholas Wunsch (23, Vienna) oder Leonardo Ivkic (21, FAK) sind auf dem Papier "zu gut" für die Ostliga.

Eine Klasse drüber, das will man sich aktuell nicht leisten. Zum Vergleich: Hertha Wels stieg mit Roko Mislov, Markus Lackner und Luan auf. Wie geht’s den Kickern aktuell, wie gehen sie mit dieser Situation um? Das legt Co-Trainer und Sportclub-Legende Jürgen Csandl dar.

"Ein Rucksack für den Kader"

"Die Spieler bekommen mit dem Druck, den Aufstieg jetzt zu realisieren, einen ziemlichen Rucksack umgehängt", sagt Csandl im Gespräch. Das gilt unabhängig davon, ob der Aufstieg dieses Jahr einfacher gewesen wäre oder nächstes Jahr realisiert wird.

Viele Jahre lang sind die Spieler also hierhergekommen und mussten einmal recht wenig erreichen. Den Schalter umzulegen, überfordert viele, das sehe ich als Co-Trainer.

Jürgen Csandl, Co-Trainer und Vereinslegende

Die bisherigen Zielvorgaben an die Spieler waren überschaubar: Qualifikation zum UNIQA ÖFB-Cup. Das ist überschaubar schwierig, Wien stehen neben dem Landescupsieger drei Startplätze zur Verfügung, dazu braucht es nicht notwendigerweise einen Platz am Treppchen.

"Viele Jahre lang sind die Spieler also hierhergekommen und mussten einmal recht wenig erreichen", so Csandl weiter, "Den Schalter umzulegen, überfordert viele, das sehe ich als Co-Trainer."

Dass es dieses Jahr leicht gewesen wäre, wird zumindest unterbewusst eine Rolle spielen.

Wer wie die weiter oben erwähnten das erste Mal im Amateurbereich ist, braucht darüber hinaus Zeit, sich darauf einzustellen. "Ich kenne das ja auch: Du hattest jahrelang den Traum, Profi zu werden und nun musst du nicht nur trainieren, sondern auch unter der Woche arbeiten gehen – an beiden Orten musst du zu 100 Prozent performen", führt er aus, "Und wenn du das nicht kennst, tust du dir schwer damit."

Weinstabl doch halten?

Natürlich, die Rückrunde im neuen Stadion wird schon besser werden als jetzt mit den ganzen Auswärtsspielen. Die Verletzungen werden zurückgehen. Die Chance auf den einfachen Direktaufstieg hat man sich mit der schlechten Hinrunde vermutlich vertan. Eine passende Kaderzusammenstellung und das Management des Druckrucksacks bleiben aber.

In erster Linie zu verantworten hat das David Krapf-Günther, Vizepräsident und Sprachrohr des Klubs. Die Gründe für die sportlichen Probleme sieht er neben den Partien in der Fremde bei den Verletzungen. Zeitweise fielen bis zu acht Stammspieler aus – vom Brustbeinbruch über einen Kreuzbandriss bis zu einem aufgeschnittenen Fuß. Für einen Semiprofi-Kader ist das kaum zu kompensieren.

Ein fescher neuer Kasten entsteht. Fehlt nur noch Erfolg...
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Ein fescher neuer Kasten entsteht. Fehlt nur noch Erfolg...

Das hätte auch dafür gesprochen, Weinstabl zu halten. Nach intensivem Austausch über Wochen trennte man sich letztlich einvernehmlich, obwohl Krapf-Günther eigentlich "niemanden während der Saison gehen lassen will."

Aber hierbei folgte man den Fußballmechanismen. Bei schlechten Ergebnissen muss der Trainer den Hut nehmen. "Wir dachten, es ist besser, wenn neuer Schwung reinkommt", sagt er einerseits, aber andererseits auch: "Die Sorgen verschwinden aber nicht, das Lazarett ist noch groß. Die nächsten vier Spiele werden genauso ein Kampf wie die letzten Spiele."

Kein Geld drauf werfen

Im Gespräch insistiert er, dass der Kader an und für sich gut genug wäre. Jetzt erwähnte Bonusspieler – siehe Wels – zu holen, sieht er wirtschaftlich nicht als richtig an. Zwei, drei Extraspieler zwei Saisonen durchfüttern, sei finanziell nicht abbildbar.

"Bei uns dauert alles eben länger", meint er etwas witzelnd – bereits 2018 gab es die ersten Bauarbeiten am Sportclub-Platz, "Ich meine aber auch das Nachwuchszentrum. Der Aufstieg ist dann das Ziel, wenn wir wirklich im Stadion angekommen sind."

Mit der Situation rund um die Auswärtsspiele aufzusteigen, so insistiert er, wollte man die Spieler nicht konfrontieren.

Und er redet sich in Rage: "Wir rufen keine Missionen aus – unsere Fans akzeptieren es, wenn es länger dauert und die Mannschaft gemeinsam wächst. Das ist besser als mit einer Söldner-Truppe, die einer der vielen Investoren, die mich anrufen, aufstellen wollen. Wir denken hier langfristig und hauen nicht wie so manche Dorfklubs mit ihren Aktionen das Gehaltsgefüge einer ganzen Liga zusammen."

Für unsere finanziellen Mittel haben wir einen unglaublich breiten Kader. Wir sind weit weg von dem, was andere aus dem Fenster werfen.

David Krapf-Günther, Vizepräsident

Auf eine dritte Insolvenz habe in Hernals eben keiner eine Lust: "Für unsere finanziellen Mittel haben wir einen unglaublich breiten Kader. Wir sind weit weg von dem, was andere aus dem Fenster werfen: Die Spieler sind hier, weil wir Fußballromantik und dieses Stadion anbieten. Niemand kommt wegen des Geldes. Wir sind überzeugt, dass die Mischung von Akademie und bezahlbarem Fußball bestehen kann."

Dem Druck müssten die Sportler dann schon standhalten können. Er ist überzeugt: "Nach einem Jahr im Stadion könnten wir so weit sein, aufzusteigen." Neben Sport und Infrastruktur muss letztlich auch das Wirtschaftliche stimmen. 

Hinterfragenswert?

Parallel dazu arbeitet der Verein längst an der Lizenzierung – das Nachwuchszentrum gilt dabei als Schlüssel für den geplanten nachhaltigen Aufstieg. Und mit vielen Monaten und einer Aufstiegseuphorie Richtung Sommer 2027 sollen zudem vermehrt Sponsoren vom Weg überzeugt werden.

Dass dieser über ein Playoff führt, stößt ihm sauer auf. Ein Jahr Erfolg wegen dieser Spiele nach der Saison wegzuwerfen, sei nicht gut. Umgekehrt, meint er mit einem Verweis auf die Historie des Finanzgebarens so manches 2. Liga-Klubs, ist es unklar, ob es überhaupt ein Playoff braucht. 

Krapf-Günther ist von dem WSC-Weg jedenfalls überzeugt, das dürfte nicht auf alle im Sportclub-Umfeld zutreffen. Wenn alles funktioniert, wird es auch kein Problem werden. Wird es nichts mit dem Aufstieg und der Sportclub erlebt dasselbe Schicksal wie die großen Stadtrivalen, kann sich auch der Wind im so netten Dornbach drehen.

Der Klub wäre nicht der Erste, bei dem die Verklärung der ach so große Historie den Blick auf die Gegenwart verstellt. Denn, wenn man genau hinhört, ist die gegenwärtige Führung nicht ganz unumstritten.


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