Knett retour: "Ich dachte, ich kann im Iran den Kasperl runterreißen"
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Knett retour: "Ich dachte, ich kann im Iran den Kasperl runterreißen"

Christopher Knett hat Österreich zweimal verlassen: Als Jugendlicher einmal nach Deutschland und später Richtung Griechenland, Iran und Saudi-Arabien. Jetzt ist er zurück beim SKN St. Pölten – ein Rückblick auf eine außergewöhnliche Karriere.

Dem SKN St. Pölten ist Christopher Knett sehr dankbar, genauer gesagt dem Sportdirektor Christoph Freitag. Knett kannte ihn aus Wacker-Innsbruck-Tagen und hatte ihn einfach angerufen, um zu plaudern. Die Niederösterreicher suchten einen erfahrenen Keeper, um die jungen Wölfe anzuleiten.

"Es war ein guter Zeitpunkt, nach vielen Jahren im Ausland zurückzukommen und meinen Kindern auch Stabilität in Kindergarten und Schule zu bieten. Ich bin dem Verein sehr dankbar, auch dass ich einen langfristigen Vertrag bekommen habe", so der 34-Jährige.

2019 verließ er Österreich Richtung Griechenland, zog dann weiter in den Iran und war zuletzt in Saudi-Arabien engagiert.

Eine lange Zeit im interessanten Ausland, wie er es auch rückblickend beschreibt.

Mit Schmäh nach Deutschland

Knetts Lebensgeschichte ist voll von Zufällen und eher außergewöhnlichen Anekdoten. Er begann in Kagran und Stadlau zu kicken, wechselte dann zur Wiener Austria. Bei Nachwuchsturnieren fiel der 1,88 Meter große Schlussmann dem VfB Stuttgart auf.

Der deutsche Topklub holte ihn im September 2006 nach Deutschland, "parkte" den Teenager bei der SG Sonnenhof-Großaspach. Dort hätte er ein halbes Jahr bleiben sollen, war bei einer Gastfamilie untergebracht, trainierte aber schon in Stuttgart mit.

"Dann kam das Angebot aus Hoffenheim, wo mit Ramazan Öczan und Andreas Ibertsberger schon zwei Österreicher waren", erinnert er sich ans Jahr 2008 zurück.

Damals hatten die "Ösis" noch nicht das Standing von heute, aber "es hat den Deutschen schon getaugt, wenn einer einen Schmäh hat."

2013 hätte der junge Keeper zu Heidenheim in die 3. Liga gehen können, aber: "Das hat mir mein Berater verhaut. Also habe ich das im Alleingang gemacht."

"Einelahn" und tschüss

Er schickte einfach Bewerbungen aus, ob irgendjemand einen Tormann brauchte. Und tatsächlich, Zweitligist Austria Lustenau meldete sich: "Sportdirektor Daniel Ernemann hat gemeint, er hatte mich am Schirm und weit ist es von Aspach auch nicht, vielleicht drei Stunden."

Knetts Zeit in Innsbruck endete tränenreich
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Knetts Zeit in Innsbruck endete tränenreich

Knett setzte sich ins Auto und fuhr ins Ländle. "Das hat Präsident Hubert Nagel gefallen", sagt er heute.

Der Schlussmann zahlte das Vertrauen zurück. Nachdem er schon ab 2010 Stammspieler bei Sonnenhof-Großaspach gewesen war, absolvierte er auch für die Grün-Weißen so gut wie jedes Spiel. Der Wechsel zu Wacker war dann "normal", wie er lachend meint. Spielervermittler Max Hagmayr legte ihm die Ziele der aufstiegswilligen Tiroler dar und er unterschrieb.

Es folgte ein Aufstieg und dann gleich der Abstieg. Als dieser fixiert war, entstand ein legendäres Video. Sky fragte ihn, wie er diesen Abstieg im Jahr 2019 verarbeiten würde. Die Antwort: "I waß net, vielleicht lah' i ma an eine."

Dann lieber Griechenland

Obwohl ihm der damalige Trainer Thomas Grumser die Leitungsrolle in einem sehr jungen Wacker-Team schmackhaft machte, löste er den Vertrag auf. Mit 29 Jahren flatterte ein Angebot von Panetolikos aus Griechenland herein – finanziell äußerst lukrativ.

Als Fußballer siehst du frenetische Fans, volle Stadien, das Trainingszentrum, die Hotels - aber man bekommt schon auch mit, dass es anders als in Europa ist und sich Dinge ändern müssen.

Christopher Knett

"Geld gehört für einen Fußballer zum Gesamtpaket dazu", stellt er klar und meint auch, "Aber erste Liga in Griechenland ist auch besser als zweite in Österreich."

Die Familie war sofort dabei und er stand so gut wie jedes Spiel wieder zwischen den Pfosten, mit guten Statistiken - gerade für einen Klub von den hinteren Rängen.

Es hätte auch weiter raufgehen können, zu Aris Thessaloniki. Man verhandelte, er sagte anderen möglichen Arbeitgebern ab – dann zerschlug sich der Transfer.

Abenteuer Iran?

Einen Monat war er retour in Österreich, trainierte bei Jugendklub Austria Wien bzw. deren zweiter Mannschaft. Gedankenspiele gingen los, denn die Entlohnung in Griechenland war durchaus höher als in Österreich.

Der Keeper zweifelte zunächst, ob er in den Iran gehen sollte
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Der Keeper zweifelte zunächst, ob er in den Iran gehen sollte

Diesmal wurde er nicht selbst aktiv, sondern das Telefon klingelte: "Ein Berater aus dem Iran war dran und meinte, er hätte ein Angebot für mich. Meine Antwort: Sicher nicht." Knett ließ er ein Hin- und ein Rückflugticket schicken sowie den Vertragsentwurf. Als er das Jahresgehalt sah, war er "geschockt".

Als Superstar empfangen

Er wollte sich ansehen, was dahinter steckt und vereinbarte mit seiner Frau, dass er sich die ganze Sache vor Ort im Zentraliran in Isfahan ansehen würde.

Er war noch nicht einmal im Flieger, da gab es schon zig neue Follower auf Instagram. In der Stadt so groß wie Wien empfingen ihn die Fans des Sepahan FC am Flughafen.

Trainingszentrum und Stadion sowie Präsident überzeugten ihn, der damalige Trainer Moharram Navidkia sprach sogar etwas Deutsch. Das hatte er Mitte der Nullerjahre in Bochum beim VfL gelernt. Drei Wochen später kam seine Frau nach.

Und sportlich?

Sportlich waren die Engagements mehr als in Ordnung. Er war Stammspieler, wechselte nach einer Saison ans rote Meer, zum Foolad FC. Mit beiden Klubs spielte er in der Champions League.

Knett ist nicht der einzige Ausländer. Luis Figo warb für Molkereiprodukte, Clarence Seedorf ist bei Esteghlal FC engagiert. Der Österreicher gibt wiederholt zu Protokoll, dass (viel) Geld eine Rolle im Leben eines Kickers spielt – und man sich nicht dafür schämen muss.

Sie haben ein Schaf hergebracht, es geköpft und wir mussten mit den Fußballschuhen durch das Blut gehen.

Knett über seine Zeit im Iran

Ein sportliches Zuckerschlecken war es aber von Anfang an nicht. "Im ersten Jahr im Iran dachte ich, ich kann den Kasperl runterreißen und das Geld kommt von alleine", schüttelt er den Kopf.

Beklemmendes Rundherum

Einige Geschichten hören sich heutzutage komisch an. Vor dem ersten Spiel versammelten sich die Teamkollegen zum gemeinsamen Gebet und riefen 'Allahu Akbar' – ein Moment, der für den Europäer ungewohnt war. Oder: "Nach zwei Niederlagen haben sie ein Schaf hergebracht, es geköpft und wir mussten mit den Fußballschuhen durch das Blut gehen – dieses Opfer sollte uns Siege bringen."

Während diese Anekdoten noch unter Skurrilität fallen, darf man nicht vergessen, dass der Iran eine theokratische Diktatur ist. Reich an Geschichte, aber auch voll mit Armut und einer ablehnenswerten Ideologie. Vor allem was Frauen betrifft. Während er als Mann in Shorts und Shirt herumgehen durfte, musste seine Gattin sich bedecken.

"Im Internet steht viel Falsches über den Iran, aber auch vieles, was wahr ist", blickt er zurück. "Als Fußballer siehst du frenetische Fans, volle Stadien, das Trainingszentrum, die Hotels - aber man bekommt schon auch mit, dass es anders als in Europa ist und sich Dinge ändern müssen."

Da ist viel schiefgelaufen.

Knett über sein Engagement in Saudi-Arabien

Via Saudi-Arabien zurück nach Österreich

Nach ein paar Monaten ohne Klub klopften Damir Buric und Walter Franta bei ihm an. Franta ist Tormanntrainer bei Al-Arabi in der zweiten saudi-arabischen Liga, Buric war Cheftrainer zu dem Zeitpunkt.

Über den Iran kann Knett fußballerisch einiges berichten – über Saudi-Arabien deutlich weniger.

"Da ist viel schiefgelaufen", stellt er klar. "Der Trainer wurde nach einem Monat entlassen, der Präsident hat geglaubt, er kann den Job besser. Die Gehälter wurden auch nicht gezahlt. Sportlich war es so, dass Sepahan und Foolad die locker weggeschossen hätten."

Das war es wert!

In den letzten Wochen hat er sich überlegt, zurück in den Iran zu gehen. Rückblickend ist er froh, es nicht getan zu haben: Die Kinder bekommen Stabilität, er eine langfristige Perspektive beim SKN – und die Geschehnisse der letzten Wochen hat die Familie nicht live miterleben müssen.

Aber: "Im Nachhinein gesehen war es das wert. Vor allem, weil wir Freunde fürs Leben gefunden haben. Es ist so schön dort – es gibt Berge mit Schnee, Sandstrände, Inseln, eine Wüste, Bodenschätze. Ich hoffe, die Menschen finden nun mehr Ruhe."

Vielleicht geht er dann noch einmal zurück.


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