Fraisls ungewöhnliche Karriere: "Das war ein Riesennachteil"
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Fraisls ungewöhnliche Karriere: "Das war ein Riesennachteil"

Martin Fraisl ist 32 Jahre alt, Tormann und wurde mit Schalke Meister in der 2. Bundesliga sowie mit Midtjylland dänischer Titelträger. Heute spielt er bei Mafra in Portugals dritter Liga. Ein Rückblick auf eine ungewöhnliche Karriere.

Was haben ein Ex-Skifahrer, die portugiesische Küste und Zalando gemeinsam? Auf den ersten Blick gar nichts. Verbindet man das Ganze aber mit dem österreichischen Torwart Martin Fraisl, ergibt sich eine ungewöhnliche Reise von der letzten Spielklasse zu einem der größten Klubs und zu Titelehren.

Heute hat Fraisl nebst Traumdomizil eine halbe Stunde von Lissabon entfernt einen langfristigen Vertrag inklusive Anschlussvereinbarung im Netzwerk Midtjylland-Mafra in der Tasche; dabei war der Niederösterreicher mit 16 noch auf zwei Alpinlatten unterwegs. 

"Mit 17 Jahren habe ich entschieden, Fußball spielen zu wollen und mein verrücktes Ziel lautete sogar: Profi", erzählt er im 90minuten-Interview. Das war "unrealistisch", sagt er, aber er wollte schauen, was er aus sich rausholen kann. So viel sei gesagt: sehr, sehr viel. Mitunter mehr als jene, die in einer Akademie waren.

2. Klasse, letzte Liga

Fraisl wurde also beim lokalen Klub Wolfsbach vorstellig und begann seine Karriere als dritter Goalie in der allerletzten Liga. Doch er trainierte nicht nur mit der Hobbytruppe, sondern auch privat. So hantelte er sich Liga für Liga empor. Auf Wolfsbach folgte Seitenstetten, dort war er zweiter Keeper und Stammtormann in der Reserve.

Günter Kreissl spielte eine Rolle in der Karriere des Martin Fraisl
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Günter Kreissl spielte eine Rolle in der Karriere des Martin Fraisl

Er maturierte im zweiten Jahr, bevor es nach Sierning in die erste oberösterreichische Landesliga ging, wo er Nummer eins war. 

Die Matura war für ihn notwendig - wer mit Anfang 20 Landesliga kickt, sollte sich darauf einstellen, trotz Manifestation und wilder Träume doch eher einen "normalen" Job zu ergreifen. Fraisl wird später auch noch ein Wirtschaftsstudium abschließen.

Fast angekommen 

Nach einer erfolgreichen Saison als Nummer eins in Sierning wagte Fraisl den nächsten Schritt. Es ging weiter stetig bergauf. Der Tormann wechselte in die Ostliga zum traditionsreichen Wiener Sportclub. Dort war er als "Herausforderer gedacht. 2014, nach einem Jahr, klingelt das Telefon. Günter Kreissl war dran und holte mich zu Wiener Neustadt, als Backup."

Das sah so aus: Als Kooperationsspieler stand er auch 2014/15 zwischen den Ostligapfosten. Er trainierte aber unter der Woche in Wiener Neustadt - erstmals unter professionellen Bedingungen. Im Winter ergatterte er dann seinen ersten Vollprofivertrag, allerdings beim Ligakonkurrenten FAC.

Aus Sicht von Schalke sollte ich als Fährmann-Backup kommen, ich wollte ihn aber verdrängen. Das ist mir auch gelungen und wir sind Meister geworden.

Martin Fraisl

2017/18, im dritten Jahr in Floridsdorf, war Fraisl Stammkeeper. "Ich habe mich für mehr als die 2. Liga berufen gesehen", lacht er, "also habe ich gepokert, frei nach dem Motto 'Jetzt oder nie'!".

Der Plan geht auf

An einem Sonntagabend im Juni 2017 läutete wieder das Telefon. Ein Manager war dran, Fraisl verstand mehr oder weniger nur "höchste Spielklasse". Dass es Rumänien sein würde, war ihm egal.

Beim FC Botosani lief es von den Leistungsdaten eher unterdurchschnittlich. Er nahm ein neues Ziel ins Visier: Deutschland, bzw. die erste Bundesliga. Ex-Rapid-Keeper Helge Payer fädelte einen Kontakt zu Stefan Kulovits ein, der bei Sandhausen tätig war.

"Kulo war dort, hat den Klub auf mich aufmerksam gemacht. Der Tormanntrainer hat mich gescoutet und sich regelrecht 'in mich verliebt'". Es ging alles auf: Fraisl blieb eineinhalb Jahre, als Neunter schaffte Sandhausen mit ihm zwischen den Pfosten das beste Ergebnis der Vereinsgeschichte.

Meister und Meister

Das Folgejahr war schlecht. Der Torhüter ergriff die Flucht in die Eredivisie. Der Abstecher zu ADO Den Haag war goldrichtig - Traditionsklub Schalke 04 verpflichtete ihn. "Aus Sicht von Schalke sollte ich als Fährmann-Backup kommen, ich wollte ihn aber verdrängen. Das ist mir auch gelungen und wir sind Meister geworden", erzählt Fraisl.

Ein Unfall knockte Fraisl aus
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Ein Unfall knockte Fraisl aus

Zu jener Zeit war auch ÖFB-Kollege Michael Langer bei den Knappen. Er spielte beim Wechsel aber keine Rolle. Die Königsblauen holten nach dem Aufstieg mit Stefan Ortega eine neue Nummer eins, die Bundesliga-Erfahrung hat. "Was seine Klasse unterstreicht: Der spielte dann bei Manchester City: Ein Verbleib hätte für mich keinen Sinn gemacht."

Fraisl pokerte abermals, mit dem Ziel deutsche Bundesliga. Er war sich - retrospektiv findet er das nicht mehr so gescheit - zu gut für die belgische erste Liga: "Es kam aber nichts Besseres. Dann war ich bei Bielefeld." Die Arminia stieg trotz seiner guten Leistungen von der zweiten in die dritte Liga ab. Als Topverdiener musste er sich umschauen.

Der Film reißt 

Sommer 2023. Midtjylland schlug zu, dänische erste Liga, aus seiner Sicht mit Red Bull Salzburg vergleichbar. Der Klub gehört dem reichsten Dänen Anders Holch Povlsen. Seine Eltern bauten ein Modeimperium auf, unter anderem mit Marken wie Jack & Jones. Povlsen leitete das Unternehmen schon mit 28 Jahren, stieg auch bei Zalando ein.

Zurück zum Sport: "Ende Oktober war ich die Nummer eins, am vorletzten Spieltag hat man mir den 'Schädel eingetreten'", sagt Fraisl. Gegen Silkeborg wurde der 30-Jährige nach etwas mehr als einer halben Stunde bei einem Zusammenprall durch das Knie von Gegenspieler Alexander Lind, der dafür die Rote Karte sah, ausgeknockt.

Ich kenne Feldspieler, die nie in einer Akademie waren, aber keine Torhüter. Das war für mich ein Riesennachteil, weil die Position so speziell ist.

Martin Fraisl

"Ich bin am nächsten Tag im Krankenhaus aufgewacht, die letzten Wochen waren weg", erinnert sich Fraisl zurück. Er kämpfte, im Endspurt der Saison stand er wieder zwischen den Pfosten und wurde Meister.

Die Mannschaft wurde letztlich zu alt für den Eigentümer, so auch der Österreicher. Der Milliarden-schwere Povlsen hatte sich auch den portugiesischen Klub Mafra zugelegt. Fraisl erhielt einen langfristigen Vertrag, mittlerweile ist der Klub in dritte Liga abgestiegen. In Portugal will Fraisl seine Karriere beenden, gemeinsam mit der Familie sesshaft werden. Er hat so gut wie alles geschafft.

Eine Bilanz, bitte!

Beim ersten Lehrgang unter Ralf Rangnick 2022 war Fraisl mit dabei, on the long run meinte man dort, würde es nicht reichen für den Keeper, der nie in einer Akademie war. Auch ein Kurzeinsatz blieb ihm verwehrt. Wirklich weh tut ihm aber nur, dass er es nicht in die erste deutsche Bundesliga schaffte. Wäre die Arminia damals nicht abgestiegen, ist er heute überzeugt, hätte das geklappt.

Dennoch: "Ich kenne Feldspieler, die nie in einer Akademie waren, aber keine Torhüter. Das war für mich ein Riesennachteil, weil die Position so speziell ist. Im Nationalteam etwa fehlte Speed." Warum es dennoch klappte: Resilienz und ein eigener Weg.

Was sagt nun der Doch-nicht-Skifahrer, der "Verrückte", der sich von der letzten Klasse bis zu Erstliga-Titeln durchpokerte? "Ich hab ein Studium, meine Familie und ein Haus am Meer."


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