Fans und Corona: Geduld haben, keine falschen Signale aussenden
Die Bundesliga rechnet nicht damit, dass die Fans noch in dieser Saison in den Stadien ein Comeback feiern. Die Anhänger sollten aber Disziplin beweisen, um den zuständigen Stellen keine unnötigen Argumente zu liefern.
+ + 90minuten.at Exklusiv – Eine Reportage von Georg Sander + +
Seit Monaten hat kein Fußballfan ein Stadion von innen gesehen. Gerade für die treuesten Anhänger ist dies ein schmerzlicher Verlust. Der Lieblingsklub ist oftmals weitaus mehr als nur eine Wochenendbeschäftigung, man hat gemeinsam gejubelt, gezittert und geweint. Viele Freundschaften drehen sich rund um den Besuch des Fußballplatzes, Auswärtsfahrten mit Stunden im Bus schweißen zusammen – was sich pathetisch anhört, ist im kleinen Österreich, das nicht gerade mit übervollen Fußballarenen gesegnet ist, für viele Stadiongeherinnen und -geher Realtität und durchaus auch Lebensinhalt. Und auf all das müssen die Fans mehr oder weniger, mit ein paar Ausnahmen, seit einem Jahr verzichten.
Das Hochfest des heimischen Ligafußballs ist mit Sicherheit das Wiener Derby, ein rar gesätes Gut seit der Ligareform; wankelmütigen Performances der zwei Großklubs sei es zu verdanken. Ohne Corona hätte das kultige Duell am vergangenen Wochenende das Stadtbild geprägt. Das haben die Anti-Corona-Demos, so manche Fangruppe aus der Wald- und Wiesen (bzw. Hooligan-)Fraktion nutzte diese „Gelegenheit“ sogar, um verächtliche Parolen in der Stadt zu grölen und Angst und Schrecken zu verteilen. Eine Vorstellung von Fußballfans, die der Durchschnittsbürger leider– entgegen der tatsächlichen Realität – nach wie vor hat. Doch auch so manche Fans fielen am Wochenende nicht ganz so positiv auf.
Im Corteo auf engstem Raum
Sowohl beim Abschlusstraining des SK Rapid, als auch bei jenem von Austria Wien, fanden sich wie üblich Fangruppen ein. Ähnliche Bilder gab es bereits bei der Verabschiedung der Hütteldorfer Richtung Salzburg. Die Wiener Austria zeigte sogar ein kurzes Video von einem Corteo am Weg zum Abschlusstraining, mit anschließendem Support - in der Instagram-Story des offiziellen Accounts. Große Menschenansammlungen sind eigentlich untersagt. Klubs, die wirtschaftlich ums Überleben kämpfen und eng beieinander stehende Fans, das gibt kein gutes Bild ab.
Der SK Rapid erklärt dazu auf Anfrage von 90minuten.at: „Beide erwähnten Unterstützungsaktionen für unsere Mannschaft (Anm.: Verabschiedung vor dem Salzburg-Match, Besuch des Abschlusstrainings vor dem Wiener Derby) fanden auf einem öffentlichen Gelände statt. Weder das Allianz Stadion am Tag der Abreise der Mannschaft nach Salzburg noch das Trainingsgelände am Tag vor dem 332. Wiener Derby wurden von Fangruppen betreten. Das Präventions- und Hygiene-Konzept der Bundesliga und ihrer Klubs für Mannschaft und Betreuerstab wurde eingehalten.“
Sensibler Umgang
Die Wiener Austria, die eben im Unterschied zu Rapid ein Bild am eigenen Kanal zeigte, räumt hierbei auf 90minuten.at-Anfrage ein, dass das vielleicht nicht ganz so klug war: „Selbstverständlich hinterfragen wir tagtäglich unser Tun, und demnach auch die Veröffentlichung der Trainingsbilder. Wenngleich sich die Anzahl solcher in den Tagen vor großen Spielen üblicherweise mehrt, gilt es, hier sensibilisiert vorzugehen.“ Die Fans waren aber nicht auf dem Vereinsgelände: „Beim Besuch des Abschlusstrainings befanden sich die "Zaungäste" nicht auf dem Trainingsgelände oder wie fälschlicherweise behauptet in einem "Block" oder Sektor" - einen solchen besitzt das Trainingsgelände nicht -, sondern außerhalb auf öffentlichem Grund, da die Türen zu den Trainingsplätzen versperrt blieben.“
Die Veilchen halten weiters fest: „Der FK Austria Wien ruft seit Beginn der Covid19-Pandemie proaktiv und offensiv zur Einhaltung der der Eindämmung dienenden Maßnahmen und Verordnungen auf. Ganz ungeachtet des sechsstelligen Betrags, der zur Erstellung und Umsetzung des 140-seitigen Sicherheitskonzepts dient. Darunter fällt ebenso der Umstand, dass seit der Wiederaufnahme der Trainings jede Einheit hinter "verschlossenen Türen" - soweit infrastrukturell möglich - stattfindet, von Ordnern überwacht wird und alle Spieler und Betreuer einen unterirdischen Zugang zu den Trainingsplätzen nehmen, um sich und andere in keinster Weise zu gefährden.“ Abschließend zu dieser Thematik sei noch der SK Rapid zitiert, auch wenn dies für beide, für alle Klubs, gilt. Denn die Unterstützungsaktionen, vor allem, wenn sie unter Einhaltung der geltenden Bestimmungen im öffentlichen Raum stattfinden, sind für die Hütteldorfer, „ein Zeichen für die große Verbundenheit sowie der Sehnsucht nach Fußball und nach dem Gemeinschaftsgefühl, für das dieser ebenso steht. Für die Treue und Unterstützung unserer zahlreichen Fans sind wir generell überaus dankbar.“
"Bitte durchhalten"
Ob derartige Aktionen, vor allem, wenn die Abstände nicht eingehalten werden, per se klug sind – verboten sind sie – müssen die Beteiligten selbst entscheiden.. Auch wenn die Vereine nicht für das Handeln der Fans im öffentlichen Raum verantwortlich sind, ist es fraglich, ob die in der Regierung verantwortlichen Personen, die über die Frage, wann und ob Fans wieder ins Stadion rein können, das alles auch so differenziert beurteilen können. Das Wirrwarr um Besucherzahlen im Spätsommer lässt daran zweifeln.
Im Sinne einer möglichst frühen Öffnung der Stadien ist aktuell daher noch Geduld gefragt. Der Saisonstart 2021/22 im ÖFB-Cup (16. bis 18. Juli) und der Bundesliga und 2. Liga ist nicht in Stein gemeißelt. Sollten zu dem Zeitpunkt noch keine Zuschauer zugelassen sein, aber etwa ab September, dann würde die Bundesliga darüber nachdenken, eben später zu beginnen. In diesem Sinne appelliert Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer gegenüber der 'APA': „Ich kann nur die Parole ‘Bitte durchhalten’ ausgeben. Wir müssen uns noch gedulden und auch von dem Szenario ausgehen, dass wir erst mit Beginn der neuen Saison vor Fans spielen werden.” Denn eines sei auch noch erwähnt: Im Herbst, als Zuschauer zum Teil erlaubt waren, verhielten sich die Fans vorbildlich und wurden dafür von der Politik auch gelobt. Es wäre schade, wenn dieses Bild nun wieder weichen müsste.