Corona-Ligenfonds: Ende der Intransparenz in Sicht
Wer wissen will, wie viel öffentliche Gelder im Rahmen des Corona-Sportligenfonds offiziell geflossen sind, stieß bisher auf eine Mauer des Schweigens und wurde im Kreis geschickt. Eine 90minuten.at-Recherche brachte nun Bewegung in das Thema.
Warum wir die Beträge nicht veröffentlichen liegt rein am Vertrag. Da ist festgehalten, dass wir es nicht dürfen. Wir dürfen die Gesamtsumme sagen, aber nicht die Einzelsummen.
Nun haben wir die formale Bestätigung erhalten, dass dies zukünftig möglich sein wird und diese Zahlen damit nicht der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht der Klubs unterliegen.
Mehr Transparenz wäre aus Sicht des LASK sicherlich kein Fehler, denn auch Ihre Anfrage zeigt, dass hier Zweifel an der Vorgangsweise bestehen.
Der Aufsichtsrat der Bundes-Sport GmbH hat eine Überwachungsfunktion und nimmt keinerlei Einfluss auf die operative Tätigkeit, daher auch nicht auf die Fördervergabe.
Im Übrigen würde eine Unvereinbarkeit ein gesetzwidriges und unlauteres Verhalten von meiner Seite voraussetzen und gegen so eine Unterstellung würde ich mich entschieden verwehren.
+ + 90minuten.at Exklusiv + + Von Georg Sander und Michael Fiala
Wer in Österreich wissen will, wie viel Steuergeld wohin fließt, scheitert oft an einem intransparenten System. Das ist fast überall so, also war es auch im konkreten Fall hier keine Überraschung. Die heimischen Profiklubs legen zwar freiwillig einmal im Jahr die wichtigsten Zahlen ihrer Bilanz offen, so detailliert wie sie das eben wollen. Im Fall des für den Fußballs überlebenswichtigen Hilfsfonds der Bundesliga geht es allerdings um Steuergelder. Wie viel die Klubs aus diesem Fonds konkret schöpfen konnten, war bisher ein Geheimnis.
Geleakte Infos statt Transparenz
Öffentliche Gelder nehmen und diese nicht klar offen zu legen, ist intransparent. So verhielt es sich bislang mit dem Sportligenfonds, eine schiefe Optik war die Folge. Es war daher Medien wie Profil (>> siehe hier) oder eben 90minuten.at bzw. sportsbusiness.at (>> siehe hier) vorbehalten, um ein wenig Licht ins Förderdunkel zu bringen. Denn eines ist klar: Wenn mehr als zwei dutzend Klubs Förderungen erhalten, werden diese Informationen früher oder später über Umwege auch an die Öffentlichkeit dringen. Die Zahlen wurden geleaked, investigative Medien haben sich dem Thema angenommen.
Recherche dreht sich im Kreis
90minuten.at wollte es aber genau wissen und ging der Frage nach, warum die Steuerzahlungen nicht öffentlich bestätigt bzw. bekanntgegeben werden. Die Folge: Die Redaktion wurde auf der Suche nach Antworten wochenlang im Kreis geschickt. Doch der Reihe nach:
Ende Dezember 2020 erklärte das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) auf Anfrage von 90minuten.at: „Wie schon mehrfach kommuniziert, ist es dem BMKÖS aus datenschutzrechtlichen Gründen und wegen betrieblicher Geheimhaltungsinteressen der Vereine nicht möglich, diese Daten zu veröffentlichen. Die Daten werden aber verordnungskonform in der Transparenzdatenbank aufgelistet.“ Das Bundesministerium hält zudem fest: „Sollten die Vereine die Daten selbst publizieren oder die Bundesliga dazu ermächtigen, dies zu tun, spricht aus Sicht des BMKÖS jedoch nichts dagegen.“
Das Sportministerium spielte also den Ball an die Bundesliga bzw. deren Vereine zurück.
Deren Interessensvertretung, die Bundesliga in Person von Vorstandsvorsitzenden Christian Ebenbauer, hielt gegenüber 'Sky' im Audiobeweis im Jänner bereits fest: „Es ist so: Die Bundes-Sport GmbH ist der Fördergeber für den Bund. Sie hat einen Vertrag mit der Bundesliga als Gesamtorganisation, die Bundesliga hat Spiegelverträge mit den einzelnen Fördernehmern und ist das Zwischenglied. Warum wir die Beträge nicht veröffentlichen liegt rein am Vertrag. Da ist festgehalten, dass wir es nicht dürfen. Wir dürfen die Gesamtsumme sagen, aber nicht die Einzelsummen. Deswegen empfehlen wir den Klubs, die Einzelsummen nicht zu sagen, dafür gibt es die Transparenzdatenbank. Von unserer Seite gibt es kein Verheimlichen, wenn das möglich wäre, würden wir es machen.“
Fazit der Liga: Laut dem Fördervertrag dürfen die einzelnen Beträge der Klub-Förderungen nicht veröffentlicht werden.
Also fragte 90minuten.at bei der Bundes-Sport GmbH nach, die diese Förderungen abwickelt und die Verträge mit der Liga aufsetzt. Dass die Bundesliga im Rahmen der Förderverträge mit der BSG zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, bestätigte BSG-Geschäftsführer Clemens Trimmel am 11. Februar gegenüber 90minuten.at. Der Grund für die Verschwiegenheitsklausel sei eine Vorgabe durch das Ministerium.
Gordische Knoten ist perfekt
Damit war der gordische Knoten perfekt: Das Ministerium verweist bezüglich Transparenz auf die Vereine bzw. die Bundesliga. Die Bundesliga bzw. die Klubs dürfen aber laut Fördervertrag die Summen nicht nennen und verweist seinerseits auf den Fördergeber Bundessport GmbH. Und der Bundessport GmbH sind die Hände gebunden, weil sie nur das ausführt, was man ihr anschafft. Es mutete alles sehr österreichisch an.
Kehrtwende nach weiterer Recherche
Doch 90minuten.at ließ nicht locker und fragte vergangene Woche bei Bundesliga, Ministerium und BSG noch einmal nach. Das Ministerium meinte auf die neuerliche Anfrage: "Die BSG ist gegenüber dem BMKÖS und den Ligen verpflichtet, gegenüber Dritten Stillschweigen zu bewahren. Die Ligen wiederum haben Verträge mit den Vereinen, die weder dem BMKÖS noch der BSG vorliegen. Ich vermute aber, dass sich die Ligen in diesen Verträgen verpflichtet haben, gegenüber Dritten Stillschweigen zu bewahren. Was, wie bereits ausgeführt, dazu führt, dass die Vereine ihrerseits jederzeit die Zahlen nennen können."
Parallel dazu meldete sich BSG-Geschäftsführer Clemens Trimmel am Donnerstag, 18. Februar, per Mail zu Wort und überraschte, wonach es "nach neuerlicher Durchsicht des Vertrages und nach Rücksprache mit der Abteilung Finanzen Recht- und Kontrolle zur Sicherheit" doch keine Verschwiegenheitsklausel gebe: "Die BSG hat sich zum Stillschweigen (Dienstgeheimnis) im Abwicklungsvertrag mit dem Auftraggeber (Ministerium) verpflichtet. Die BSG hat weder die Liga noch ihre sportlich tätigen Mitglieder zum Stillschweigen über die Höhe der Förderauszahlungen verpflichtet. Im Übrigen besteht zwischen der BSG und den sportlich tätigen Mitgliedern kein direktes Vertragsverhältnis." Diese Aussage überraschte insofern, weil sie im Gegensatz zu jener Aussage steht, die noch eine Woche zuvor getätigt wurde.
Also können die Vereine die Summen nun doch nennen und löst sich der gordische Knoten auf?
Ebenbauer widersprach erneut und verwies abermals auf den Rahmenvertrag der Liga mit der BSG, der eine Stillschweige-Klausel beinhalte - wie in der Recherche zuvor von Seiten der BSG in der Woche zuvor auch bestätigt wurde.
Lästige Recherche - neue Transparenz?
Die erneute Nachfrage-Runde von 90minuten.at führte dann offenbar zu einem Umdenken - und schlussendlich konnte der Knoten so auch aufgelöst werden:
Am Montag kam schließlich die Bestätigung durch die Bundesliga: "Nach unseren Informationen waren die individuellen Klub-Beträge nicht in der Transparenzdatenbank einsehbar, weshalb Veröffentlichungen der Klubzahlen gemäß dem Vertrag der BL mit der BSG und den wortgleichen Verträgen zwischen der BL und den antragstellenden Klubs nicht erlaubt waren." So weit, so bekannt. Das wird sich nun aber ändern: "Nun haben wir die formale Bestätigung erhalten, dass dies zukünftig möglich sein wird und diese Zahlen damit nicht der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht der Klubs unterliegen." Über diesen Umstand wird Ebenbauer die Vereine am (heutigen) Dienstag in einer Klubkonferenz informieren. Dann obliegt somit künftig den Klubs, die Zahlen bekannt zu geben sowie der Bundesliga, wenn ein Klub das schriftliche Einverständnis gibt.
Die zuständigen Stellen haben sich also nach der 90minuten.at-Recherchen zu einem Umdenken bewegt. Damit bewahrheitet sich das, was Christian Ebenbauer bereits im Sky-Audiobeweis im Jänner sagte: „Wir wissen, dass im Fußball grundsätzlich immer alles rauskommt."
Ausgangspunkt: Die Mauer des Schweigens
Ausgangspunkt der 90minuten.at-Spurensuche nach der Höhe der ausgezahlten Förderungen waren die Empfänger. Es wurden alle elf Vereine – Red Bull Salzburg verzichtete freiwillig auf Corona-Hilfen – kontaktiert, nicht alle antworteten.
Die Admira etwa ließ etwa ausrichten: „Wir wollen zu dem Thema keine Stellungnahme abgeben.“ Der zweite niederösterreichische Verein, der SKN St. Pölten, meinte ebenfalls, dass man „bezüglich Förderungen keine Stellungnahme abgeben“ werde, bzw. „wird es auch seitens Andreas Blumauer dazu keine Stellungnahme geben“, man bittet um Verständnis. Die SV Ried hielt fest, dass man „froh“ sei, dass es die Förderungen gebe, aber will ebenfalls zu verstehen geben, „dass wir hierzu keine Details veröffentlichen.“ Erick Korherr, Obmann und Geschäftsführer des TSV Hartberg, erklärte: „Wichtig ist, dass es diesen Fördertopf für alle Profivereine gibt. Denn dieser Rettungsschirm ist für alle Klubs überlebensnotwendig. Dieses Instrument soll so lange aufrecht bleiben, bis wieder Normalbetrieb herrscht und Zuschauer zugelassen werden. Wir sind jedenfalls dankbar, dass Fußball gespielt werden darf und hoffen auf die baldige Rückkehr der Fans.“ Der SCR Altach ließ auf Anfrage von 90minuten.at wissen: „Die erhaltene Förder-Summe entspricht dem von uns beantragten Betrag. Die medial angeführten Summen werden von uns aber weder bestätigt noch dementiert.“
Bröckelnde Mauer?
Der finanziell schwer gebeutelte Traditionsverein Austria Wien nahm sich durchaus Zeit für die Beantwortung, die eingereichten Summen wurden erhalten, aber nicht bestätigt: „Nach intensiver Abklärung bzw. Präzisierung einiger Themen, insbesonder im Bereich Sponsoring, ist präzisiert, welche Schäden ersetzt werden und welche nicht – das haben wir zur Kenntnis zu nehmen und die daraus resultierende Abrechnung entspricht dann den Erwartungen! Jedenfalls erwähnen möchten wir, dass die Verlängerung dieses Hilfsfonds bis zumindest zum Saisonende 20/21 durch die mehrfach verlängerten Einschränkungen (deren Ende auch noch nicht wirklich absehbar sind) notwendig bzw. für den gesamten Fußball eigentlich sogar überlebensnotwendig sind.“
Die WSG Tirol, die nur an Phase 2 teilgenommen hatte, erklärte: „Ja die Summe hat unseren Erwartungen weitestgehend entsprochen.“ Eine Bestätigung ist das ebenfalls nicht. Doch nicht überall regiert der typisch österreichische Intransparenzmaulkorb. Der LASK lässt offiziell wissen: „Die Förderung entspricht den beantragten Summen.“ Die Athletiker halten aber auch fest, dass mehr Offenheit gewünscht wäre: „Mehr Transparenz wäre aus Sicht des LASK sicherlich kein Fehler, denn auch Ihre Anfrage zeigt, dass hier Zweifel an der Vorgangsweise bestehen, obwohl sie eigentlich viel Lob verdient hätte.“ Rapid, Sturm und der WAC äußerten sich gegenüber 90minuten.at nicht zu den Förderungen. Hört man sich generell im Fußball-Umfeld um, so zeigt sich: Die eine oder andere Summe wird off record bestätigt - offizielle Zahlen waren aber bisher Fehlanzeige.
Kein Geheimnis ist im Übrigen, wie die Summen zustande kommen. Die durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer bestätigten Einnahmenausfälle im Bereich Ticketing (in den ersten beiden Quartalen nur Bundesliga-, jetzt auch Cupspiele), Gastronomie, Merchandising (in den ersten beiden Quartalen 50, jetzt 75 %) und Sponsoring minus ersparte Kosten minus andere Covid-Zuschüsse (z.B. Kurzarbeitsbeihilfe). Die vom Wirtschaftsprüfer bestätigten Zahlen werden von der Bundesliga auf formelle Richtigkeit überprüft und dann an die Bundes-Sport GmbH übermittelt, wo die sachlichen Begründungen und die Plausibilität überprüft werden. Danach folgte eine vertiefte Prüfung, schlussendlich Freigabe und Zahlung. Ins Leben gerufen hat den Fonds das Sportministerium, für das Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verantwortlich ist.
Intransparenz sorgte für Spekulationen
Die bisher gepflegte Intransparenz ließ natürlich auch Raum für Spekulationen offen. Etwa um die Person Werner Kuhn. Kuhn ist Direktor Business Development beim SK Rapid und gleichzeitig Aufsichtsrat-Chef der Bundes-Sport GmbH, die die Fördermittel vergibt. In dem einen oder anderen Medienbericht aus Oberösterreich wurde die Doppelfunktion von Kuhn bereits erwähnt, bekam der SK Rapid doch - vermutlich, man weiß es ja nicht offiziell - das meiste Geld aus dem Fonds. Dies ist rein nach den von außen zu beurteilenden Fakten und Förderkriterien auch erklärbar, weil die Hütteldorfer die meisten Fans vorweisen und speziell auch bei den Business-Seats und Logen derzeit wahrscheinlich mit Abstand das meiste Geld aller Klubs verlieren.
Kuhn erklärt dazu im Gespräch mit 90minuten.at: „Für die Vergabe, die Abwicklung und die Kontrolle von Förderungen für Sportverbände,- organisationen und -institutionen ist die Geschäftsführung der Bundes-Sport GmbH verantwortlich. Der Aufsichtsrat der Bundes-Sport GmbH hat eine Überwachungsfunktion und nimmt keinerlei Einfluss auf die operative Tätigkeit, daher auch nicht auf die Fördervergabe.“
Es sorgte vielerorts jedenfalls für Stirnrunzeln, wenn just der Verein, der am meisten Geld bekommt, just eine Person im Aufsichtsrat dabei hat. Diesen Vorwurf lässt Werner Kuhn nicht gelten, erklärt, dass er es nicht für nachvollziehbar hält „warum ich mein Amt ruhend stellen oder zurücklegen sollte. Im Übrigen würde eine Unvereinbarkeit ein gesetzwidriges und unlauteres Verhalten von meiner Seite voraussetzen und gegen so eine Unterstellung würde ich mich entschieden verwehren.“ Das bestätigt im Übrigen auch das Bundesministerium gegenüber 90minuten.at: „Er ist einzig für die Aufsicht der operativen Tätigkeit der Geschäftsführung bzw. der Kommissionen zuständig.“
Wird neue Transparenz nun auch gelebt?
Die 90minuten.at-Recherche hat erfreulicherweise dazu geführt, dass Österreich ein kleines Stück transparenter geworden ist. Das Ende einer vorerst langen (In)Transparenz-Geschichte ist aber damit noch nicht geschrieben: Der Ball, also die Möglichkeit die Fördersummen künftig zu nennen, liegt also nun endgültig bei der Liga und den Klubs. Ob diese nun von diesem Recht auch Gebrauch machen werden, werden die nächsten Tage zeigen. Die 90minuten.at Redaktion wird an diesem Thema jedenfalls dran bleiben.