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Für Österreich und das eigene Ego

Um 21:05 geht es für den FC Salzburg um den Einzug in das Europa League-Achtelfinale. Gegner Real Sociedad San Sebastian präsentierte sich als mächtiger Gegner, der zu Hause eigentlich auf Augenhöhe sein sollte.

Von Georg Sander

 

Real Sociedad erwies sich im Hinspiel vor einer Woche als die erwartbare harte Nuss. Die Basken konnten die glückliche Salzburger Führung per Einzelaktion und skurrilem Freistoßtor in einen Vorsprung verwandeln, ehe Stefan Lainer mit einer Energieleistung Takumi Minamino in letzter Minute zum Ausgleich bedienen konnte. So ergibt sich heute um 21:05 (live auf Sky/Puls 4) eine interessante Ausgangssituation. Denn aufgrund des relativ hohen Remis genügt Red Bull Salzburg neben einem wie auch immer gearteten Sieg auch die Ergebnisse 0:0 und 1:1. "Die Ausgangsposition ist sehr ordentlich. Wir haben im Hinspiel ein 2:2 erreicht und können jetzt zu Hause alles in die für uns richtige Richtung lenken", sagt Trainer Marco Rose. "Gerade zu Hause haben wir schon viele tolle Spiele gezeigt", ergänzt Reinhold Yabo. 90minuten.at wagt eine Vorschau auf das möglicherweise wichtigste Duell eines heimischen Klubs in dieser Saison.

 

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Personalsituation: Nach vorne mehr Möglichkeiten, hinten Ungewohntes

Die vielleicht schlechte Nachricht vorne weg: Andre Ramalho und Jerome Onguene werden das Innenverteidiger-Duo bilden. Die beiden spielten das noch nie in einem Bewerbsspiel. Ramalho ist zwar mit seiner Routine und seiner Unberechenbarkeit im Spielaufbau ein Asset und Onguene wurde mit der U19 Frankreichs Europameister, aber es ist eben eine neue Situation. Umgekehrt war Duje Caleta-Car am 1:1 in San Sebastian nicht unbeteiligt und Onguene könnte vor allem bei Offensivstandards mit seinem wuchtigen Körper für Gefahr sorgen. Verteidigerprobleme in großen Spielen sind für Salzburg allerdings nichts Neues. Beim ersten Ausscheiden gegen Malmö 2014 musste beispielsweise Ilsanker in der Innenverteidigung spielen, weil Hinteregger links aushelfen musste. Onguene hat sich aber auch bislang nichts zu Schulden kommen lassen.

Gute Nachrichten gibt es für die Offensive. Stefan Lainer war fraglich gewesen, er wird möglicherweise auflaufen können; seine Dauerläuferfähigkeiten erwiesen sich in Spanien schon als Goldes Wert, zudem ist er mit seiner Schusstechnik (siehe Spiel gegen Altach) auch immer für einen Weitschuss gut. Die wohl wichtigste Personalie ist aber Valon Berisha. Der sollte nach überstandener Hüftverletzung wieder spielen können. Der in Malmö geborene und in Norwegen aufgewachsene Teamspieler des Kosovo wirft 38 Europacupspiele in die Waagschale und kann in brenzligen Situationen - wie eben im Hinspiel nach dem Ausgleich - für entscheidende Momente sorgen. Berisha kurbelt, stachelt an, überspielt auch mal zwei, drei, vier Spieler, hat ein Auge für seine Sturmkollegen und traut sich auch einmal Weitschüsse zu. Mit seiner Erfahrung kann er im Mittelfeld ordnend wirken. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er den noch jungen Haidara ersetzt. Vorne ist auch Hannes Wolf wieder zurück, der mit dem Ball höhere Qualitäten hat als Xaver Schlager. 

La Real wiederum hat Personalprobleme. Trainer Eusebio Sacristan muss weiterhin auf den Einserstürmer Willian Jose sowie Rechtsverteidiger Carlos Martinez verzichten. Zudem verletzte sich Mittelfeldmotor Xabi Pietro im Duell mit Levante am Wochenende, auch Innenverteidiger Hector Moreno wird fehlen. Dass die Basken dennoch über eine unglaubliche Qualität verfügen, müsste aber dennoch jedem klar sein. 

Taktisch wohl keine Überraschungen

Gegner Real Sociedad wird wohl wieder auf ein 4-4-2 mit starkem Flügelfokus setzen. Das werden sie auch tun müssen, konnten die Bullen im Hinspiel die Angriffe der Basken doch sehr konsequent auf die Flügel lenken. Die beinahe unzähligen Flanken erwiesen sich weitgehend als ungefährlich, einmal knallte der Ball an die Latte, nach einem Eckball wehrte Walke den Ball schlecht ab und Lainer musste vor der Linie klären. Das ist ein probates Mittel. Die Mitte werden die Salzburger aber zumachen müssen, fiel doch über einen Angriff aus dem rechten Halbfeld der Hausherren das 1:1. Die Spanier versuchen zudem das Spiel ruhig und breit aufzubauen, um die Pressingmomente der Salzburger zu umgehen. Mit einer hohen Passgenauigkeit - im Hinspiel 91 Prozent! - konnte das giftige Spiel der Mozartstädter weitgehend ausgehebelt werden. 

Die Bullen kontrollierten den gegnerischen Ballbesitz weitgehend, ließen wenig definitives zu. Die zwei Gegentore laufen wohl unter der Rubrik "Hätten nicht sehr kompliziert verhindert werden können". Vermutlich wird sich auch im Heimspiel ein ähnliches Bild wie auswärts ergeben. Denn Salzburg wird wieder im sehr variablen 4-1-2-1-2 antreten, bei dem die Achter defensiv auf die Flügel ausweichen und die zentralen Mittelfeldspieler die Mitte dicht machen werden. San Sebastian wird also bis 40 Meter vor dem Tor den Ball haben und wird dann, teils aus Eigeninitiiative, teils wegen des Defensivspiels der Salzburger, auf die Flügel kommen. Die typischen Pressingsituationen werden eher schwierig zu kreieren sein, weswegen Kontern eine große Bedeutung zukommen wird.

Hier wird dann wohl Berishas Engagement schlagend werden. Denn die Basken haben Salzburg gut ausgeguckt, ließen wenig Überzahlsituationen zu. Vor allem Berisha aber versteht sich drauf, durch Dribblings Räume zu öffnen. Die brauchen die Stürmer, vor allem Munas Dabbur auch. Der war in Spanien eher abgemeldet. Ohne Berisha konnte auch Andi Ulmer seine gefährlichen Sturmläufe nicht bringen. Wenn nämlich die Pressingsituationen weitgehend unterbunden sind, dann bleiben wohl eher nur die Einzelaktionen übrig. Hier müssen die heutigen Hausherren auf Präzisionsarbeit setzen - denn egal, wer bei den Spaniern am Feld steht, sie werden auf das typische Spiel der Bullen gut eingestellt sein.

 

Nach dem Spiel wird keiner fragen

Eine Schande wäre das Ausscheiden gegen einen La Liga-Klub keinesfalls, die Mittel des FC Salzburg sollten aber genügen, um die Spanier aus dem Bewerb zu werfen. Wenn die Salzburger konzentriert gemeinschaftlich verteidigen, sind sie schwer zu bespielen. Mit dem schnellen Umschaltspiel können wohl die meisten Mannschaften vor Probleme gestellt werden. Die Präzision beim Offensivspiel stimmte in den letzten Wochen vor und nach der Winterpause aber nicht immer. Im KO-Spiel gilt jedoch: Weiter ist weiter und sollte die Hürde Real Sociedad genommen werden, wird beim ersten europäischen Achtelfinale seit 2013/14 niemand fragen, wie man dorthin kam. 

Am Ende darf noch dran erinnert werden, dass Marco Rose seit seinem Amtsantritt im Sommer erst ein Spiel verloren hat, gegen Sturm Graz am 6. Spieltag Ende August. In Europa konnten nicht einmal Klubs wie der türkische Cupsieger Konyaspor oder das berühmte Olympique Marseille Salzburg besiegen. Und aller Wahrscheinlichkeit nach reicht ja auch ein Remis für's weiterkommen. Es wäre ein schönes Zeichen für den heimischen Fußball, ins Achtelfinale zu kommen, denn auch wenn Real Sociedad einen ganz anderen Fußball als die anderen Bundesligaklubs spielt, ist die Liga eben das tägliche Brot. Dort wird Salzburg eben Woche für Woche vor interessante Aufgaben gestellt, die die Bullen europafit machen.

 

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