Lassaad Chabbi: "Man muss Trainer, Psychologe und Vater sein"
Er strahlt eine Seriosität aus, die eigentlich so gar nicht mehr in die heutige Fußballwelt passt. Wäre der Titel "Sir" nicht schon für Karl Daxbacher reserviert, dann könnte man ihn Lassaad Chabbi verleihen. Das unterstreicht das Gespräch mit dem SV Ried-Trainer.
Aus Wien berichtet Georg Sander
Der Mensch solle im Vordergrund stehen, sagte Lassaad Chabbi neben Roman Mählich stehend bei der Pressekonferenz zum Rückrundenauftakt der SkyGo Erste Liga. Angesichts einer guten Hinserie kann er das freilich sagen, die Rieder gehen als Tabellenführer in die letzten 16 Spiele der Zehnerliga in der zweiten Leistungsstufe. Ihm nimmt man es aber ab. Er meint das ernst. So wie die Arbeit als Ried-Coach. Er übernahm sie im Abstiegskampf und konnte, kleinere Startschwierigkeiten im Sommer ausgenommen. Während frühere Absteiger wie Mattersburg oder Wacker Innsbruck gar gleich noch einmal abzusteigen drohten, etablierten sich die Innviertler schnell. Chabbis System funktioniert.
Die Wikinger haben mit Abstand die meisten Tore geschossen und sind schwer auszurechnen. Sie haben die meisten Treffer nach Flanken erzielt, die zweitmeisten von außerhalb des Strafraums. Die Neuzugänge und die Rückkehrer nach Verletzungspausen dürften den Konkurrenzkampf anheizen und überhaupt spricht angesichts von zweieinhalb Aufstiegsplätzen sowie einem Vorsprung punkto Infrastruktur und Akademie wenig gegen eine umgehende Rückkehr in die Bundesliga sprechen. Im Interview mit 90minuten.at spricht er darüber, wie er sein Team stabilisierte, was er als Trainer so tut - und wie er die kommende 16er-Liga, vermutlich ohne Ried, beurteilt.
90minuten.at: Die letzten Absteiger aus der Bundesliga bekamen große Schwierigkeiten in der ersten Saison der Ersten Liga. Warum hatte Ried die nicht?
Lassaad Chabbi: Wir haben einfach gewusst, wie schwierig es werden würde. Der Verein kennt die Situation. Ich habe auch Spieler geholt, die ich vorher selber trainiert habe, die mein System und meinen Fußball kennen. Am Anfang war es schon schwierig, aber dann haben sie es kapiert und wir sind von Spiel zu Spiel besser geworden.
90minuten.at: Sie hatten ja das „Glück“, den Job in Ried schon vor dem Abstieg anzutreten. Was muss man umstellen, wenn man zuerst viel verliert?
Chabbi: Das ist eine mentale Sache. Wenn man den Spielern erklärt, dass sie gute Fußballer sind. Das sind Menschen, das darf man nicht vergessen. Es gibt viele Leute, die sagen, Fußballer hätten den schönsten Job der Welt. Es ist aber ein schwieriger Job. Jeder weiß, wie schnell es gehen kann. Man muss mit ihnen gut umgehen, nicht nur Trainer, sondern auch Psychologe und Vater sein. Ich bin kein Trainer, der in die Kabine kommt und böse schaut. Ich komme rein und versuche, locker mit ihnen zu sein. Wir wissen aber schon auch, dass wir auf dem Platz unsere Arbeit machen müssen. Wer das nicht macht, bekommt Probleme, das wissen alle.
90minuten.at: Haben Sie in der Winterpause auch neue Reize gesetzt, taktisch adaptiert?
Chabbi: Ich habe der Mannschaft erklärt, dass wir drei gute Fußballer bekommen haben: Constantin Reiner (Anm.: 20 Jahre, USK Anif), Philipp Prosenik und Flavio. Walch, Ziegl und Reifeltshammer sind wieder fit, damit ist die Konkurrenz groß. Aber es ist immer so, dass das positive Konkurrenz ist, die das Team stärker macht.
90minuten.at: Wie sehen Sie als langjähriger Trainer auch in der zweiten Liga, die neue 16er-Liga – auch wenn die SV Ried ja nichts damit zu tun haben will.
Chabbi: Ich habe da schon meine Meinung dazu! Es gibt aber immer verschiedene Meinungen. Der eine sagt, dass es gut ist, der andere nicht. Wir müssen zuerst die Mehrheit sehen und akzeptieren. Dann müssen wir schauen, was passiert. Man muss dem eine Chance geben. Wir sind in einem demokratischen Land, da hat die Mehrheit mehr zu sagen. Das gehört dazu. Vor zwei Jahren gab es beispielweise in Tunesien nach der Revolution ein Gesetz, da war die Mehrheit dafür, die Minderheit dagegen. Am Schluss war die Minderheit auch dafür, weil das Gesetz für alle wunderbar war.
90minuten.at: Man muss es sich also ansehen?
Chabbi: Genau. Man kann nicht immer grundlos nein sagen. Die Mehrheit hat Ja gesagt, jetzt müssen wir der zweiten Liga eine Chance geben.
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