Vertuschen oder Unkenntnis? Wie der ÖFB mit Fehlern im Schiedsrichterwesen umgeht [Exklusiv]

Das aberkannte Tor von Rapid gegen Klagenfurt zeigt ein weiteres Mal auf: Der ÖFB hat ein schwerwiegendes Problem damit, wie man öffentlich mit Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern umgeht.

++ 90minuten.at exklusiv von Michael Fiala ++

 

Groß war die Hoffnung, dass mit Einführung des Video Assistant Referee (VAR) die (meist negativen) Schlagzeilen rund um die österreichischen Schiedsrichter weniger werden. Jetzt, nach rund eineinhalb Jahren, kann man sagen: Das Gegenteil ist passiert.

Der VAR und die damit verbundene, nicht bestechliche Technik zeigt die Missstände noch deutlicher auf. Konnten sich die Verantwortlichen des österreichischen Schiedsrichterwesens, für das der ÖFB und nicht die Bundesliga verantwortlich zeichnet, vor der Zeit des VAR im Fall der Fälle irgendwie herausreden, weil eben beispielsweise Abseitslinien damals noch nicht kalibriert waren, oder ein und die selbe Szene live am Spielfeld und während der Übertragung noch nicht minutenlang seziert wurde, ist dies nun nicht mehr möglich. Der VAR bringt deutlich mehr Transparenz in die Entscheidungen der Schiedsrichter. Und das zum Leidwesen der Fans, Vereinsfunktionäre, Bundesliga-Verantwortlichen und immer mehr Schiedsrichtern selbst.

"Kritik an ihm (Anm. Robert Sedlacek) gibt es genug, doch die „Wurschtigkeit“, die der 67-jährige Präsident des Wiener Fußballverbands an den Tag legt, lässt diese wie an einer Teflonpfanne abfließen."

„Ist der Ruf erst ruiniert …“

An der Spitze des Schiedsrichterwesens steht seit mehr als 12 Jahren Robert Sedlacek. Kritik an ihm gibt es genug, doch die „Wurschtigkeit“, die der 67-jährige Präsident des Wiener Fußballverbands an den Tag legt, lässt diese wie an einer Teflonpfanne abfließen. Die Missstände unter Sedlacek sind seit Jahren auch dem ÖFB-Präsidium bekannt, passiert ist lange nichts. Erst in den vergangenen Wochen wurde auch intern der Druck auf den Schiri-Boss erhöht. Der Bundesliga reicht es jetzt – leider um Jahre zu spät.

Diese „Wurschtigkeit“ führt so weit, dass unter Sedlaceks Führung offenbar auch an anderen Positionen nicht nach besten Wissen und Gewissen gearbeitet wird. Frei nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“ wurden zuletzt Fehler, die rund um den VAR passiert sind, einfach negiert oder sogar wider besseres Wissen als richtig dargestellt. Speziell Konrad Plautz steht dabei als VAR-Chef im Fokus.

 

„… lebt es sich ganz ungeniert“

Der vorläufige Höhepunkt ist beim Spiel zwischen Rapid und Austria Klagenfurt in der 24. Runde passiert. In der 29. Minute wurde ein Tor von Patrick Greil aberkannt– und das gegen die aktuellen Schiedsrichter-Richtlinien (>> 90minuten.at berichtete).

Auf der eigens von ÖFB und Bundesliga eingerichteten Seite VAR Österreich (https://var-oesterreich.at/) wurde nun eine Begründung für diese Entscheidung nachgeliefert. In dieser heißt es: „Ein Angreifer von Rapid trifft den Ball nicht voll und lenkt diesen an seinen mitschwingenden, seitlich weggestreckten Arm. Von dort springt das Spielgerät zurück zu einem Mitspieler, der diesen ins Tor schießt. Der VAR überprüft nun gemäß Protokoll den Treffer und stellt fest, dass dieses Handspiel aufgrund des vom Körper weggestreckten Arms strafbar war. Deswegen empfiehlt der VAR dem Referee zur Begutachtung der Szene einen On-Field-Review. Der Schiedsrichter nimmt dabei das strafbare Handspiel wahr, erkennt den Treffer zu Recht ab und lässt das Spiel mit einem direkten Freistoß fortsetzen.“

 

Eigene Regelkunde vs. VAR-Begründung

Der ÖFB kommt also zu dem Schluss: Das Tor wurde zu Recht aberkannt. Diese Begründung hat nicht nur in der 90minuten.at-Redaktion und auf Nachfrage unter Regelexperten aus der Fußballszene für Verwunderung gesorgt, sondern auch unter den österreichischen Schiedsrichtern selbst.  

Denn diese müssen Woche für Woche einen Regelkunde-Test mit zehn Fragen absolvieren. Einige dieser Fragen drehen sich genau um die Thematik des „mitschwingenden Arms“. Und all diese Beispiele der ÖFB-Regelkunde kommen zum gleichen Ergebnis: Es liegt kein strafbares Handspiel vor, wenn der natürlich mitschwingende Arm vom Spieler selbst getroffen wird (siehe Beispiel). So wie auch im Fall von Oliver Strunz.

Screenshot Regelkunde ÖFB

Während also die eigenen Schiedsrichter in der internen Regelkunde gesagt bekommen, derartige Handspiele nicht zu ahnden, begründet der ÖFB in der Aussendung die Szene beim Spiel zwischen Rapid und Klagenfurt genau umgekehrt. Auch der Kurier hat >> dieses Thema aufgegriffen.

 

Vertuschen oder Unkenntnis?

Wie kann das sein? Schiri-Boss Robert Sedlacek kommt im Gespräch mit 90minuten.at in Erklärungsnot und meint: „Die Begründungen, die wir veröffentlichen und an Medien aussenden, werden von VAR-Chef Konrad Plautz formuliert.“ Eine inhaltliche Begründung gibt es zunächst nicht.

"Man muss die, die das anders sehen, belehren, dass sie falsch liegen."

Auf Nachfrage angesprochen auf die Beispiele der eigenen Regelkunde, die diese konkrete Situation diametral anders entscheiden würde, meint Sedlacek: „Es gibt immer wieder Situationen beim Handspiel, die man nicht miteinander vergleichen kann. Es kann nur eine offizielle Meinung nach außen geben, und diese Aussendung wird von ÖFB und Bundesliga gecheckt. Das ist unsere offizielle Meinung.“ Sedlacek verweist also unter anderem auf den ÖFB, wo er selbst als oberster Schiedsrichter die Verantwortung trägt.

Und wie soll man mit den eigenen Schiedsrichtern nun umgehen, die diese Situation anders sehen? „Man muss die, die das anders sehen, belehren, dass sie falsch liegen.“ Was also nicht passend ist, soll passend gemacht werden.

Schlussendlich liegt jedoch der Verdacht nahe, dass es einfach darum geht, >> Fehler unter den Teppich zu kehren. Vertuscht also der Verband seine eigenen Fehler oder liegt es an mangelnder Regelkenntnis? „Ich wiederhole mich: Man kann nicht jedes Handspiel miteinander vergleichen. In diesem Fall ist das die offizielle Meinung, die von Konrad Plautz so formuliert, und von ÖFB und Bundesliga gecheckt wurde.“

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