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Momentum am Montag: Stell dir vor, es gibt keine Cluster, aber die Fans werden ausgesperrt

Die österreichische Regierung zieht die Stellschrauben an. Statt 3.000 Fans sind ab dem kommenden Wochenende nur noch 1.500 erlaubt. Eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Bereichen, die eigentlich kein Mensch verstehen kann.

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Die heutige Regierungspressekonferenz bringt eine weitere nur schwer verständliche Beschränkung der Zuschauerzahlen und ist unser Momentum am Montag.

Am Montag-Vormittag veröffentlichte die Bundesregierung neue Maßnahmen. Aufgrund der steigenden Infektionszahlen gibt es mehrere Neuerungen, etwa das verpflichtende Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während des Stadionbesuchs, kein Essen und Trinken und eine neuerliche Beschränkung der Zuschauerzahlen: Nur noch 1.500. Das heißt: Red Bull Salzburg, Rapid und der WAC spielen ihre Europacup-Heimspiele in der Wochenmitte in beinahe durchgehend knapp 30.000 Menschen fassenden Spielstätten vor einem Zehntel der Kapazität, am Wochenende dann nur noch vor 1.500. Zwar gibt es keinen einzigen Cluster, der mit Tribünen in Verbindung gebracht werden kann, dennoch wird diese Verordnung gelten. 

 

Ernst nehmen, aber!

Das Virus ist sehr ernst zu nehmen, aber die Ansteckung an der frischen Luft ist mit einer relativ geringen Wahrscheinlichkeit verbunden. Die Wünsche der Bundesligisten, die Kapazität eines Stadions – wie etwa von der UEFA vorgeschlagen – nicht absolut, sondern mit Prozenten in Bezug zur Gesamtkapazität zu berechnen, ignoriert die Regierung schlichtweg. Erklärt wurde, dass bei exponentiellem Wachstum das Contact-Tracing schwieriger sei.

Es ist aber wohl davon auszugehen, dass ein Gutteil derer, die nun nicht in die Stadien können, die Spiele trotzdem sehen. Gemeinsam, in Pubs, Sportsbars, Wirtshäusern oder daheim. Die Wahrscheinlichkeit, sich im Freien anzustecken, ist viel geringer und Stadionbesucher müssen die Kontaktdaten hergeben. Logisch ist es nicht, dass die Fans nun statt zu - sagen wir - 10.000 im Allianz Stadion sein können, sondern sich auf dutzende Gaststätten und Wohnungen verteilen, wo gemeinsam in einem geschlossenen Raum geschaut wird. Eine Sache stößt wirklich sauer auf: Wie von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erklärt wurde, dürfen indoor, beispielsweise in der Oper oder bei den Erste Bank Open, bis zu 1.000 Menschen zugegen sein. Eine schwer verdauliche Ungleichbehandlung zwischen Indoor und Outdoor.

 

Nächster Schlag gegen den „Proletensport“

Die österreichische Staatsoper etwa hat ungefähr 1.700 Sitzplätze, das Burgtheater rund 1.200. Das heißt, dass die Corona-Kapazität in der sogenannten Hochkultur prozentuell viel höher ist, als etwa in Salzburg. Die Red Bull Arena fasst international knapp 30.000 Menschen, ab Freitag dürfen fünf Prozent belegt werden. Den Prozentsatz der belegten Plätze in der Staatsoper möchte man sich hier gar nicht erst ausrechnen, um nicht wütend zu werden.

Zu Verdeutlichung: Würden bei indoor-Kulturveranstaltungen ähnliche Maßnahmen wie etwa bei Rapid, dem WAC (in Klagenfurt) und Salzburg mit der Einfachheit halber und großzügig gerundeten 30.000er-Stadien gelten, dürften nur fünf Prozent oder umgereichnet 85 (!) Plätze belegt werden. Das Problem der absoluten Zahlen betrifft auch andere Sportarten, etwa Tennis: Die Wiener Stadthalle bietet deutlich über 10.000 Menschen Platz. Trotzdem gilt auch hier: 1.000 Personen als Grenze, neun von zehn Plätzen bleiben frei. 

 

Sinnlose Ungleichbehandlung die x-te

Logischerweise steigt die Anzahl mögicher Sozialkontakte bei einem Besuch 3.000, 5.000 oder 10.000 an, das will niemand in Abrede stellen. Fußball geschaut wird trotzdem, das ist so sicher wie das Amen im Gebet. Vielleicht werden nicht alle verhinderten Stadiongeher deshalb zuhause oder im Pub gemeinsam schauen, aber dafür eine unüberblickbare Anzahl an vielen verschiedenen Orten. Mit der neuerlichen Beschränkung verpasst die Regierung ein ums andere Mal, eine sinnvolle Regelung zu erlassen. Denn: Die Einnahmenausfälle für den Profisport in Millionenhöhe, der im Fall von Fußball immer im Freien gespielt wird, muss die Allgemeinheit berappen.

Und die offensichtliche Ungleichwertigkeit von Sport und Kultur kann zudem nur drei Dinge bedeuten: Entweder ist die Regierung punkto Sport schlichtweg ahnungslos, unfähig oder bösartig - oder alles drei zusammen.

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