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Momentum am Montag: Bitte welche Privilegien?

Sportminister Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudi Anschober ließen wissen, der Fußball dürfe keine Privilegien haben. Weiteres Interesse aus Arbeits-, Wirtschafts- und Finanzministerium scheint es nicht zu geben. Doch welche Privilegien hat der Fußball überhaupt?

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„Ähnlich wie in Deutschland wird es keine Privilegien geben, sondern steht der Gesundheitsschutz auch in Österreich auch beim Fußball im Mittelpunkt“, dieser Satz von Gesundheitsminister Rudi Anschober, wiederholt von Sportminister Werner Kogler, ist unser Momentum am Montag.

Fußball und der Sport generell sind ja Wirtschaftsfaktoren. Zehntausende Jobs, hunderte Millionen Wertschöpfung, Werbung für das Land im Ausland, hohe Beiträge an Krankenkassen und das Finanzministerium. Braucht die Welt Profisport oder gar das, was daraus geworden ist? Eine ganz andere Frage. Mit derselben Berechtigung könnte man in Zweifel ziehen, ob es etwa Blumenläden braucht. Oder Baumärkte. Weil am Ende ist es doch wurscht, welche Pflanze am Balkon steht und wie die Hecke aussieht, oder?

 

Welche Priviliegien hat der Fußball überhaupt?

Fußball ist ein Freizeitdienstleister, Veranstaltungsbranche. Im Gegensatz zu beispielsweise Musikkonzerten funktioniert die Monetarisierung des Betriebs durch TV-Partner und entsprechende Werbeverträge für eine Zeit auch ohne Publikum. Hier gibt es ein Privileg: Fußball hat sich spätestens in den letzten 30 Jahren zu einem weltumspannenden Phänomen entwickelt, die Bundesliga als Flaggschiff bekommt mehr Geld von Sky für die TV-Übertragung als etwa die an Zuschauern (in absoluten Zahlen) in etwa gleich starke höchste Eishockeyliga. Das ist vielleicht unfair, aber dafür können Rapid, Salzburg und Co. nichts.

 

Auf eigene Rechnung

Vor allem sieht das Konzept ja eine engmaschige Testung vor. Das Konzept scheint gut ausgereift, der Vergleich mit Deutschland tut dem Beobachter weh. Den Fußballmanagertyp „Stammtischgeblöcke aus den 1950er-Jahren“, wie es ihn in Deutschland zuweilen noch gibt, gibt es hierzulande kaum noch, zumindest nicht in der Bundesliga. Knackig darf es sein, aber Aussagen wie etwa aus dem Ruhrpott gibt es nicht. Und so sagt es auch Salzburg-Geschäftsführer Stephan Reiter im 90minuten.at-Interview vom Wochenende ganz richtig (>> Stephan Reiter: „Das wäre das Ende vieler Klubs und Sportarten“): „Wir haben aktuell weniger als 2.000 Infektionen, irgendwann müssen wir damit lernen, umzugehen und eine Perspektive für den Mannschaftssport schaffen. Der Fußball könnte als Wegbereiter für viele andere Mannschaftssportarten in Zeiten von Covid19 dienen.“ Der Deutschland-Vergleich ist im besten Fall hinkend, eher populistisch und im Grunde die Realität verkennend und somit schlichtweg dumm.

 

Populismus statt Perspektive

Und wie stellen sich die Herren Sport- und Gesundheitsminister das sportliche Leben, bis es eine Impfung gibt, vor? Oder weiters auch: Die VP-Ministerien, die für Arbeit, Wirtschaft und Finanzen zuständig sind. Soll die Allgemeinheit jetzt Kicker fürs Nicht-Kicken bezahlen? Wären Wirtschaftshilfen nicht besser bei Klein- und Mittelbetrieben aufgehoben, als wegen angeblicher „Privilegien“ einen Wirtschaftszweig mit Millionen-Wertschöpfung kaputt zu schlagen? Natürlich sind die Profis der Bundesliga überdurchschnittlich bezahlt, aber was ist mit den zehtnausenden Kids, die gerne Sport betreiben, die ihre Vorbilder sehen wollen. Da präsentiert die Bundesliga ein offensichtlich gutes Konzept, das vielleicht bei in Zukunft billigeren Tests eine Benchmark für weniger gut betuchte Profisportarten und den Breitensport sein kann und was machen die zuständigen Minister? Privilegien erfinden, wo es keine gibt, Populismus statt Perspektive – für die Bundesliga, aber auch für alle anderen Mannschaftssportarten.

Um das Beispiel vom Anfang aufzugreifen: Keiner braucht Fußball, zumindest nicht mehr als Blumenläden. Dass letztere nicht durchtesten müssen, erscheint da mehr ein Privileg als die Testungen in der Liga.

 

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