Valérien Ismaël: "Der LASK war mein Durchbruch" [Exklusiv-Interview]
Valérien Ismaël coachte den LASK auf Rang eins, dann kamen Corona, eine unrühmliche Trennung und das Traineramt bei Barnsley in England. 90minuten.at bat den Franzosen zum Exklusivinterview.
Hier gibt es Stürmertypen, die es in Österreich und Deutschland gar nicht gibt. Es gibt Innenverteidiger, die eher wie Türsteher aussehen, die extrem schwer zu bespielen sind.
Ich habe nach meinem Aus schnell gemerkt, dass das im Kontakt mit anderen Vereinen keine Rolle spielt. Ich denke, dass jeder das einordnen konnte, auch wenn man es am Ende anders darstellte.
+ + 90minuten.at Exklusiv + + Das Gespräch führte Georg Sander
Er hat derzeit nicht viel Zeit. Seit Valérien Ismaël Ende Oktober seim FC Barnsley angefangen hat, gibt es quasi durchgehend englische Wochen. Die Bilanz des Ex-LASK-Trainers kann sich sehen sehen lassen: 1,88 Punkte im Schnitt holt er aus der Mannschaft, mit der Gerhard Struber in letzter Sekunde den Klassenerhalt geschafft hatte, heraus. In Barnsley, unweit von Sheffield und Leeds gelegen, läuft es also für ihn.
Die ehemalige Kohlestadt ist aber auch Arbeitgeber diverser ÖFB-Legionäre, unter anderem von dem von Rapid geliehenen Marcel Ritzmaier. Im 90minuten.at-Exklusivinterview spricht Ismaël über die Legionäre, die Unterschiede zwischen den Ländern, in denen er als Trainer gearbeitet hat sowie den LASK und die Zukunft des österreichischen Fußballs.
90minuten.at: Herr Ismaël! Sie sind seit Oktober bei Barnsley in der Championship engagiert. Wie läuft es?
Valérien Ismaël: Es läuft gut, ich bin schnell angekommen und musste das auch. Der Spielplan ist ein Wahnsinn, wir haben alle drei Tage Spiele, monatelang. Es hat aber gut funktioniert, vom ersten Tag weg. Der Verein, die Mannschaft, die Mitarbeiter und der Staff haben mich gut aufgenommen. Wir haben durch positive Ergebnisse sehr schnell eine gute Grundstimmung hergestellt. Wir konnten unsere Performance durch Ergebnisse bestägigen. Im Dezember haben wir von acht Spielen sechs gewonnen, drei davon waren Derbies. 2020 war gut. Jetzt machen wir weiter, wo wir aufgehört haben. Es ist eine spannende und vielseitige Liga, wir sind im Rhythmus und auf 2021 vorberietet.
90minuten.at: Wie sehr konnten Sie auf die Arbeit von ihrem quasi-Vorgänger Gerhard Struber aufbauen?
Ismaël: Es war eine komplett andere Situation als beim LASK. Ich habe keine so erfolgreiche Basis vorgefunden, auf die ich aufbauen konnte. Die Mannschaft hatte sich zwar bravourös gerettet, aber sie haben davor viel verloren. Ich habe das Spielsystem geändert, ein neues, selbstbewussteres Mindset reingebracht und dementsprechend haben wir sofort positive Ergebnisse bekommen. Die Spieler haben an sich geglaubt, das hat geholfen.
(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)
Das Interview als Podcast:
90minuten.at: Wie geht es den ÖFB-Legionären beim Klub?
Ismaël: Es ist eine extrem schwierige Liga, komplett anders als die Bundesliga. Für die Verteidiger ist es eventuell leichter als für die Stürmer. Dominik Frieser, den ich vom LASK kenne, weiß, was ich an ihm habe, er tut sich aber schwer, die Liga ist sehr physisch. Es sind andere Innenverteidiger als in Deutschland oder Österreich. Er entwickelt sich von Spiel zu Spiel. Patrick Schmidt hat mehr Probleme, sich anzupassen. Er hat zwar seine Qualität, die er schon bewiesen hat, diese Saison wird es aber trotzdem schwierig für ihn.
90minuten.at: Sie waren noch nicht beim Verein, aber was haben Sie mit Marcel Ritzmaier vor, der gegenwärtig an Rapid verliehen ist?
Ismaël: Ich habe keine Zeit, mich um andere Ligen zu kümmern. Unser Spielplan ist so eng, vor dem Spiel ist nach dem Spiel, dann kommen noch Training, Analyse und so weiter. Es ist extrem schwierig, einen Überblick zu haben. Ich verfolge nur England. Alles andere werden wir sehen. Ich kenne ihn nicht, er wurde von meinem Vorgänger geholt. Er spielt seine Saison, wir unsere und dann werden wir weiter sehen.
90minuten.at: Sprechen wir über Barnsley. Welche Ziele gibt es in dieser Saison, nachdem sie einen Abstiegskandidaten übernommen haben, liegt der Klub aktuell im Mittelfeld.
Ismaël: Die Zielsetzung des Vereins war, in der Liga zu bleiben. Unser Anspruch ist es, den Klassenerhalt so schnell wie möglich zu sichern. Das habe ich von Anfang an gesagt. Jetzt haben wir die ersten Schritte gemacht, nun kommen die nächsten. Wir nehmen es one-by-one. Die Intensität und die Qualität der Gegner ist so unterschiedlich, man kann keine Prognosen machen. Wir nehmen es an, wie es ist, geben immer alles.
90minuten.at: Als Spieler haben sie fast immer in der ersten Liga gespielt. Da gibt es unterschiedliche Ziele, etwa auch beim LASK: Meister, Champions League-Qualifikation, Europa League und so weiter. Ist das nun in der zweiten Liga anders?
Ismaël: Ich sehe das nicht so. Bei allem Respekt für die österreichische Liga, aber das hier hat eine andere Qualität. Norwich, Bournemouth, Swansea, Derby oder Watford sind Mannschaften, die locker in der Bundesliga mitspielen könnten. Man merkt die Intensität an jedem Spieltag. Sogar Salzburg würde sich schwer tun in der Championship. Alleine schon die Physis. Hier gibt es Stürmertypen, die es in Österreich und Deutschland gar nicht gibt. Es gibt Innenverteidiger, die eher wie Türsteher aussehen, die extrem schwer zu bespielen sind. Es herrscht eine unglaubliche Mentalität, alle geben alles, von der ersten bis zur letzten Minute. Auch wenn sie 0:2 oder 0:3 zurück liegen, geben sie bis zum Schluss Gas. Es ist in der Championship immer eng, das ist ein komplett anderer Anspruch. Ich bin dankbar, dass ich diese Erfahrung machen kann. Das ist eine deutliche Steigerung im Vergleich zu Österreich.
90minuten.at: Welche Unterschiede gibt es noch? Die Championship ist sehr physisch, wie sieht es im Vergleich zu Deutschland, Frankreich, Österreich aus?
Ismaël: Physis ist ein großer Faktor, die Mentalität ebenfalls und die Tradition auch. Egal bei welchem Klub man spielt, spürt man alleine bei der Infrastruktur die Qualität, die Qualität der Einzelspieler ist in der Championship auf höchstem Niveau, die Premier League ist noch einmal eine andere Welt. Da merkt man schon, welche Professionalität in allen Bereichen herrscht.
90minuten.at: Ändert die Corona-Situation etwas?
Ismaël: Man merkt schon einen Unterschied. Man weiß ganz genau, was man investieren kann und was nicht, das gilt weltweit. Es ist überschaubar, was sich am Transfermarkt tut. Es gibt eher Leihen mit Kaufoptionen. Die Vereine wollen Zeit gewinnen und schauen, ob sich die Lage bis Sommer entspannt. Man hofft auf die Impfung und dass es im Sommer wieder normaler ist. Wir haben schon Transfers getätigt, der Verein versucht trotzdem zu investieren, weiß, dass manche Spieler, die jetzt günstig sind, später teurer werden.
90minuten.at: Denken Sie, dass die Schere zwischen armen und reichen Klubs aufgehen wird?
Ismaël: Wenn ein Verein jetzt Mittel hat, trotz Krise zu investieren, wird er aus dem Transfermarkt mehr rausholen, weil die anderen in finanzielle Drucksituationen kommen, um Erlöse zu erzielen. Das ist klar.
90minuten.at: Ändert sich da auch das Trainergeschäft? Wird der Job spezifischer? Es gibt ja auch die Diskussion, ob ein Trainer Profi gewesen sein muss.
Ismaël: Diese Diskussion gab es schon vor ein paar Jahren. Jetzt wird drüber geredet, dann wieder weniger. Es ist Platz für jeden. Jeder kann sich beweisen, wichtig ist, dass jeder seinen eigenen Weg geht. Es ist ein extrem schwieriger Job, es gibt keine Garantie. Der Trainer soll den Fokus auf seinen Weg und seine Philosophie legen, der Rest ist in meinen Augen eine Mode.
90minuten.at: Wenn man sich Ihre Vita ansieht, welche Rolle hat das Jahr in Österreich beim LASK gespielt?
Ismaël: Es war ein gutes Jahr. Es war der Durchbruch in meiner Trainerkarriere. Die Misserfolge haben mir geholfen, diese richtige Entscheidung zu treffen. Zurückblickend war es eine gute Entscheidung, nach Österreich zu gehen. Alles, was wir auch in Europa geleistet haben, war alles sehr positiv, bis Corona kam. Für mich ist es wichtig, dass es auf diesem Niveau weiter geht. Das habe ich auch im Gespräch mit den Verantwortlichen in Barnsley gesagt. Es ist gut, dass ich zeigen kann, dass es auch in England funktioniert.
90minuten.at: Hatten Sie beim Abschied vom LASK befürchtet, dass sich die verbotenen Trainings und das Ende schlecht für Ihre Karriere sein könnten?
Ismaël: Ich habe nach meinem Aus schnell gemerkt, dass das im Kontakt mit anderen Vereinen keine Rolle spielt. Ich denke, dass jeder das einordnen konnte, auch wenn man es am Ende anders darstellte.
90minuten.at: Verfolgen Sie nun einen persönlichen Plan, wo es hingehen soll?
Ismaël: Heutzutage kann man keine großen Pläne machen. Ich bin bei Barnsley, wir sind auf Kurs und es geht darum, diese Arbeit zu Ende zu bringen. Es macht mich sehr glücklich, weil ich jeden Spieltag gefordert bin. Ich muss diese Herausforderung spüren. Es ist wie als ich beim LASK auf internationalem Level gespielt habe. Das wird jetzt schon heftig genug, da kann ich keine langfristige Zielsetzung für meine Karriere nennen.
90minuten.at: Wovon träumen Sie?
Ismaël: Ich habe schon lange aufgehört zu träumen. Es kann für einen Trainer so schnell gehen, da muss man sich auf die Realität fokussieren, an sich und seine Pholosophie glauben und die Ergebnisse erzielen. Darum geht es.
90minuten.at: Der österreichische Fußball entwickelt sich gut. Was halten Sie davon in der Champions League gegen ein österreichisches Team zu spielen?
Ismaël: Salzburg war der Anfang, durch Rapid, den LASK und auch Wolfsberg gibt der österreichische Fußball ein gutes Bild ab. Wir werden jedes Jahr mehr Teams sehen, die in die KO-Runde kommen. Das muss das Ziel sein und wir wissen, dass mit der Spielweise Österreich ein positiver Markt geworden ist. Daran müssen alle Verantwortlichen arbeiten und auf dem Weg bleiben. Ich würde mich freuen, wenn sich die Wege wieder kreuzen.