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Rassismus, Homophobie & Schmähungen: Diese Regeln gelten in Österreich

Spätestens seit vergangenem Wochenende ist das Thema Spielabbruch bei Vorkommnissen in den Fankurven auch in Österreich angekommen. 90minuten.at hat die aktuellen Regeln und zukünftige Pläne zu diesem Thema mit ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer erörtert und dabei erfahren, dass mit der kommenden Saison neue Regelungen zu dieser Thematik zu erwarten sind.

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Das Gespräch führte Michael Fiala

 

90minuten.at: In Deutschland gibt es aktuell eine breite Diskussion über den Abbruch bzw. Unterbrechung von Spielen bei Homophobie, Rassismus oder Schmähungen. Welche aktuelle Handhabe haben Schiedsrichter aktuell in der Tipico-Bundesliga und in der 2. Liga und den Ligen darunter?

Thomas Hollerer: In Österreich wird der 3-Stufen-Plan insbesondere bei rassistischen Vorfällen seit mehreren Jahren umgesetzt. Bei internationalen Spielen und in einigen nationalen Ligen kommt der 3-Stufen-Plan der UEFA seit Juli 2019 auch zur Anwendung, wenn der Spielleiter Fehlverhalten des Publikums mit diskriminierendem Hintergrund wahrnimmt. In jeder Situation entscheidet der Spieloffizielle, sei es auf Grund von klaren, offensichtlichen und schwerwiegenden Vorkommnissen am oder außerhalb des Spielfeldes, als Letztverantwortlicher, ob ein Spiel unterbrochen, weitergeführt oder abgebrochen wird. 

(Interview wird unterhalb fortgesetzt)

90minuten.at: Ist geplant, die aktuellen Regelungen diesbezüglich zu verschärfen? Wenn ja, welchen konkreten (Zeit-)Plan/Änderungsvorstellungen gibt es?

Thomas Hollerer: Es geht darum, Bewusstsein zu schaffen und zu informieren. Deswegen sind wir in Österreich seit Herbst dabei, die gewonnen Erfahrungen und Erkenntnisse aus der internationalen Praxis ZUR DISKRIMINIERUNG zu evaluieren. So gibt es insbesondere bei verbalen Vorfällen nicht nur Schwarz und Weiß und nicht jedes Transparent ist diskriminierend. Auch ist zu bedenken, dass die Schiedsrichter eine Vielzahl an Aufgaben haben und sich primär auf die Spielleitung konzentrieren müssen.

"Der 3-Stufen-Plan wurde in Österreich noch nicht vollumfänglich verpflichtend eingeführt. Man ist dabei, die internationalen Erfahrungen von Verbänden und Ligen, die das bereits getan haben, zu evaluieren." - Thomas Hollerer

90minuten.at: Wie geht es bei diesem Thema weiter?

Thomas Hollerer: Wir sind stolz darauf, dass der Fußball jeden Tag einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit, zur Integration und zum Zusammenhalt liefert. Leider kommt es bei Großveranstaltungen aber auch zu Vorfällen, von denen jeder einer zu viel ist. In Bezug auf den Fußball sind sich der ÖFB und die Bundesliga mit den Klubs ihrer Vorbildwirkung bewusst und unternehmen sämtliche Schritte, diese Verantwortung wahrzunehmen.

In erster Linie ist Präventivarbeit zu leisten, um Bewusstseinsbildung zu schaffen (zum Beispiel bei Homophobie: Workshops und Ombudsmann) und als letztes Mittel sind auch Repressionen möglich. So werden bei jedem Spiel der höchsten Spielklasse Spielbeobachter eingesetzt, die dokumentieren, ob es zu sanktionswürdigendem Verhalten durch Fans kommt. Wenn dies der Fall ist, werden beispielsweise deren Inhalt, Kontext und Intensität im Nachgang individuell thematisiert und je nach Beurteilung geeignete Maßnahmen ergriffen. Dies können sozialpräventive Maßnahmen sowie zielgerichtete Auflagen sein, die vergleichbare Vorfälle in der Zukunft bestmöglich verhindern sollen. In letzter Konsequenz können auch Sanktionen gegen Klubs und Stadionverbote gegen Einzelpersonen ausgesprochen werden.

 

90minuten.at: Haben Sie den Eindruck, dass der 3-Stufenplan in den vergangenen Jahren bei rassistisch, homophob oder anderen diskriminierenden Vorkommnissen immer zum Einsatz gekommen ist oder hätte dieser – im Nachhinein betrachtet – öfters zum Einsatz kommen sollen?

Thomas Hollerer: Der 3-Stufen-Plan wurde in Österreich noch nicht vollumfänglich verpflichtend eingeführt. Man ist dabei, die internationalen Erfahrungen von Verbänden und Ligen, die das bereits getan haben, zu evaluieren. Grundsätzlich ist jeder derartige Vorfall – im Fußball und darüber hinaus – einer zu viel. Wir bekennen uns uneingeschränkt zu den Werten Toleranz, Vielfalt und Offenheit. Grundsätzlich ist es für uns wichtig, gemeinsam mit allen am Fußball Beteiligten auf einer breiten Basis zu agieren und so nachhaltig Veränderungen herbeizuführen und nicht auf kurzfristigen Aktionismus zu setzen.

 

90minuten.at:Inwiefern werden die Schiedsrichter darauf sensibilisiert, dass Sie den Mut haben sollen, bei rassistischen Vorkommnissen die Partie zu unterbrechen bzw. den 3-Stufenplan in Gang zu setzen?

Thomas Hollerer: Im Zuge der aktuellen Geschehnisse in Deutschland ist man im Sinne einer Sensibilisierung an die Schiedsrichter herangetreten, bei Wahrnehmung von schwerwiegenden Vorfällen in Verbindung mit Rassismus den 3-Stufen-Plan zum Einsatz bringen zu können.

"So gibt es insbesondere bei verbalen Vorfällen nicht nur Schwarz und Weiß und nicht jedes Transparent ist diskriminierend. Auch ist zu bedenken, dass die Schiedsrichter eine Vielzahl an Aufgaben haben und sich primär auf die Spielleitung konzentrieren müssen." - Thomas Hollerer

90minuten.at:Wann wird es zu den vorher angesprochen Änderungen im regulären Spielbetrieb kommen?

Thomas Hollerer: Wie schon erwähnt, wird seit Herbst daran gearbeitet mit dem gemeinsamen Ziel, die Änderungen für die kommende Saison (2020/21) einzuführen.

Danke für das Gespräch!

 

Hintergrund-Info 3-Stufen-Plan

Der 3-Stufen-Plan lautet wie folgt:

1) Sofern ein Publikums-Fehlverhalten festgestellt wird, unterbricht der Schiedsrichter das Spiel und veranlasst eine Lautsprecherdurchsage.

2) Wird das Verhalten nicht eingestellt oder kommt es neuerlich zu einem derartigen Vorfall, unterbricht der Schiedsrichter das Spiel erneut und verlässt mit beiden Mannschaften für etwa 5-10 Minuten das Spielfeld.

3) Der Heimverein wird um eine neuerliche Lautsprecherdurchsage ersucht, wonach im Fall eines neuerlichen Vorfalls das Spiel abgebrochen wird.

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