Eigentlich hätte Frans Krätzig den Durchbruch in einer Top-5-Liga schon geschafft gehabt.
Der Bayern-Eigenbauspieler absolvierte das Frühjahr 2025 als Leihspieler beim 1.FC Heidenheim und half tatkräftig dabei mit, den FCH in der deutschen Bundesliga zu halten.
Mit seinem Profil - Linksverteidiger, jung, top-ausgebildet - wäre der 22-Jährige sicherlich auch im deutschen Oberhaus gefragt gewesen.
Den Zuschlag bekam schlussendlich aber der FC Red Bull Salzburg. Eine bewusste Karriere-Entscheidung Krätzigs, wie er im 90minuten-Interview verrät: "Ich möchte hier ein Zuhause finden."
Außerdem schildert er seine Entwicklung vom offensiven Mittelfeldspieler zum Verteidiger, spricht über das kritisierte Salzburger Teamgefüge und erklärt, sich durchaus vorstellen zu können, länger in der Mozartstadt zu bleiben:
90minuten: Du trittst in Salzburg als Linksverteidiger in riesige Fußstapfen. Mit Andreas Ulmer hat 15 Jahre lang eine absolute Vereinslegende auf dieser Position gespielt. Ist dir das bei deinem Wechsel bewusst gewesen?
Frans Krätzig: Ich glaube, das ist die Klublegende schlechthin. Ihn sollte man kennen, wenn man hierherkommt. Er war hier auf jeden Fall ein großer Name.
90minuten: Ich habe dich eingangs gleich als Linksverteidiger bezeichnet. Fühlt sich das für dich noch immer ein wenig ungewohnt an?
Krätzig: Nein, fühlt sich eigentlich ganz gut an. Ich bin froh, wenn jemand mal Linksverteidiger sagt und nicht: 'Der Frans weiß nicht, wo er spielt.' Deshalb finde ich es genau so richtig.
90miuten: Bis 2023 hast du ja nie als Linksverteidiger gespielt. Wie hat sich das damals ergeben?
Krätzig: Bei den FC Bayern Amateuren gab es zu dieser Zeit links hinten Probleme. Der damalige Trainer (Holger Seitz, Anm.) hat zu mir gesagt: 'Komm, wir probieren es mal.' Und seitdem hat es eigentlich ganz gut funktioniert, würde ich sagen. Ich bin sehr froh über diesen Wechsel.
90minuten: Spätestens seit der Asien-Tour des FC Bayern 2023 war dir wahrscheinlich klar, dass du Linksverteidiger bleiben wirst. Du hast damals durchaus für Furore gesorgt.
Krätzig: Ich glaube, dass der Linksverteidiger vorne auftaucht und ihn so in den Winkel schweißt, ist eher unüblich (lacht). Aber nicht nur das Tor, sondern auch die Leistungen davor haben imponiert und mir auch selber ein gutes Gefühl gegeben – und den Bayern offensichtlich auch.
Bei der "Singapore-Trophy" des FC Bayern im Sommer 2023 sorgte Krätzig mit einem Traumtor gegen den FC Liverpool für internationales Aufsehen (VIDEO):
streets will never forget your goal against liverpool krätzig pic.twitter.com/zzyHyPKBR9
— aish ✭ (@jmsialas) May 28, 2025
90minuten: Würdest du dieses Vorbereitungsturnier rückblickend als deinen Durchbruch als Profi bezeichnen?
Krätzig: Schon. Ohne das Turnier wäre es wahrscheinlich nicht so gekommen, wie es gekommen ist. Das war die erste Profiluft, die ich geschnuppert habe, die ersten Minuten mit professionellen Bedingungen.
90minuten: Im Frühjahr 2024 bist du zur Wiener Austria verliehen worden. Du hast dich damals positiv überrascht von der Qualität der österreichischen Bundesliga gezeigt. War das auch ein Mitgrund dafür, warum du jetzt nach Österreich zurückgekommen bist?
Krätzig: Der größte Grund, warum ich hier bin, ist schon der FC Red Bull Salzburg selbst. Die Liga insgesamt hat ihre Vor- und Nachteile. Ich bin hier, weil ich guten Fußball spielen kann und weil ich mich in jedem Gespräch sehr wohlgefühlt habe. Das war der ausschlaggebende Punkt, die Liga war zweitrangig in meiner Wahl. Aber sie ist ein gutes Add-on.

90minuten: Du hast danach noch beim VfB Stuttgart und beim 1. FC Heidenheim auf Leihe gespielt. Mit Salzburg hast du binnen eineinhalb Jahren fünf verschiedene Vereine in deiner Vita stehen. Du hast mal von dir gesagt, dass du eher ein Typ bist, der sich lieber bei einem Verein setteln würde. Bist du auch nach Salzburg gewechselt, um etwas Konstanz in dein Leben zu bekommen?
Krätzig: Das war ein Riesenpunkt für mich. Ich habe mich sofort hier reingefühlt und habe gesagt: 'Ich möchte hier ein Zuhause finden.' Das ist das, worauf ich mich mit am meisten gefreut habe: Endlich irgendwo anzukommen. Die letzten zwei Jahre habe ich eine Art Vagabunden-Leben geführt. Ich bin viel rumgekommen, habe natürlich viel erfahren und erlebt, aber ich freue mich jetzt auch auf ein längeres Zuhause.
Ich habe auch viel mit mir selbst diskutiert. Böse Zungen würden behaupten, ich gehe von einer besseren Liga in eine schlechtere.
90minuten: Hat es auch kritische Stimmen gegeben, die nicht verstanden haben, dass du nach einer vollen, sicher nicht schlechten Saison in der deutschen Bundesliga nach Österreich zurückgehst?
Krätzig: In der Fußballwelt wird viel geredet. Ich habe auch viel mit mir selbst diskutiert. Böse Zungen würden behaupten, ich gehe von einer besseren Liga in eine schlechtere. Aber es hat mehrere Gründe für diesen Wechsel gegeben. Erstens: Guter Klub, super Plattform, mega Bedingungen. Zweites: Zuhause finden. Und Drittens: Fußballerisch so weitermachen, wie ich aufgehört habe. Da kommt hier in Salzburg alles am besten zusammen. Deshalb bin ich hier.

90minuten: Nach deinem Wechsel stand gleich das Highlight FIFA Klub-WM an. War das ein Erlebnis, von dem du noch deinen Enkelkindern erzählen wirst?
Krätzig: Ich hoffe, es passiert noch ein bisschen was in meiner Karriere, damit das nicht das Erste ist, was ich meinen Enkelkindern erzähle (lacht). Aber es war schon ein tolles Erlebnis. Es hat gutgetan, die fußballerische Qualität, aber auch das Team kennenzulernen. Ob ich das in 50 Jahren genau so sagen würde, weiß ich nicht. Aber ich werde bestimmt erzählen, dass ich damals in den USA die allererste Klub-WM gespielt habe.
90minuten: Ihr habt in den USA gemeinschaftlich auch viele außerfußballerische Aktivitäten unternommen, um den Teamgeist zu stärken.
Krätzig: Es war wichtig, dass wir uns kennenlernen, vor allem für mich. Da hat mir die USA-Reise sehr geholfen, weil du sehr viel Zeit mit deinen Teamkollegen und auch mit dem Staff verbringen konntest. Es gehörte auch dazu, dass wir unter uns sind, mal auf dem Boot zusammen unterwegs sind oder bisschen in der Stadt bummeln, um uns besser kennenzulernen. Das hat Spaß gemacht.
In sportlicher Hinsicht haben wir souveräne Spiele gemacht. Wir hätten uns vielleicht ein bisschen mehr belohnen können, aber im Großen und Ganzen war es ein Erlebnis, auf das wir positiv zurückblicken können.
Die Salzburger unternahmen während der Klub-WM auch einige Teambuilding-Aktivitäten abseits des Felds (VIDEO):
90minuten: Du hast dich als 'sehr offener, sehr empathischer' Mensch vorgestellt. In Salzburg hatte man in der vergangenen Saison das Gefühl, dass nicht immer eine wirkliche Mannschaft auf dem Platz gestanden ist. Kann man sich von dir erwarten, dass du auch mal auf Spieler, die vom Naturell eher Einzelgänger sind, zugehst und sie aktiv in die Mannschaft einbaust?
Krätzig: Ich bin schon jemand, der auf Spieler zugeht, der versucht, ein harmonisches Gefüge zu bilden und jeden einzubringen. So bin ich von der Persönlichkeit her. Die ersten Wochen waren in dieser Hinsicht sehr positiv, wir haben ein sehr gutes Mannschaftsgefüge, verstehen uns alle sehr gut und haben Spaß am Kicken – ich glaube, das hat man auch gesehen.
90minuten: Fühlst du dich eigentlich als DFB-Pokal-Sieger? (Krätzig wurde 2024/25 offiziell DFB-Pokal-Sieger mit dem VfB Stuttgart, war zum Zeitpunkt des Titelgewinns aber nicht mehr beim Verein, Anm.)
Krätzig: (lacht) Das war eine große Diskussion in meinem Familien- und Freundes-Kreis - zu einem Drittel, weil ich zwei von sechs Spielen gemacht habe. Ich stand nicht am Ende auf dem Platz, habe nicht das Finale, nicht das Halbfinale und nicht das Viertelfinale gespielt, aber ich habe sicher dazu beigetragen. DFB-Pokal-Sieger nenne ich mich nicht. Ich würde lieber selbst nochmal einen wichtigen Pokal gewinnen und den dann auch wirklich in die Höhe strecken.
Man muss nicht lügen, man kommt auch hierher, um Titel zu gewinnen.
90minuten: Genau darauf hat meine Frage abgezielt: Wie groß bei dir der Hunger ist, eine Trophäe auch wirklich selber in die Höhe zu strecken? Am besten in Salzburg.
Krätzig: Man muss nicht lügen, man kommt auch hierher, um Titel zu gewinnen. Aber ich glaube, wir können aus den letzten zwei Jahren viel lernen. Es benötigt einen Mix aus guter Demut, aber auch absolutem Hunger. Wir brauchen uns keinesfalls verstecken, müssen aber auch sagen, dass die letzten zwei Jahre nicht die besten waren.
90minuten: Ihr habt sicherlich auch international große Ziele. Um diese zu verwirklichen, würde es nicht schaden, gegen Brann Bergen weiterzukommen. Was wird euch in Norwegen erwarten?
Champions-League-Qualifikation SK Brann - FC Salzburg, Mittwoch ab 19 Uhr im LIVE-Ticker >>>
Krätzig: Sie sind mittendrin, sind eingespielt, aber das Gute ist, dass wir auch eingespielt sind, weil wir die Klub-WM gespielt haben. Es fühlt sich wenig an wie Vorbereitung, muss ich sagen. Wir kommen nicht aus dem Kalten.
Uns erwartet ein spielstarker Gegner. Wir werden uns gut darauf vorbereiten, um uns eine gute Ausgangslage zu schaffen und anschließend zuhause zu gewinnen.
90minuten: Abschließend möchte ich noch zu deinen persönlichen Zielen kommen. Sportchef Rouven Schröder hat in den letzten Monaten vor allem nach Spielern gesucht, die sich zu Salzburg committen, und das im Idealfall über einen längeren Zeitraum. Könntest du dir vorstellen, mehr als ein, zwei Jahre in Österreich zu bleiben?
Krätzig: Ich kann mir alles vorstellen. Es wäre sehr krasse Zukunftsmusik zu sagen: 'Ich möchte mein Leben lang in Salzburg spielen.' Das wäre zwar nicht falsch, aber das wäre eine Aussage, die dir in ein paar Jahren um die Ohren fliegt. Ich habe bewusst für vier Jahre unterschrieben.
Man muss nicht lügen, der FC Red Bull Salzburg ist ein Booster für jede Karriere ist. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Vereinsphilosophie ist, junge Talente zu entwickeln und sie auf den nächsten Schritt weiterzubringen. Aber man kann sich auch vorstellen, hierzubleiben. Wenn man sich Leute wie Alex Schlager oder Stevie Lainer anschaut, die nochmal zurückkommen – das machen die ja auch nicht einfach so, sondern weil es ihnen gefallen hat.
90minuten: Karim Adeyemi hat es einst aus Salzburg in die deutsche Nationalmannschaft geschafft. Traust du dir das auch zu?
Krätzig: Ja, traue ich mir zu, weil ich groß und nicht klein träumen möchte. Das ist sicher ein großes Ziel von mir. Aber ich glaube, jeder gibt alles dafür, mal den deutschen Bundesadler auf der Brust zu tragen.
90minuten: Vielen Dank für das Gespräch!