Katharina Naschenweng: "Jetzige Phase mit den Verletzungen ist nicht schön"
Wie viel zu viele hatte sich Katharina Naschenweng das Kreuzband gerissen - leider gleich zweimal. Nun ist sie wieder fit und spricht vor den Nations-League-Spielen gegen Tschechien über Veränderungen im Frauenfußball - medizinisch und sportlich.
Die Kärntnerin spielt seit 2018 in Deutschland, bis 2023 für die TSG Hoffenheim, seitdem für den FC Bayern. Die langjährige Nationalteamspielerin und zweifache deutsche Meisterin musste sich in ihrer Karriere schon zweimal mit Kreuzbandrissen herumschlagen - einer Verletzung, die bei Profifußballerinnen häufig vorkommt.
Nun könnte Katharina Naschenweng dem A-Nationalteam gegen die Tschechinnen nach dem Comeback im Klub wieder zur Verfügung stehen. Es geht um den Verbleib in der Liga A der Nations League und auch darum, nach zwei knapp verpassten Großereignissen 2027 bei der WM in Brasilien zu spielen.
Im Interview spricht sie über ihre Verletzung, das, was sich hinsichtlich medizinischer Betreuung getan hat und was sich noch tun muss. Neben der "Natio" ist freilich auch die Entwicklung im Frauenfußball ein Thema. Vorneweg: Das "Frauen" würde sie lieber heute als morgen streichen.
90minuten: Wie geht es dir?
Katharina Naschenweng: Mittlerweile geht es mir wieder sehr gut, ich trainiere bereits seit Mai wieder. Der wieder sehr lange Reha-Prozess fand im Sommer statt und jetzt bin ich schon wieder voll zurück. Es hat mir sehr gut getan, dass die Vorbereitung lange war und mir auch die Zeit gegeben wurde, die es braucht. Somit konnte ich Sicherheit sammeln und habe aktuell wieder extrem Spaß am Kicken.
Man achtet mittlerweile auf viel mehr Dinge und trainiert sowohl zyklusorientierter, als auch viel individueller, wobei das natürlich nicht die einzigen Risikofaktoren sind. Du darfst auf deinen Körper hören.
90minuten: Es war bereits der zweite Kreuzbandriss nach 2018. So eine Verletzung ist immer schlecht, aber ist es "leichter", wenn es einem ein zweites Mal widerfährt?
Naschenweng: Die erste Verletzung war ein riesiger Schock. Irgendwann hast du es überstanden und hoffst natürlich, dass es nie wieder vorkommt. Nach einer so schwerwiegenden Verletzung machst du alles dafür – und wenn es dann doch noch einmal passiert, ist es natürlich wieder ein großer Rückschlag, egal ob es die erste oder zweite schwere Verletzung ist. Der Verlauf ist stets etwas anders, aber auf gewisse Prozesse ist man erfahrungsgemäß dann schon etwas gefasst. Aktuell bin ich einfach nur froh, dass ich wieder zurück bin und mein Fokus voll und ganz auf den nächsten Aufgaben liegt.
90minuten: Auch Torfrau Zinsberger erlitt diese Verletzung, wie viele Frauen im Fußball. Es gibt viele Faktoren, die dies bedingen. Wie man heutzutage weiß, handelt es sich dabei unter anderem auch um den Zyklus oder auch die Beckenstellung. Merkst du diese Entwicklungen in der Therapie der beiden Kreuzbandrisse bzw. der Prävention?
Naschenweng: Es hat sich auf jeden Fall etwas getan. Man achtet mittlerweile auf viel mehr Dinge und trainiert sowohl zyklusorientierter, als auch viel individueller, wobei das natürlich nicht die einzigen Risikofaktoren sind. Du darfst auf deinen Körper hören. Aber allgemein ist die Situation so, dass sich noch nicht genug getan hat.
Es gab in den letzten sechs Wochen gleich sechs Kreuzbandrisse in der deutschen Bundesliga. Das sind alles andere als gute Zahlen und man muss fragen, warum das passiert. Es gibt mit der Ligaaufstockung und der Nations League mehr Spiele auf höchstem Niveau und es fehlen wohl noch wissenschaftliche Untersuchungen, die herausfinden, wie Frauen zu hundert Prozent perfekt auf diese Masse an Spielen eingestellt werden. Es ist vieles sehr schnell passiert und einige Dinge hinken hinterher.
90minuten: Was meinst du damit konkret? Ging es zu schnell?
Naschenweng: Ich denke, die aktuellen Entwicklungen im Frauenfußball sind wichtig und gehen prinzipiell in eine richtige Richtung. Aber man muss einfach mehr darüber wissen, wie unterschiedlich Frauen auf diese hohe Belastung reagieren. Es fehlt schlichtweg die Erfahrung, mit dem Frauenfußball und hinsichtlich des weiblichen Körpers. Insofern ist die jetzige Phase mit den vielen schweren Verletzungen nicht schön und man muss schauen, dass sich wissenschaftlich und in der Trainingssteuerung mehr tut.
Aber nochmal: Der eingeschlagene Weg ist gut und wir sind alle megahappy, dass es in vielen Bereichen in diese Richtung geht und nicht nur das Spiel an sich attraktiver, sondern auch die Rahmenbedingungen professioneller werden.
90minuten: Bis zur gleichen Bezahlung wird es dennoch dauern, derzeit steht "Equal Play" im Vordergrund – also dass Frauen dieselben (infrastrukturellen) Bedingungen haben wie die Herren. Wie weit ist man hinsichtlich dessen?
Naschenweng: Ich denke, in der Google-Pixel Frauen-Bundesliga sind wir sehr nahe dran. Die Möglichkeiten, die wir haben, sind sehr gut; wir werden super gefördert und finden alles vor, was wir brauchen. Das sieht man auch bei Aufsteigern wie Union Berlin. Natürlich gibt es auch kleinere Vereine, die nicht dieselben Bedingungen haben wie jene Klubs, die dieselben Ressourcen nutzen können wie die Männer-Bundesligaklubs. Bei den Kleineren gibt es noch Arbeit. Es wäre wirklich super, wenn wir alle die gleichen Bedingungen haben würden.
90minuten: Im Frauenfußball tut sich generell viel, in Deutschland purzeln auch schon die Rekorde. Welche Unterschiede gibt es heutzutage im Vergleich zur Zeit, als du 2018 von Sturm nach Deutschland gegangen bist?
Naschenweng: Als ich nach Hoffenheim gewechselt bin, war das bereits ein gut aufgestellter Verein. Insgesamt haben sich viele leicht zu übersehende Dinge geändert. Mittlerweile haben alle Frauenteams einen eigenen Trainingsplatz. Sie können sich die Trainingszeiten frei einteilen, ohne auf andere (Männer-)Mannschaften im Verein Rücksicht nehmen zu müssen. Wie erwähnt können wir individueller und flexibler arbeiten. All das ergibt, dass wir auf einem hohen Niveau trainieren können.
In den letzten zwölf bis 24 Monaten hat sich die Ligaqualität noch einmal stark verändert. Es sind viele super ausgebildete junge Spielerinnen nachgekommen. Dafür braucht es aber auch Menschen, die daran glauben und den Frauenfußball entwickeln wollen. Da es diese auf vielen Ebenen gibt, ergibt das dann, dass die Liga konkurrenzfähiger geworden ist, die Spiele spannender werden und einfach nur Fußball gespielt wird.
90minuten: In Österreich kritisierte Ex-Teamchefin Irene Fuhrmann kurz vor ihrer Ablöse Dinge rund um den Staff, etwa die zu geringe Hauptberuflichkeit. Klaffen hierzulande Anspruch und Wirklichkeit auseinander? Hat sich bei der "Natio" etwas getan?
Naschenweng: In den Staff beim Herren-Nationalteam haben wir natürlich keinen Einblick. Was das Frauen-Nationalteam angeht, hat sich hier in vielen Bereichen etwas zum Positiven entwickelt. Durch die Rahmenbedingungen, die wir beim Frauen-Nationalteam haben, können wir auf professioneller Ebene arbeiten und sind daher mit den Möglichkeiten sehr zufrieden.
Auf unserem Niveau spielt es sich nicht, dass man als Favorit hinfährt und glaubt, dass es leicht geht.
90minuten: Machen wir mit dem Rückblick weiter. Das Nationalteam hat zwei Endrunden in Folge knapp und zum Teil unglücklich verpasst – so ist Fußball eben. Was habt ihr daraus mitnehmen können?
Naschenweng: Jede, die bei uns dabei ist, will zur Endrunde fahren. Wir haben uns also alle mehr erwartet. Jedoch hat die Leistung ehrlicherweise über längere Zeit nicht gestimmt, schon bevor wir gegen Polen gespielt haben. Damit will ich aber nicht sagen, dass das Verpassen der Endrunde in der Schweiz verdient war. Wir sehen ja, dass die anderen Nationalteams nicht stehen bleiben, weiter investieren und Gas geben. Wir können daraus dennoch viel mitnehmen:
Unser Kader ist im Vergleich sehr gut, die Spielerinnen haben viel Potenzial. Nun gilt es, das abzurufen und das Ziel, die Weltmeisterschaft in Brasilien 2027, zu erreichen. Dazwischen liegen jetzt Etappenziele wie diese Spiele gegen die Tschechinnen und da muss der volle Fokus drauf sein.
90minuten: Würdest du sagen, dass Österreich in diesem Spiel Favoritin ist? Wie sehr setzt einen das unter Druck?
Naschenweng: Auf unserem Niveau spielt es sich nicht, dass man als Favorit hinfährt und glaubt, dass es leicht geht. Jeder Gegner hat seine Stärken und die anderen wollen alle gegen uns gewinnen. Die Tschechinnen sind sehr unangenehm und mega aggressiv. Von den Namen her könnte man schon sagen, dass wir Favorit sind, aber das müssen wir dann auch auf den Platz bringen. Wir gehen aber in jedes Spiel mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und denken nicht, dass irgendwas einfach geht.
90minuten: Hilft das unter Alexander Schriebl performte aktivere Spiel für eine Nation wie Österreich, die nicht mehr klein ist, aber nicht zu den großen Nationen gehört?
Naschenweng: Auf jeden Fall. Er hat neuen Schwung ins Team gebracht und diese Spielweise tut uns sehr gut. Dieses System bringt die individuellen Stärken der Spielerinnen hervor. Ich denke, man spürt diesen Schwung auch. Dass nach so einem Wechsel bzw. einem Umbruch nicht alles gleich passt, ist auch wieder klar. Wir müssen bei uns bleiben, unsere Dinge umsetzen und dem eingeschlagenen Weg vertrauen.
90minuten: Schriebl übernahm euch nach einer Enttäuschung. Wie wurde diese aufgearbeitet?
Naschenweng: Du kannst sowas nicht einfach abhaken, sondern musst analysieren, was nicht gut war. Dann musst du es ausdiskutieren und daraus lernen. Es ist besser, genau hinzuschauen, damit das nie wieder passiert. Genauso lernt man auch aus Niederlagen.
90minuten: Werden wir dich gegen die Tschechinnen am Feld sehen?
Naschenweng: Schauen wir mal, das wird der Trainer entscheiden.
90minuten: Österreichs Herren werden um die WM spielen, im ausverkauften Happel-Stadion, ihr kickt im Horr-Stadion, es wird vermutlich nicht ausverkauft sein – in anderen Ländern kam die Initialzündung, dass auch Zehntausende zu Frauen-Teamspielen gehen. Was fehlt "bei uns" und kam der große Erfolg 2017 vielleicht schlichtweg zu früh?
Naschenweng: Ich denke nicht, dass dieser dritte Platz zu früh gekommen ist. Alle Schritte brauchen ihre Zeit und es kann schon sein, dass es in anderen Ländern schneller geht. Deutschland ist so gut wie immer bei Großereignissen dabei, wir waren zweimal bei der Europameisterschaft, 2017 erstmals. Hier ist alles ein bisschen später gestartet, aber ich bin der Hoffnung, dass es nach oben geht. Klar, vor so wenigen Fans zu spielen, ist megaenttäuschend.
Wenn wir bei der Euro dabei gewesen wären, wäre das anders. Die letzten Spiele waren nicht topp, da sind auch wir Spielerinnen in der Verantwortung, die Ziele zu erreichen. Und wenn wir nun erfolgreich und geilen Fußball spielen, können wir den Fokus auf uns ziehen. Dann kommen die Fans auch.
90minuten: Wie bist du zum Profifußball gekommen, so ohne Vorbilder?
Naschenweng: Ich hatte das Glück in die ÖFB-Akademie in St. Pölten aufgenommen zu werden, dafür bin ich sehr dankbar. Zu meiner Zeit sind viele Mädels nicht aufgenommen worden und bekamen diese Chance nicht, weil es eben nur die eine Akademie gab. Jetzt gibt es viel mehr Möglichkeiten, eine gute Ausbildung zu bekommen. Es ist megaschön zu sehen, dass sich das so entwickelt hat. Ich hatte auch immer Spaß und hoffe, dass nun mehr Mädels zum Sport kommen. So schafft man die notwendige Breite für zukünftige Erfolge.
90minuten: Was soll in den nächsten Monaten noch Positives für den Frauenfußball passieren?
Naschenweng: (denkt nach) Gute Frage. Ich würde mir wünschen, dass man einfach Fußball sagt und nicht Männer- und Frauenfußball. Das geht beim Skifahren oder im Tennis auch, diese Diskussion gibt es dort nicht. Es ist bei uns so wie in anderen Sportarten: Wir spielen einfach und geben alles für den Sport. Bei uns braucht das vielleicht noch, aber ich kann sagen, dass es super toll ist, in Deutschland vor so vielen Fans zu spielen. Beim Nationalteam spüren wir grundsätzlich die Offenheit, aber natürlich sehen wir, dass noch Luft nach oben ist.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!
Georg Sohler