Im Sommer 2024 kehrte Felix Bacher Österreich zum zweiten Mal in seiner Karriere den Rücken und entschied sich für einen Wechsel zu Estoril Praia. In Portugal er aktuell der einzige ÖFB-Legionär, nach einem schwierigen Start konnte er zuletzt überzeugen.
Ein nächster Schritt in naher Zukunft ist möglich: Derzeit beschäftigt sich ein portugiesischer Top-3-Klub mit Bacher, auch Mittelfeldteams aus den großen Ligen - wie Deutschland und Italien - haben Interesse am Innenverteidiger.
Davor steht aber das Saisonfinale an, am Samstag trifft Estoril auf Benfica und könnte dem Titelkandidaten ein Bein stellen. Im Interview mit 90minuten spricht Felix Bacher über seine Entwicklung und persönliche Ziele.
90minuten: Ich habe Estoril Praia ein bisschen als Spielverderber im Kopf, weil sie 2013 den ÖFB-Cup-Sieger Pasching aus der Europa League gekickt haben. Kannst du dich daran erinnern? Was sollte man über deinen Verein wissen?
Felix Bacher: (lacht) Eigentlich nicht, aber von der Europa-League-Vergangenheit wusste ich.
90minuten: Es ist ja auch schon einige Zeit her, seitdem hat sich viel getan - Estoril gehört inzwischen einem amerikanischen Investor.
Bacher: Genau. Im Verein merkt man den Umschwung, der vor einigen Jahren mit den neuen Investoren gekommen ist. Wir sind neben den großen Topteams die einzigen, die auf Auswärtsfahrten Einzelzimmer haben, auch auf die Ernährung wird viel Wert gelegt. Eigentlich ist es ein Ausbildungsverein, Talente sollen aufgebaut und dann verkauft werden. Es wird unserem Budget entsprechend nach den besten Leuten in jedem Bereich gesucht. Wir arbeiten mit einem absoluten Top-Staff, das kann sich schon sehen lassen.
Es ist alles total familiär. Vor einem Auswärtsspiel ist der Papa von einem unserer Trainer verstorben, die Ansprache in der Kabine war sehr emotional.
90minuten: Trotzdem wirkt der Verein relativ familiär. In einem Interview hast du schon einmal erzählt, dass euer Masseur nach Siegen einen kleinen Grill auspackt. Zeichnet das eher Estoril Praia, oder Portugal und seine Kultur aus?
Bacher: Es ist alles total familiär. Wir als Spieler können mit allen im Verein offen sprechen, egal ob es uns gerade gut oder schlecht geht. Vor einem Auswärtsspiel ist der Papa von einem unserer Trainer verstorben, die Ansprache in der Kabine war sehr emotional. Mit so etwas rechnet man nicht, das ist mir schon nahe gegangen. Da entsteht in einem Team auch noch einmal ein ganz eigene Verbindung. Das Grillen zeichnet vor allem unseren Masseur aus. Er hat mir schon gesagt, dass ich das bei anderen Vereinen nicht sehen werde und dann wahrscheinlich irgendwann zurückkommen will (lacht).
90minuten: Sportlich hatten wir in den letzten beiden Jahren in der Champions League den direkten Vergleich zwischen Sturm Graz und Sporting, der ging insgesamt eher knapp an Portugal. Was ist dein Eindruck von der Liga?
Bacher: Sie wird oft unterschätzt, das Niveau ist aber wirklich sehr hoch. Viele haben nur die Top-Teams auf dem Schirm, aber auch alle anderen sind taktisch gut eingestellt und haben interessante Talente, die sie entwickeln.
90minuten: Wobei der Sprung in der Tabelle zwischen den großen Vereinen und dem Rest schon relativ groß ausfällt. Ist es fair, da von einer Zweiklassengesellschaft zu sprechen?
Bacher: Ich glaube schon, dass man von einer Zweiklassengesellschaft sprechen kann. Ich muss aber schon auch sagen, dass der Unterschied zu den Top 4 oder 5 in den direkten Duellen oft nicht so groß ist. Sie haben viel Qualität und vor allem bei Heimspielen mit ihren Fans eine große Power. Aber schlecht gespielt haben wir gegen sie nicht.
Statt zu akzeptieren, dass jemand vielleicht einmal einen schlechten Tag hatte, werden Fehler groß geredet. Welchen Nutzen hat man, wenn man jemand anderen schlecht redet?
90minuten: Du sprichst auch schon ein anderes Thema an. Wie schwer ist es für dich als Spieler den Fokus zu behalten, wenn du zuerst über mehrere Wochen gegen kleinere Vereine wie Boavista, Farense oder Rio Ave und dann vor 36.000 Fans gegen einen internationalen Topverein wie Sporting spielst?
Bacher: Vielleicht genießt man die Spiele vor 40.000 oder 60.000 Zuschauern ein bisschen mehr, weil es nicht so oft in einer Saison vorkommt. Ich freue mich natürlich, wenn mehr Menschen im Stadion sind, aber die Vorbereitung auf die Spiele ist ja immer gleich. Für mich gibt es da keinen großen Unterschied.
90minuten: Im Ligaalltag sind auch Spiele vor kleinerem Publikum dabei, bei euren Heimspielen reichen die Zahlen von rund 1.500 bis 4.500 Fans. Das ist sogar fast vergleichbar mit der WSG Tirol. Hättest du dir in einer Topliga mehr erwartet?
Bacher: Mein Ziel in Portugal war, mich als Spieler so gut wie möglich weiterzuentwickeln und das bestmögliche herauszuholen. Für mich war der Schritt hierher deswegen sowieso optimal. Man muss aber schon sagen: Aber auch wenn bei uns nur 1.500 im Stadion sind, haben sie alle ein Trikot oder einen Schal an. Stimmung kommt also trotzdem auf. Der Fußball wird hier schon noch einmal mehr gelebt und von außen wird auch nicht alles schlecht geredet.
90minuten: Worauf spielst du an?
Bacher: Nichts Bestimmtes. Ich habe nur immer wieder gemerkt, wie hart oft von außen geurteilt wird. Kein Profisportler oder Verein macht absichtlich Fehler, sondern versucht, das Beste zu geben. Gute und schlechte Phasen gehören einfach zum Leben. Statt zu akzeptieren, dass jemand vielleicht einmal einen schlechten Tag hatte, werden Fehler groß geredet. Welchen Nutzen hat man, wenn man jemand anderen schlecht redet? Natürlich ist das etwas, das man in diesem Business aushalten muss, ich persönlich kann das aber nicht nachvollziehen.
Ich nehme schon an, dass wir um die europäischen Plätze mitspielen würden, die Qualität dafür haben wir.
90minuten: Hast du dich sonst gut in Portugal eingelebt? Es ist ja deine erste Profistation außerhalb von Österreich oder Deutschland.
Bacher: Ich bin ein ziemlich offener Typ und es ist ja auch Teil meines Jobs, mir ist das eigentlich ziemlich leicht gefallen. Portugiesisch lerne ich auch gerade, das ist mir schon wichtig, damit alle merken, dass ich Teil des Vereins und der Mannschaft sein will. Der ganze Zugang ist hier schon anders, Leute kommen viel aktiver auf einen zu.
90minuten: Auf dem Platz sieht man deutliche Unterschiede zu Österreich, die Spiele in Portugal teilweise intensiver. Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Bacher: Das Spiel ist schneller und direkter, der Ball wird sehr klug verteilt. Generell agieren die Mannschaften sehr taktisch und haben viel Hintergrundwissen: Welche Räume werden wie überlagert? Welche Laufwege braucht es in verschiedenen Situationen? Es wird viel Wert auf Details gelegt, die oft ausschlaggebend sein können. Der Unterschied ist schon enorm.
90minuten: Wo würdest du Estoril Praia mit Blick auf die Qualität im Kader in der Bundesliga einordnen?
Bacher: Das will ich gar nicht sagen, da schieße ich mir nur selbst ins Bein (lacht). Ich nehme schon an, dass wir um die europäischen Plätze mitspielen würden, die Qualität dafür haben wir. Wie das dann in den direkten Duellen ausschauen würde, ist aber eine andere Frage.
Manchmal bringt er Vergleiche zu Nuno Espírito Santo, einmal hat er erzählt, dass er mit Sir Alex Ferguson essen war.
90minuten: Eine spannende Personalie ist dein Trainer Ian Cathro, ein 38-jähriger Schotte. Er hat über viele Jahre mit Nuno Espírito Santo zusammengearbeitet (der gerade in der Premier League Erfolge feiert) und war schon bei Valencia, Tottenham oder den Wolverhampton Wanderers.
Bacher: Er ist ein ganz spezieller Typ. Am Anfang hat er mich überrascht, weil er auf kleine Details achtet, die große Auswirkungen haben können, obwohl ich noch nie daran gedacht habe. Manchmal könnte man meinen, dass er einen Spieler gar nicht auf dem Schirm hat, er achtet aber auch dann auf Leistungen und Körpersprache, wenn er gerade weniger mit einem spricht. Ihm geht es darum, dass wir alle in eine Richtung arbeiten und es keine Ausreißer gibt. Manchmal bringt er Vergleiche zu Nuno Espírito Santo, einmal hat er erzählt, dass er mit Sir Alex Ferguson essen war.
90minuten: Euer Spiel gegen Benfica könnte die Meisterschaft mitentscheiden. Derzeit stehen Benfica und Sporting punktgleich an der Tabellenspitze, Sporting hat mit der besseren Tordifferenz die Nase vorne. Wie groß ist die Vorfreude?
Bacher: Ich freue mich darauf, vielleicht noch mehr, weil mein Papa und mehrere Verwandte dabei sein werden. Das Spiel könnte Richtungsweisend für die Meisterschaft sein und wir werden versuchen ein paar Punkte mitzunehmen. Es wäre schon cool, wenn wir uns da einmischen könnten.
90minuten: Dich als Innenverteidiger muss ich auch auf Viktor Gyökeres ansprechen, der diese Saison mit über 60 Scorerpunkten beenden wird. Wie oft wird er dir gegenüber erwähnt?
Bacher: In jedem Interview (lacht). Sonst eigentlich selten. Natürlich ist er ein Weltklassespieler und als Gegner extrem unangenehm, weil man ihn oft gar nicht kommen sieht. Er trabt gerne im Abseits hinter den Verteidigern aus und wartet auf eine Umschaltsituation, macht einen Bogen und verschafft sich so einen Vorteil im Laufduell. Man muss immer über die Schulter schauen, um ihn im Auge zu haben, damit man ihn nicht verliert. Auch die körperliche Präsenz ist beeindruckend. Einfach zu verteidigen ist er nicht, aber mir ist das ganz gut gelungen.
Wenn es nicht passiert, verstehe ich das komplett. Da würde für mich die Welt nicht zusammenbrechen. Ich sehe dieses Thema sehr klar und realistisch.
90minuten: Du spielst auf gutem Niveau und lieferst diese Saison überzeugende Leistungen gegen Gegenspieler wie Gyökeres. Hat sich schon jemand vom Nationalteam bei dir gemeldet?
Bacher: Nein, bisher hat sich bei mir noch niemand gemeldet.
90minuten: Vor einigen Monaten hast du einmal gesagt, dass du dir in Portugal schon bessere Chancen ausrechnest, als in Österreich.
Bacher: Damals habe ich gemeint, dass die Chancen auf eine Einberufung einfach höher sind, wenn man in einer besseren Liga, in einem größeren Verein spielt und dort gute Leistungen bringt. Es war aber nie die Rede davon, dass ich mir einen Anruf erwarte. So ist es nicht.
Wenn einmal etwas kommen sollte, bin ich überglücklich. Aber wenn es nicht passiert, verstehe ich das komplett. Da würde für mich die Welt nicht zusammenbrechen. Ich sehe dieses Thema schon sehr klar und realistisch und muss meine Leistung einfach konstant über einen längeren Zeitraum abrufen.
90minuten: Du hast deinen Vertrag bei der WSG Tirol vor einem Jahr nicht mehr verlängert, bis zur Unterschrift in Portugal hat es dann doch bis Ende Juli gedauert. Wie ist die Entscheidung für den Wechsel zustande gekommen?
Bacher: Es haben sich mehrere Vereine aus verschiedenen Ligen bei mir gemeldet. Mein Management hat damals eingeschätzt, dass meine Stärken perfekt nach Portugal passen und ich hier herausstechen kann. Sie haben mir das Projekt und den Wechsel vorgeschlagen, rückblickend würde ich sagen, dass das gut gepasst hat.
Interesse war auf jeden Fall da. Für mich war aber klar, dass das für mich nicht infrage kommen wird.
90minuten: Hättest du auch in Österreich einen Schritt zu einem größeren Verein machen können?
Bacher: Interesse war auf jeden Fall da. Für mich war aber schon von vornherein klar, dass das für mich nicht infrage kommen wird.
90minuten: Du bist eher spät zu Estoril Praia gestoßen, über die ersten 10 Runden warst du oft nicht im Kader und hast nicht gespielt. Warum war der Einstieg schwierig?
Bacher: Der Trainer hatte seinen Plan für die ersten Spiele schon beisammen. Ich musste warten, mir war aber klar, dass meine Chance kommen wird. Es war auch so besprochen, dass ich um meinen Platz kämpfen muss. Die Zeit, in der ich nicht gespielt habe, habe ich für individuelles Training genützt.
Es ist schon eine Herausforderung - in den Momenten, in denen es einem einmal schlechter geht, ist die Distanz zu Familien oder Freunden schon groß. Aber es ist nicht so, dass ich in diesen Wochen groß an mir gezweifelt oder die Nerven weggeschmissen hätte. Es ist eine Challenge, entweder du meisterst sie oder du gibst auf. Und ich bin jetzt nicht so ein Aufgeber.

90minuten: Dein Vertrag läuft jetzt einmal bis 2026, das heißt eigentlich müsste man sich im Sommer oder Herbst wieder zusammensetzen, um über die Zukunft nachzudenken. Wolltest du das so?
Bacher: Eigentlich ist schon länger alles geklärt. Der Verein hat eine Option gezogen, mein Vertrag läuft jetzt bis 2028.
90minuten: Das kommt jetzt überraschend. Du springst von einem Zwei- sofort zu einem Vierjahresvertrag?
Bacher: Eigentlich hätte der Verein gerne gleich einen Vierjahresvertrag gehabt. Aus Spielersicht kann natürlich immer etwas anders laufen als geplant, deswegen war mir lieber, wir einigen uns auf zwei Jahre, mit Option auf zwei weitere.
Von der Mannschaft bekomme ich schon immer wieder Seitenhiebe in Richtung: 'Im Sommer bist du eh wieder weg'
90minuten: Du hast vorher schon angesprochen, dass der Verein Spieler entwickeln und verkaufen möchte. Klopfen nach deiner ersten Saison auch schon Klubs an?
Bacher: So genau will ich das eigentlich gar nicht wissen, bis ich wirklich Zeit habe, um mir darüber Gedanken zu machen. Wenn es konkret wird, werde ich es erfahren. Von der Mannschaft bekomme ich schon immer wieder Seitenhiebe in Richtung: 'Im Sommer bist du eh wieder weg' (lacht). Ich bin gerade von der kleinen WSG Tirol zu einem sehr professionellen Verein gekommen, jetzt gibt es schon Spekulationen um noch größere Vereine. Das ist für mich zwar schön, aber auch surreal, deswegen mache ich mir da noch gar keine großen Gedanken, auch weil ich hier total zufrieden bin. Die Saison ist echt schnell verflogen, jetzt freue ich mich einmal auf die letzten Spiele.
90minuten: Karrierepläne sind immer ein schwieriges Thema. Gibt es bei dir bestimmte Ziele, die du im Kopf hast?
Bacher: Natürlich möchte ich gerne einmal bei einem großen Verein und international spielen. Sollte sich diese Gelegenheit ergeben, möchte ich sie schon nutzen. Einen bestimmten Ablauf stelle ich mir nicht vor, das würde mich nur unterbewusst unter Druck setzen. Ich bin wirklich sehr offen, alle Top Ligen - England, Deutschland, Spanien, Italien - sind sehr interessant.
90minuten: Abschlussfrage: Du warst Kapitän der WSG Tirol, den Abstiegskampf hast du selbst miterlebt. Wie siehst du die Chancen in dieser Saison?
Bacher: Leider kann ich die Spiele nicht live schauen, über die Highlights bekommt man nie alles mit. Ich hoffe und bin überzeugt, dass die WSG es wieder schaffen wird, die Klasse zu halten, auch wenn es derzeit eher knapp zugeht.
90minuten: Vielen Dank für das Gespräch!