Australien-Meister Kuen: "Bin keiner, der weit voraus plant"
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Australien-Meister Kuen: "Bin keiner, der weit voraus plant"

Der 30-Jährige holte in Down Under endlich seinen ersten Titel. Der Wechsel ans andere Ende der Welt war ein "Riesenschritt", so Kuen. Aber einer, der sich lohnte.

Der 31. Mai 2025 war für Andreas Kuen das große Highlight seiner bisherigen Karriere.

Als Referee Adam Kersey den letzten Pfiff des Abends ertönen lässt, ist es Gewissheit: Melbourne City ist Meister der australischen A-League.

Im Finale bezwingt der Tiroler mit seinem Team den Stadtrivalen Melbourne Victory mit 1:0. Das Spiel geht in die Annalen ein: In der 25-jährigen Geschichte der Liga war es das erste Final-Derby überhaupt.

"In der Grand-Final-Woche konnte man spüren, wie besonders das ist. Man hat versucht, es wie jede andere Woche zu sehen, aber das ist natürlich schwer möglich", schildert Kuen im Gespräch mit 90minuten.

Der Meistertitel ist jener Erfolg, auf den er so lange hingearbeitet hat. Wenn einer weiß, was es bedeutet, nie aufzugeben, dann Kuen. Drei Kreuzbandrisse, ein Schlüsselbeinbruch sowie ein lädierter Meniskus sind nur ein Auszug aus seiner Verletzungshistorie.

"Es kommt im Leben eh immer alles anders, als man denkt", sagt er mit einem Lächeln, das verrät, wie viel der 30-Jährige schon durchgemacht hat.

Im Herbst startet er in seine zweite Saison bei Melbourne City. Bis dahin dauert es aber noch. Erst Mitte September rollt wieder der Ball, wenn die asiatische Champions League startet.

Dann wird eine dreimonatige Vorbereitung hinter dem ÖFB-Legionär liegen. "Dann bin ich wahrscheinlich so fit wie noch nie", lächelt er und fügt an: "Jetzt bin ich schon froh, wenn es wieder losgeht."

90minuten: "Andreas Kuen ist Meister in Australien" – wie fühlt sich dieser Satz mit ein paar Monaten Abstand an?

Andreas Kuen: Es fühlt sich schon besonders an, ich hatte in meiner Karriere bis dahin ja noch keinen Titel gewonnen. Als ich hergekommen bin, habe ich gewusst, dass der Verein um einen Titel mitspielen kann. Das war auch mein Ziel. Wenn ich so eine weite Reise mache, möchte ich auch gerne etwas mitnehmen. Nach meiner ganzen Karriere tut mir das schon gut.

90minuten: Wie besonders hat die Tatsache, dass es ein Derby gegen Melbourne Victory war, das Finale gemacht?

Kuen: Nachdem es mein erstes Jahr war, war sehr vieles neu für mich. Die Leute haben mir dann näher gebracht, wie besonders das ist. Die A-League gibt es erst seit 25 Jahren und in den Grand-Finals-Runden hat es bisher noch nie ein Derby-Finale gegeben. Daher war das natürlich schon etwas Einzigartiges. In der Grand-Final-Woche konnte man spüren, wie besonders das ist. Man hat versucht, es wie jede andere Woche zu sehen, aber das ist natürlich schwer möglich. Das Spiel selbst war ausverkauft und die Stimmung war wirklich besonders.

Ich hätte nicht erwartet, dass ich so gut reinstarte.

Kuen über seine erste Saison bei Melbourne City

90minuten: Was war dein Lieblingsmoment in der vergangenen Saison?

Kuen: Da gehört natürlich das Finale dazu. Aber auch das allererste Derby hat mich inspiriert. Es war zwar nicht ausverkauft, aber es waren auch rund 25.000 Fans da. Das war ein tolles Erlebnis für mich zum Start.

90minuten: Auch du persönlich hast eine starke Saison gespielt. Wie fällt deine Bilanz aus?

Kuen: Ich bin schon sehr zufrieden, weil ich der Mannschaft mit Toren und Assists helfen konnte. Ich hätte nicht erwartet, dass ich so gut reinstarte. Ich war, bis auf meine sechswöchige Verletzungspause, eigentlich Stammspieler. Ohne die Verletzung hätte die Saison sogar noch ein wenig besser ausfallen können.

Andreas Kuens Leistungsdaten 2024/25:

Bewerb

Spiele

Tore

Assists

Gelbe Karten

Eingesetzte Minuten

A-League

21

3

7

2

1.548

Es war dann schon Ende Juli und ich musste in Griechenland alles zusammenpacken. Das war auch privater Stress.

Die Zeit vor dem Wechsel nach Australien war für Kuen nicht immer einfach

90minuten: Was hat dich dazu bewegt, den Schritt nach Australien zu machen? Ich nehme an, dass das nicht dein einziges Angebot war.

Kuen: Es hat natürlich die eine oder andere Anfrage gegeben. Auch aus der Bundesliga haben ein paar Vereine angefragt. Ich habe aber immer klar gesagt, dass ich gerne noch im Ausland bleiben möchte, denn die Erfahrung, die ich in Griechenland (bei Atromitos Athen, Anm.) machen durfte, hat mir schon sehr gut gefallen. Ich war noch nie so lange vereinslos (drei Monate, Anm.) und man wird dann schon ungeduldig. Es war dann schon Ende Juli und ich musste in Griechenland alles zusammenpacken. Das war auch privater Stress. Bis Anfang August wollte ich eine Tendenz haben. Zu dieser Zeit ist auch der erste Kontakt mit Melbourne City zustande gekommen. Der Klub wollte rasch ins Gespräch gehen. Dementsprechend ist es dann auch relativ schnell gegangen. Natürlich war auch die Möglichkeit, einen Titel zu gewinnen, ausschlaggebend.

90minuten: Wie schwer oder leicht ist dir die Eingewöhnung in Australien gefallen?

Kuen: Es ist natürlich ein Riesenschritt. Ich habe aber aufgrund meiner Zeit in Griechenland gewusst, dass es eine Umstellung sein wird und dementsprechend habe ich mich darauf eingestellt. Die größte Herausforderung war, aufgrund der Zeitverschiebung mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben. Die Leute vor Ort und der Verein haben mich dabei mit allem Möglichem unterstützt. Das hat es mir relativ leicht gemacht. Die Menschen in Australien sind sehr gastfreundlich, Melbourne ist eine riesige Metropole, da geht es dir nicht schlecht. Ich habe mich schnell wohlgefühlt.

90minuten: Tiroler gelten immer als sehr heimatverbunden. Welche Gemeinsamkeiten zwischen deiner Heimat und Australien konntest du bisher ausmachen?

Kuen: Das ist eine gute Frage (lacht). Ich weiß nicht, ob man Vergleiche zwischen einer Millionenstadt wie Melbourne und Innsbruck mit 150.000 Einwohnern ziehen kann. Die Leute hier sind schon sehr nett. Man sagt den Tirolern zwar nach, dass sie immer ein bisschen grantig sind, aber es gibt dort auch genug nette Leute. Aber sonst ist hier eigentlich alles gegensätzlich, vor allem gibt es hier keine Berge (lacht).

90minuten: Du bist einer von wenigen Nicht-Australiern im Team. Macht sich das irgendwie bemerkbar?

Kuen: Jeder Verein hat einen Salary Cap. Du merkst schon, dass der Verein auf dich setzt. Du verdienst mehr als die meisten einheimischen Spieler, also musst du auch Leistung zeigen. Es wird mehr von dir gefordert. Abgesehen davon macht es sich aber nicht bemerkbar. Der Verein und die Menschen hier sind sehr gastfreundlich, du merkst nicht, dass du aus dem Ausland kommst.

90minuten: Du hast schon in Österreich, Griechenland und Australien gespielt. Wie schätzt du das Leistungsniveau in der A-League im Vergleich zur Österreichischen Bundesliga ein?

Kuen: Ich finde es immer interessant, wenn diese Frage kommt. Diesen Vergleich zu ziehen, ist gar nicht so leicht. Jede Liga hat ihren eigenen Stil. In Australien hat mich die physische Komponente überrascht. Die Australier wachsen mit Rugby und Australian Football auf und das merkt man. Es wird hier sehr robust zur Sache gegangen. Die Schiedsrichter lassen viel mehr laufen, daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. In Österreich ist das Spiel durch die Red-Bull-Schule und die Spielidee von Sturm Graz schneller, es gibt viel mehr Umschaltsituationen. Hier ist es ein Mix: Man will sich schon dem europäischen Stil angleichen, aber auch gepflegten Fußball spielen.

Die Liga hat viel Potenzial und ist qualitativ gut. Das sieht man auch daran, dass Spieler wie Douglas Costa (Sydney FC, Anm.) und Juan Mata (zuletzt Western Sydney, Anm.) hierherkommen und nicht gleich zehn oder 15 Tore schießen und genauso viele Assists liefern. Auch die Jugendarbeit ist hier super. Bei uns trainieren viele Jugendspieler mit und die fallen vom Niveau her nicht wirklich ab. Vor allem für sie ist die Liga gut, weil sie Zeit haben, sich zu entwickeln.

An die Physis in der A-League musste sich Kuen zunächst einnal gewöhnen
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An die Physis in der A-League musste sich Kuen zunächst einnal gewöhnen

90minuten: Wie würdest du die Fankultur in Australien beschreiben? Ich kann mir vorstellen, dass es zu Europa deutliche Unterschiede gibt.

Kuen: Andere Sportarten sind hier eher vorrangig, vor allem Australian Football und Rugby werden sehr stark supportet. Aber sie hätten (im Fußball, Anm.) schon viel mehr Potenzial. In Brisbane haben zum Beispiel 50.000 Zuschauer Platz, beim Fußball kommen zwischen 5.000 und 7.000. Beim Australian Football sind es dagegen um die 30.000, bei uns in Melbourne sogar bis zu 100.000. Der Zuschauerschnitt der A-League ist ähnlich wie bei uns in der Bundesliga, aber es schaut schlechter aus, weil die Stadien hier so riesig sind.

Meine Mitspieler haben mir außerdem erzählt, dass sich in den letzten Jahren einiges geändert hat. Es sind keine Trommeln oder Fahnen mehr erlaubt. Alles ist viel strenger geworden, seit es in der Vergangenheit Ausschreitungen gegeben hat. Melbourne Victory hätte eine richtig gute Fanbase. Vor dem Derby wurden ihnen die Trommeln abgenommen und es gab Festnahmen, weil vieles nicht mehr erlaubt ist. Das ist schon auch ein bisschen schade, weil dadurch natürlich ein wenig das Flair verloren geht. Beim Grand Final war die Stimmung top, aber im Allgemeinen ist die Stimmung das einzige, was mich ein wenig enttäuscht hat, weil es nicht so ist, wie bei uns in Europa.

Die Entwicklung von Sturm ist überragend. Es ist in den letzten Jahren nur mehr bergauf gegangen.

Kuen ist beeindruckt von der Arbeit beim Meister

90minuten: Du hast auch eine Vergangenheit bei Sturm Graz, warst zwei Jahre dort unter Vertrag. Wie hast du die Erfolge der letzten beiden Jahre verfolgt?

Kuen: In Griechenland war es noch einfacher, die Bundesliga zu verfolgen. Da habe ich immer wieder die Konferenz oder Einzelspiele geschaut. Das ist in Australien natürlich schwieriger. Ich versuche, abends oder frühmorgens die Spiele zu schauen. Die Highlights schaue ich aber immer. Ich verfolge gerne, wie sich der Fußball zuhause entwickelt und wie es bei meinen Ex-Kollegen so läuft. Die Entwicklung von Sturm ist überragend. Es ist in den letzten Jahren nur mehr bergauf gegangen. Da kann man ihnen nur gratulieren. Auch für die Liga war es gut, dass jemand anderer das Kommando übernommen hat.

90minuten: Erfolgreich waren die letzten beiden Jahre auch für deinen anderen früheren Klub Wacker Innsbruck. Wie sehr kann man sich da aus der Distanz mitfreuen?

Kuen: Wacker Innsbruck wird für mich immer ein besonderer Verein sein. Das war meine erste Station und eigentlich sowas wie mein Heimatverein. Leider hatte ich dort nur eine kurze Zeit und habe mich dann schwer verletzt. Ich versuche, immer alles zu verfolgen. Ich bin da laufend mit meinem Vater im Austausch, der ja in Längenfeld lebt. Er hat die Spiele von Wacker gesehen, wenn sie in der Tirol-Liga in Längenfeld gespielt haben. Es ist schon cool für die Fans, dass Wacker durch ganz Tirol gewandert ist. Das waren für die kleinen Vereine sicher Highlights. Es freut mich, dass es jetzt wieder bergauf geht. Ich habe mir das Cup-Spiel gegen Rapid hier um ein Uhr nachts live angesehen. Die Stimmung im Stadion war großartig, das war Bundesliga-Stimmung. Jeder weiß, welches Potenzial der Verein hat.

Ich bin keiner, der weit voraus plant, denn es kommt im Leben eh immer alles anders, als man denkt.

Kuen hat gelernt, im Moment zu leben

90minuten: Lass uns zum Abschluss über die unmittelbare Zukunft sprechen. Gibt es schon eine Zielsetzung, mit der ihr bei Melbourne City in die kommende Saison geht?

Kuen: Bis jetzt noch nicht, wir sind noch relativ früh in der Vorbereitung. Grundsätzlich ist hier aber immer das Ziel, dass wir um die ersten beiden Plätze mitspielen, um wieder die asiatische Champions League zu erreichen. Das wird heuer aber eine Riesenaufgabe, da wir (durch einen neuen Modus, Anm.) Auswärtsspiele in ganz Asien haben. Das Minimalziel sind die Top sechs, um zumindest in die Grand Finals zu kommen. Aber eigentlich will man nicht Sechster werden, dann ist es eine schlechte Saison.

90minuten: Kannst du dir vorstellen, über das Karriereende hinaus in Australien zu bleiben oder wirst du irgendwann fix wieder nach Europa bzw. Österreich zurückkehren?

Kuen: Ich bin mit dem Gedanken hergekommen, mir alles im ersten Jahr einmal anzuschauen. Denn alles war sehr neu und weit weg von zuhause. Dadurch, dass es erfolgreich gelaufen ist, will ich die zweite Saison definitiv auch mitnehmen. Auch mit dem Gedanken, asiatische Champions League zu spielen. Das ist ein großer Erfolg in meiner Karriere. Alles andere lasse ich auf mich zukommen. Ich bin keiner, der weit voraus plant, denn es kommt im Leben eh immer alles anders, als man denkt.

Mit Verletzungen hatte Kuen (viel zu) oft zu kämpfen
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Mit Verletzungen hatte Kuen (viel zu) oft zu kämpfen

90minuten: Kaum einer weiß das wohl besser als du mit deiner Verletzung-Historie.

Kuen: Genau, deswegen nehme ich jede Saison, so wie sie kommt und schaue, dass ich fit und gesund bleibe. Das ist schließlich nicht nur als Fußballer, sondern auch als Mensch wichtig. Das ist mir am wichtigsten und alles andere kommt dann von selber.

90minuten: Abschließend noch ein Tipp: Wer wird Meister in der Österreichischen Bundesliga?

Kuen: Es können natürlich noch die einen oder anderen Transfers passieren. Aktuell liegt ja die WSG Tirol an erster Stelle, das ist auch nicht schlecht (lacht). Realistisch betrachtet würde ich sagen: Salzburg wird heuer wieder stabiler sein wollen, aber dort hat sich viel getan. Deswegen würde ich sagen, dass es am Ende wieder Sturm machen wird.

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