Drei Engländer versuchen aktuell ihr Glück im österreichischen Profifußball. Zum einen wäre da Emran Soglo (19), den Sturm Graz im Jänner von Olympique Marseille losgeeist hat. Zum anderen gibt es Bobby Clark (20), der im August 2024 für über 10 Millionen Euro vom FC Liverpool zu Red Bull Salzburg gewechselt ist. Der dritte im Bunde, Brandon Pursall (21), spielt seit einem Jahr für die zweite Mannschaft des LASK - sein Weg nach Linz ist einen zweiten Blick wert.
Sprungbrett Mousehole
Der AFC Mousehole (Aussprache: Mausel) ist in Cornwall zuhause. Laut eigenen Angaben gibt es keinen Verein im englischen Ligasystem, der weiter im Westen des Landes liegt - das kleine Stadion ist eingebettet zwischen Feldern, in der Nähe finden sich kleine Häfen, eine malerische Küstenlandschaft und der Atlantik.
Nach zwei Aufstiegen in drei Jahren spielt Mousehole in der Southern League Division One South, der achten Leistungsstufe des englischen Fußballs.
In den kommenden Jahren soll es weiter nach oben gehen, mit einem klaren Plan: Mit vergleichbar professionellen Bedingungen, vielen Trainingseinheiten und einem wachsenden Netzwerk sollen junge Talente, die ihren Platz in den Akademien der großen Vereine verloren haben, hier wieder auf die Beine finden. Für Brandon Pursall, der 2023 beim Verein gelandet ist, war es der richtige Schritt.
Toptalent als Teenager
Richtig begonnen hat der Weg des jungen Verteidigers bei Plymouth Argyle. "Mit neun Jahren bin ich zum Verein gekommen, später habe ich die ganze Akademie durchlaufen", erzählt er im Gespräch mit 90minuten. Brandon und seine Familie waren mit vollem Einsatz dabei, sie sind nicht nur zum Training, sondern auch zu Spielen der Profis angereist.
"Von meinem Heimatort fährt man in etwa eine Stunde nach Plymouth, meine Eltern haben mich oft hin- und zurückgebracht. Wir haben uns damals gedacht: Irgendwann will ich sowieso in diesem Stadion spielen, also sollten wir jetzt schon soviel aufsaugen wie möglich."

Über Jahre zählt er zu den größten Talenten in Plymouth. Mit 15 Jahren lässt ihn der Cheftrainer aus der Schule nehmen, um ihn zum Training der ersten Mannschaft zu holen. Mit 16 Jahren debütiert Brandon bei den Profis, als einer der jüngsten Spieler der Vereinsgeschichte. "Leider war das Stadion leer, es war die Covid-Saison", erinnert er sich. Den ersten Profivertrag unterschreibt das Talent mit 17 im März 2021.
Training mit späteren Nationalspielern
Als Teenager trainiert er sogar einmal mit dem englischen U15-Nationalteam: "Das war ein kleiner Schock, um ehrlich zu sein. Ich habe damals überhaupt nicht damit gerechnet. Als Plymouth-Spieler steht man eigentlich nicht ganz oben auf der Liste, ein Teamkollege und ich waren die ersten, die eine Einladung erhalten haben."
Er habe sich gerade erst von selbst daran erinnert, meint Brandon Pursall weiter. "Es ist natürlich sehr spannend, zu sehen, welchen Weg einige der Spieler gegangen sind." Lewis Hall zum Beispiel, den Chelsea vor einem Jahr an Newcastle verkauft hat. Oder Adam Wharton, heute ein Schützling von Oliver Glasner bei Crystal Palace. Beide haben bereits ihr Debüt für die "Three Lions" gefeiert.
Opfer des Erfolgs
Im Frühjahr 2023 zog der Verein aber einen Schlussstrich. Einen bestimmten Grund gab es dafür nicht: "Das gehört einfach zum Fußball dazu. Ich habe nicht wirklich damit gerechnet, dass ich für immer dort bleiben werde. Im Idealfall lernt man aus solchen Situationen, ich glaube, das ist mir gelungen."
Als junger Innenverteidiger ist es nicht einfach, Spielzeit zu bekommen, wenn der Verein gerade um den Aufstieg spielt.
Ihren Teil beigetragen hat die - erfolgreiche - sportliche Situation des Klubs. Zum Zeitpunkt der Trennung war der Aufstieg in die zweitklassige Championship besiegelt.
"Vor allem als junger Innenverteidiger ist es nicht einfach, Spielzeit zu bekommen, wenn der Verein gerade um den Aufstieg spielt. Meine Teamkollegen haben es auch einfach sehr gut gemacht. Ich habe mir zu keinem Zeitpunkt eingebildet, dass ich statt ihnen auf dem Platz stehen sollte."
Brandon bemüht sich um einen positiven Zugang: "Plymouth Argyle wird mir immer wichtig sein. Es gibt viele Trainer, denen ich sehr dankbar bin, mit denen ich auch weiterhin Kontakt halte. Ich bin schon sehr stolz darauf, was ich dort erreicht habe."
Schwieriger Schritt
Von einem Wechsel zu Mousehole war Brandon Pursall nicht sofort begeistert. Zuerst stand der Umzug zurück nach Hause auf dem Plan, dort gab sein Vater einen entscheidenden Ratschlag: "Er hat zu mir gesagt: 'Du gehst laufen und trainierst, aber eigentlich solltest du wieder Fußball spielen. Lass dein Ego beiseite, gib dem Ganzen eine Chance, dann werden sich auch andere Möglichkeiten ergeben.'"
Rund eine Dreiviertelstunde dauert die Fahrt vom Elternhaus, Mousehole sei die nächstgelegene Anlaufstelle gewesen, um wieder Motivation und Ehrgeiz tanken zu können, erzählt der LASK-Profi, gibt aber auch zu: "Ich habe nie gedacht, dass ich einmal auf diesem Level spiele."
Ich habe nie gedacht, dass ich einmal auf diesem Level spiele.
Den Verein beschreibt er als "einzigartig, es gibt dort viele tolle Menschen, die Community ist sehr eng gestrickt. So wie dort gearbeitet wird, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass sie es einmal in den Profifußball schaffen." Die Anziehungskraft dafür hätte man schon jetzt: Brandon erzählt von Teamkollegen, die aus Cardiff und Newcastle gekommen sind, also nicht gerade aus der Nachbarschaft.
Finanziell getragen wird der Verein und das sportliche Projekt von einem Campingplatz im Ort, dessen Zukunft aufgrund einer desolaten Zufahrtsstraße unsicher schien. Dank der Unterstützung von Prince William und einiger Unternehmen konnte aber vor kurzem mit Sanierungsarbeiten begonnen werden.
"Musste eigentlich gar nicht nachdenken"
Trotz der guten Bedingungen bei Mousehole war nicht unbedingt klar, wohin die Reise für Brandon Pursall gehen soll. In einer Auszeit wollte er Klarheit schaffen. "Ich habe noch mittrainiert, aber nicht mehr gespielt. Es war wichtig, dass ich Zeit habe, um mir Gedanken über meine Zukunft machen zu können. Ich habe an ein Studium gedacht, würde mich aber selbst nicht als die schlaueste Person bezeichnen - deswegen bin ich am Ende beim Fußball geblieben."
Wenig später ergab sich die Gelegenheit für den großen Wechsel nach Österreich. Er habe sich damals mit einem Berater ausgetauscht und ihm ein paar Tage Zeit gegeben, um Optionen auszuloten.
"Er hat sich bei mir gemeldet und gefragt, ob ich Lust hätte, in einer Woche nach Österreich zum LASK zu fliegen. Darüber musste ich eigentlich gar nicht nachdenken", erzählt Brandon und erzänzt: "Ich kannte den Verein von den Spielen gegen Liverpool im Herbst 2023. Auf Social Media habe ich Videos von den Fans an der Anfield Road gesehen, "Flecki" (Anm. d. Red.: Florian Flecker) hat im Heimspiel ein Traumtor geschossen. Das ist mir Erinnerung geblieben."

Nach einem mehrtätigen Probetraining im Februar konnte er im Sommer 2024 seinen Vertrag in Linz unterschreiben. Wenige Tage später dufte Brandon in einem Testspiel gegen Galatasaray debütierten: "Ich sage das mit dem größten Respekt: Wenige Monate davor habe ich gegen Bauarbeiter und Lehrer gespielt und dann stehe ich auf einmal auf dem selben Platz wie Wilfried Zaha. Solche Momente geben einem richtig viel Energie, ich möchte das auf jeden Fall wieder erleben."
Der Plan für die zweite Saison
Die erste Saison bei den LASK Amateuren OÖ verlief noch nicht ganz nach Wunsch: "Im Herbst habe ich mich verletzt, das war ein Rückschlag. Ich habe aber auch in dieser Hinsicht viel dazugelernt und weiß, was ich abseits des Platzes machen muss, um das in Zukunft zu verhindern."
Davon abgesehen hat sich der Engländer gut eingelebt und auch an die Hitze gewöhnt: "Ich wusste nicht, dass es hier im Sommer so heiß wird. In England liegen schon alle am Strand, wenn es 18 Grad hat."
Ich möchte, dass die Fans wissen, dass ich hier bin, weil ich wirklich Lust darauf habe, mich hier durchzusetzen.
Großes Ziel für die kommende Saison ist der Durchbruch in die erste Mannschaft, um sich dort für eine Vertragsverlängerung zu empfehlen und das Abenteuer fortzusetzen. Als Vorbild nennt Brandon in dieser Hinsicht Marco Sulzner, der den Weg über die Amateure zu den Profis und im Sommer weiter zum WAC gegangen ist. Auch die Deutschkenntnisse sollen jetzt aufgebessert werden: "Mein Berater hat mich in letzter Zeit immer wieder daran erinnert, dass ich mir Nachhilfe holen soll. Ich bin gerade auf der Suche", lacht der 21-Jährige.
Abschließend hält er fest: "Ich möchte, dass die Fans wissen, dass ich hier bin, weil ich wirklich Lust darauf habe, mich hier durchzusetzen, zu lernen und für diesen Verein zu spielen."