Die ersten Wochen waren für den neugewählten ÖFB-Aufsichtsratsvorsitzenden Josef Pröll sehr intensiv. Zahlreiche Treffen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Stakeholdern standen auf dem Programm.
Der ehemalige Vizekanzler und Finanzminister wollte sich ein detailliertes Bild machen, was im Verband funktioniert – und was eben nicht.
"Ich war überrascht …"
Im Interview mit 90minuten zeigte sich Pröll über diverse interne Abläufe durchaus überrascht. "Bei der letzten Aufsichtsratssitzung habe ich den Finanzchef zusätzlich eingeladen und die zwei Verantwortlichen des neuen Campus. Die mussten ihre Business-Pläne vorstellen für die nächsten fünf Jahre. Ich war überrascht …", erzählte Pröll. Überrascht, "weil diese Vorgehensweise offenbar neu war. So etwas hat offenbar gefehlt bisher."
Von der Arbeitsweise der beiden häufig kritisierten Geschäftsführer Thomas Hollerer und Bernhard Neuhold zeigt sich Pröll durchaus positiv beeindruckt: "In den ersten Wochen haben ich sowohl von Thomas Hollerer als auch von Bernhard Neuhold alle notwendigen Unterlagen und Entscheidungsgrundlagen in einer Geschwindigkeit vorgelegt bekommen, wie ich das in vielen anderen Bereichen bisher nicht gekannt habe."

In regelmäßigen Jour-Fixe-Terminen, die es bisher laut Pröll auch nicht gegeben hat, will er die beiden in die Pflicht nehmen, aber ihnen auch eine Chance geben, weiter im Verband zu bleiben. "Bei mir hat jeder seine Chance. Und ganz ehrlich und offen: Jeder wird an seiner Leistung auch entsprechend gemessen."
Die Strategie des ehemaligen Spitzenpolitikers scheint klar: Nur keine Unruhe während der WM-Qualifikation. Man kennt es: Solange der Erfolg beim A-Team da ist, kann dieser Plan durchaus aufgehen.
Pröll scheint jedenfalls die Chance zu sehen, dass es eine Zukunft mit Hollerer und Neuhold geben kann. Auf eine Neu-Ausschreibung der Geschäftsführung drängt er nicht. Die Zeit soll für ihn spielen.
Zunächst die Klausur …
Im September will Pröll den nächsten Schritt setzen und eine Klausur mit allen Abteilungsleitern durchführen. "Zwei Tage, um die Pläne für 2026 und 2027 zu strukturieren. So verstehe ich Führung in der Mannschaft. Ob es diese Mannschaft früher gegeben hat oder nicht, weiß ich nicht", sieht Pröll erneut Versäumnisse in der Vergangenheit.
Eines der wichtigsten Ziele des Niederösterreichs mit einem klaren Verweis auf die vergangenen Jahre, als Machtspiele den ÖFB dominiert haben: "Ich verlange als Aufsichtsratsvorsitzender, dass wir innerhalb des ÖFB Klarheit in der Vorbereitung von Entscheidungen in einer gewissen Qualität bekomme."
… und dann der Strategieprozess
Der neue ÖFB-Aufsichtsratsvorsitzende wird daher einen Strategieprozess starten, wie er im 90minuten-Interview erstmals öffentlich bekannt gibt. Und zwar mit externer Hilfe.
"Es gab eine Strategie in der Vergangenheit, die aber unter den Herausforderungen, der öffentlichen Darstellung in den vergangenen Jahren gelitten hat."
Pröll: "Ich bin fix davon überzeugt, dass wir in der Frage der Führung eines solchen Strategieprozesses einfach keine Erfahrung haben. Das kann ich unseren Mitarbeiter:innen ja gar nicht umhängen. Da brauche ich einen Unternehmensstrategen, der weiß, wie man so einen Prozess organisiert, an dem wir dann gemeinsam, wir nämlich, ich, aber vor allem die operativen Kräfte, ihre maximale Leistung für die strategische Zielrichtung auf den Boden bringen."
Externer Berater? Da war doch etwas. Prölls Vorgänger Klaus Mitterdorfer engagierte einen Berater um rund 100.000 Euro. Eine Ausschreibung gab es damals nicht. Interne Kritik im Präsidium wurde laut.
Pröll will diesen Fehler nicht wiederholen: "Und um es vorweg zu nehmen: Bei der Auswahl des Strategieberaters gibt es eine Ausschreibung. Wir werden dann einen Dreiervorschlag vorlegen und uns gemeinsamen auf einen festlegen. Da gibt es kein Mauscheln und Zurufen, das interessiert mich nicht."
Noch im Juli sollen die ersten Vorschläge auf den Tisch gelegt werden. "Und dann werden wir einmal screenen, wer uns da begleiten kann und im Herbst starten." Der Prozess soll ungefähr ein Jahr dauern.
Mit Verweis auf die vergangenen Jahre meint Pröll: "Es gab eine Strategie in der Vergangenheit, die aber unter den Herausforderungen, der öffentlichen Darstellung in den vergangenen Jahren gelitten hat. Und deswegen dränge ich jetzt so darauf, dass dieser Prozess neu aufgesetzt wird, und sehr professionell begleitet wird."
Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass alle Herren im Präsidium künftig der neuen Strategie und auch Josef Pröll folgen werden …