Ein letzter Save: Knaller sagt leise Servus
Über 33 Jahre stand Marco Knaller im Tor - nun ist der Moment des Abschieds gekommen. Warum er sich jetzt zu diesem Schritt entschlossen hat, wie er auf seine Karriere blickt und was die Zukunft für ihn bereithält, erzählt er exklusiv bei 90minuten.
Fünf Jahre war Marco Knaller jung, als er begann, die Tore dieser Fußballwelt zu hüten. Dass es ihn zum runden Leder ziehen würde, war bei diesem Stammbaum fast schon vorgegeben.
Papa Wolfgang war einst Teamgoalie und WM-Teilnehmer 1998. Onkel Walter ist bis heute mit 127 Toren bester Kärntner Bundesliga-Torschütze. Dazu zahlreiche weitere Mitglieder der Knaller-Dynastie, die eine Laufbahn im Fußball einschlugen. Kaum eine Familie hat so viele Profile auf der Plattform "Transfermarkt".
Bei den Knallers gehört es beinahe schon zum guten Ton, bis ins hohe Fußballeralter aktiv zu sein. So auch bei Marco, der in der Vorsaison selbst mit 38 noch durch die Lüfte flog.
"Der Fußball hat mir so viel gegeben"
Vor der letzten Saison schlichen sich bei ihm erstmals Gedanken ein, die er lange von sich weggeschoben hatte. Gedanken über die Zeit danach. Über Abschied. Über einen letzten Vorhang.
Über 33 Jahre nachdem er erstmals ein Tor hütete, hat Marco Knaller nun eine Entscheidung getroffen: Nach 20 Jahren als Profi und 296 Spielen wird er seine Handschuhe an den Nagel hängen.
Diese Entscheidung lässt sich nur verstehen, wenn man auf den Weg blickt, der ihn hierhergeführt hat.
"Der Fußball hat mir so viel gegeben", sagt Knaller - und man merkt, dass ihm dieser Schritt nicht leicht fällt. "Ich habe viele packende Spiele bestritten, großartige Menschen kennengelernt, einzigartige Orte gesehen und unvergessliche Momente erlebt", blickt er zurück.
Eine letzte Saison, ein Abschiedsspiel - das hätte seine Laufbahn abrunden sollen. "Ich hätte noch ein, zwei gute Jahre in mir gehabt. Leider wollte es nicht sein", schildert der 38-Jährige.
Dabei hätte es durchaus Optionen gegeben. Doch Knaller ist jemand, der stets ehrlich zu sich selbst und anderen ist. Authentisch, nahbar - einer, der seinen Werten stets treu blieb und die Dinge auf seine Art getan hat. Etwas, das im Fußball dieser Tage immer seltener zu finden ist.
Wie der Vater, so der Sohn
"Es war nichts dabei, von dem ich vollends überzeugt war und wo es vom Gesamtpaket gepasst hätte - auch für die Familie. Ich brauche jedoch etwas, hinter dem ich mit vollem Feuer und Leidenschaft stehen kann. Nur etwas zu machen, um das Ende vielleicht noch ein Jahr hinauszuzögern, macht für mich keinen Sinn", erzählt er.
Und so sollte der 3:1-Erfolg mit Austria Klagenfurt über Blau-Weiß Linz im August des Vorjahres sein letzter Profi-Einsatz bleiben. "So kann ich immerhin sagen, dass ich mit einem Sieg aufgehört habe", sagt Knaller.
Auch damit reiht er sich in die Familientradition ein: Papa Wolfgang durfte in seinem letzten Spiel als Profi ebenfalls einen Sieg bejubeln, als er mit dem LASK 3:0 über Kufstein triumphierte.
Gerade als junger Spieler war das nicht immer einfach.
Sein Vater war für ihn stets ein großes Vorbild - ebenso wie Gianluigi Buffon und Oliver Kahn. "Ich bin als Kind unzählige Male hinter dem Tor gestanden, wenn er gespielt hat", erzählt Knaller. "Das hat bei mir die Faszination für das Torwartspiel ausgelöst - und immer größer werden lassen."
Der Name Knaller war für ihn nicht nur Antrieb, sondern phasenweise auch Bürde. "Gerade als junger Spieler war das nicht immer einfach", erinnert sich der 38-Jährige. Zeigte er starke Leistungen, galten sie als selbstverständlich. Blieb er unter seinem Niveau, kam rasch der Verdacht auf, dass nicht Leistung, sondern der Name den Ausschlag gab.
Zu Beginn seiner Karriere ging es steil nach oben. Stammgoalie bei der Admira und U21-Nationaltormann mit 19. Doch kurz darauf die erste von vielen großen Herausforderungen. Ein Wechsel nach Italien scheiterte und kurz darauf zog er sich eine Verletzung im Training zu.
Es folgte eine einjährige Vereinslosigkeit. "Da stand meine Karriere erstmals am Scheideweg", schildert Knaller. Nach einem Probetraining fand er beim 1. FC Kaiserslautern eine neue sportliche Heimat und stieg mit den Pfälzern in diesem Jahr in die deutsche Bundesliga auf. "In Deutschland war der Name Knaller, anders als bei uns, weitgehend unbekannt und ich konnte mir meinen eigenen machen", hält der langjährige Legionär fest.
Die insgesamt rund zehn Jahre in Deutschland prägten ihn und seine Karriere nachhaltig. Auf dem Betzenberg lernte er "eine Siegermentalität kennen, die ich bis dahin nicht kannte", schildert Knaller. "Das habe ich mir für den Rest meiner Laufbahn behalten." Seine beste Zeit sollte allerdings erst danach kommen.
Blütezeit in Sandhausen
Im Sommer 2013, Knaller war nach seinem Abschied vom WAC gerade auf Vereinssuche, klingelte das Handy des Keepers. Am anderen Ende der Leitung: Alois Schwartz, frisch bestellter Cheftrainer des SV Sandhausen - und ein alter Bekannter aus gemeinsamen Tagen bei der Zweitvertretung des 1. FC Kaiserslautern. "Er wollte mich unbedingt haben", erinnert sich Knaller.
Zunächst musste er sich hinter dem aufstrebenden Manuel Riemann anstellen. Als dieser zum VfL Bochum wechselte, schlug Knallers Stunde. Er stieg zur neuen Nummer eins auf. "Es war eine sensationelle Zeit", blickt Knaller zurück.
Gerade einmal 36 Stammplätze gibt es in den beiden höchsten deutschen Spielklassen für Torhüter - und in den folgenden Saisonen war einer davon fest in Knallers Händen. Der Kärntner entwickelte sich zu einem der besten Keeper der 2. Bundesliga. "Die Schlachten, die wir vor bis zu 50.000 Zuschauern geschlagen haben, werde ich nie vergessen", sagt Knaller.
Ich konnte meine Leidenschaft über zwei Jahrzehnte als Beruf ausüben, wofür ich unglaublich dankbar bin.
Eine Zeit voller außergewöhnlicher Erinnerungen, die ihn über Ingolstadt zurück nach Österreich führte. Mit Wacker Innsbruck wollte er noch einmal in die Bundesliga aufsteigen, ehe ihm dies schließlich durch den Transfer zu Austria Klagenfurt gelang. Mit 35 Jahren kam er so doch noch zu seinem Debüt in der Beletage des rot-weiß-roten Fußballs. "Ich bin glücklich, dass ich meine Karriere so abrunden konnte", sagt Knaller.
"Ich konnte meine Leidenschaft über zwei Jahrzehnte als Beruf ausüben, wofür ich unglaublich dankbar bin", resümiert er. Es überwiegt der Stolz, immer drangeblieben zu sein und nie aufgegeben zu haben - auch dann nicht, wenn sich die Wolken am Himmel zwischenzeitlich verdunkelten. "Im Endeffekt waren das wichtige Erfahrungen, die mich nur stärker gemacht haben", sagt Knaller.
Next Stop: Trainergeschäft
Dem Fußball, der ihm so viel gegeben hat, wird Knaller jedenfalls erhalten bleiben – künftig als Torwarttrainer. Aktuell profitieren junge Keeper von seinen Erfahrungen. Die von Papa Wolfgang ins Leben gerufene Knaller-Tormannschule bekommt dank Marco nun auch einen Standort in Kärnten.
"Ich möchte in diesem Jahr viele Erfahrungen als Trainer, auf unterschiedlichen Leveln und in verschiedenen Altersstufen sammeln. Mein Ziel ist es, auch in dieser Position in den Profifußball zurückzukehren", skizziert er seine Zukunft.
Ob mehr möglich gewesen wäre? Vielleicht. Doch am Ende zählt etwas anderes: Knaller kann in den Spiegel schauen und sagen, dass er den Weg auf seine Art gegangen ist - unbeirrbar und konsequent. Keinen geradlinigen, keinen lauten - aber einen ehrlichen. Einen, auf dem Geduld ebenso wichtig war wie Talent und Durchhalten mehr zählte als der schnelle Durchbruch.
René Mersol