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Sturm vs LASK: Tiefenläufe der Grazer und fehlende Kreativität im Aufbau des LASK [Spiel-Analyse]

Sturm Graz gewinnt gegen den LASK und ist somit neuer Dritter. Situationsgerechtes Umschaltverhalten und wieder einmal eine hervorragende Defensivleistung bringt den Grazern drei Punkte. Die Linzer hatten besonders im Spielaufbau und in der beim Erarbeiten von Torchancen große Probleme.

+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Spielanalyse von Simon Goigitzer

 

Von Beginn an war das Spiel von sehr vielen Umschaltphasen geprägt. Beide Mannschaften legen einen großen Wert auf ihr Umschaltverhalten nach einem Ballverlust oder nach einer Balleroberung. So ging es vor allem in der ersten Hälfte sehr oft schnell hin und her ohne längere Ballbesitzphasen. Besonders beim SK Sturm Graz änderte sich – im Vergleich zum LASK – dies auch nicht in der zweiten Hälfte. Die Gastgeber hatte pro Ballbesitzphase nur 2.2 Pässe. (Statistik: Wyscout-Plattform) Die Linzer hingegen hatten 3.54, wobei die Gäste in der zweiten Hälfte viel länger den Ball halten konnten und versuchten einen kontrollierten Angriff einzuleiten.

Eines der Prinzipien der Grazer ist es, den Ball so schnell wie möglich nach vorne zu spielen und dabei auch noch zu einer Torabschlussmöglichkeit zu kommen. Dies gelang ihnen in diesem Spiel sehr gut. Sturm spielte mehrmals einen hohen Ball aus der ersten Aufbaulinie hinter die gegnerische Abwehr. Solche tiefen Bällen waren immer wieder geeignet für Kelvin Yeboah, der sich durch seine Geschwindigkeit auch gegen die Innenverteidiger der Linzer öfters durchsetzen konnte. Beispielsweise kam der Stürmer in der 21. Minute nach einem hohen Ball hinter die Abwehr von David Nemeth in eine gute Abschlussmöglichkeit. Allerdings kamen die Grazer nicht nur nach hohen Bällen zu Abschlussmöglichkeiten.

 

Hervorragendes Umschaltverhalten

In der bisherigen Saison konnten die Grazer das Umschaltverhalten in die Offensive sehr gut ausführen. Von Spiel zu Spiel wird es immer besser und eine größere Gefahr der Gegner. Besonders die Entscheidungen der Spieler waren oft situationsgerecht, sodass sie immer wieder in die Nähe des Strafraumes kamen und daraufhin auch einige Male zum Abschluss. Was macht jedoch das Umschaltverhalten der Grazer so besonders? Hier eine Beispielszene, die zum Elfmetertor führte. (Abbildung 1)

Abbildung 1: Das Konterspiel der Grazer

Nach einer Balleroberung im Mittelfeld spielte Jusuf Gazibegovic direkt einen tiefen Ball. In dieser Szene sah man auch sehr gut, wie die Offensivspieler bei einer Eroberung des Balles reagieren. Vier Grazer sprinteten gleich in die Tiefe, sodass sie sogar eine Überzahl in der Nähe des Sechzehners hatten. Wäre der Pass vom Verteidiger auch etwas schärfer gekommen, so hätte Sturm die Überzahl auch besser ausnutzen können. Dennoch konnte Otar Kiteishvilli einen hervorragenden Pass zu Yeboah spielen, der daraufhin im Strafraum gefoult wurde.
In dieser Aktion stimmte nicht nur die Entscheidungsfindung vom Außenverteidiger, den Ball direkt nach vorne zu spielen, sondern auch die Laufwege der jeweiligen Spieler. Beispielsweise musste Kiteishvilli sich aufrgund des Passes ein wenig in den Halbraum bewegen. Das erkannte Stefan Hierländer und lief innen am Mittelfeldspieler vorbei, um eine Anspielstation zu sein und den Gegner wegzuziehen. Zudem lief Yeboah im richtigen Tempo zwischen Gernot Trauner und Philipp Wiesinger, sodass er den Ball auch noch vor Wiesinger bekommen konnte.

Das offensive Umschaltverhalten war jedoch nicht die einzige Besonderheit in diesem Spiel. Normalerweise attackieren die Grazer im gegnerischen Ballbesitz in einer 4-1-2-1-2-Formation. Diesmal gab es jedoch eine Veränderung im Pressing. Die Gastgeber attackierten in einer 4-3-3-Formation. Meistens bewegte sich Kiteishvilli auf den rechten Flügel, sodass Yeboah der zentrale Stürmer war und Jakob Jantscher positionierte sich am linken Flügel. (Abbildung 2)

Abbildung 2: Das Pressing der Grazer

Durch diese Formation konnte die erste Aufbauline der Linzer mannorientiert attackiert werden, was den Gästen große Probleme im Spielaufbau bereitet. Zudem konnten die beiden Achter (Hierländer und Andreas Kuen) nicht nur die beiden Sechser der Linzer attackieren, wenn es zu einem vertikalen Pass in das Zentrum kam, sondern auch die gegnerischen Außenspieler mit dem jeweiligen Flügelspieler unter Druck setzen.

 

Linzer Probleme im Spielaufbau

Am Ende des Spieles hatten die Linzer 64 Prozent Ballbesitz, 16 Schüsse und beinahe doppelt so viele Pässe wie die Grazer. Dennoch gab es nur drei Torschüsse und auch nur einen expectedGoals Wert von 1.13. Zum einen gab es sehr viele Fehler mit dem Ball. Das heißt, dass Entscheidungen oft nicht situationsgerecht waren oder die Ausführung von Pässen oder Dribblings fehlerhaft war. Allerdings versuchten die Linzer auch nicht die Fehler der Grazer gut auszunutzen. Sturm Graz verschob im Pressing sehr ballnahe. Das heißt, dass beinahe die gesamte Mannschaft auf den Flügel, wo sich gerade der Ball befindet, hinschob, um den Raum so eng wie möglich zu machen. Dadurch ergab sich auf der ballfernen Seite Platz. Dieser freie Raum wurde jedoch nur selten ausgenutzt. Ein paar Beispiele: (Abbildung 3)

Abbildung 3: Freie ballferne Seite wird im Spielaufbau nicht ausgenützt. (schwarze Pfeile zeigen bessere Option)

Trauner spielte im Aufbau den Ball auf Petar Filipovic. Mit der Ballmitnahme drehte er sich nach vorne und entschied sich, da ihn Kiteishvilli attackierte, für den hohen Ball entlang der Linie. Zwar gewann der LASK den zweiten Ball, jedoch konnten sie in der Anschlussaktion nicht aus dem Flügel herauslösen, weil die Grazer eine Überzahl schaffen konnten. Im Spielaufbau gab es für Filipovic eine optimalere Option, um einen Angriff kontrollierter einzuleiten und den freien ballfernen Raum auszunutzen.

Bereits bei der Körperpositionierung gäbe es Optimierungen. Da er mit dem Körper Richtung eigenes Tor positioniert war, musste er sich mit der Ballmitnahme aufdrehen und dies gab dem Grazer Mittelfeldspieler mehr Zeit zum Attackieren. Zudem gab es keinen Schulterblick beziehungsweise eine Vororientierung vom Innenverteidiger. So konnte er nicht wissen, wo ein Mitspieler in der gegnerischen Hälfte frei stand. Er spielte den Ball hoch nach vorne, obwohl James Holland in der Mitte anspielbar war. Zwar rückte Jantscher schon in die Mitte, jedoch hätte Holland sich nach einem direkten Pass vom Innenverteidiger sich aufdrehen und auf Wiesinger spielen können. Dadurch hätten sie die freie ballferne Seite bespielen können und wären ohne Gegnerdruck in die gegnerische Hälfte gedribbelt. Ein weiteres Beispiel: (Abbildung 4)

Abbildung 4: Diese Passabfolge gab es öfters (schwarze Pfeile zeigen bessere Option)

Diese Passabfolgen, wie in dieser Szene, gab es einige Male in der ersten Hälfte. Von der ersten Aufbaulinie wurde ein tiefer vertikaler Ball in das Mittelfeld gespielt. Daraufhin wurde der Ball auf einen der zentralen Mittelfeldspieler prallen gelassen und der Sechser spielte sofort wieder in die Tiefe. Diese Passabfolge hatte gute Ansätze, aber auch hier könnte einiges noch optimiert werden. Wie schon vorher beschrieben, verschoben die Grazer sehr weit auf die ballnahe Seite. So könnte auch hier der ballferne Raum ausgenützt werden.

Um einen Pass auf den anderen Flügel spielen zu können, müsste sich Holland so positionieren, sodass er auch die Möglichkeit hat auf die andere Seite zu spielen. Durch die Körperposition und den Pass auf dem rechten Fuß konnte er nur den Ball auf dem rechten Flügel spielen. Zudem war der Pass ein wenig unsauber, sodass das Zuspiel von Holland auch ungenau war. Des Weiteren hätte sich die Spieler auf der linken Seite besser positionieren können. Entweder rückt Mads Emil Madsen näher zur Mittellinie und ist mit einem diagonalen Pass anspielbar oder der Däne positioniert sich tiefer und Renner bewegt sich in den Halbraum. Dadurch kann der Außenspieler dann mit einem Chipball angespielt werden.

Zu diesen Fehlern kam noch, dass es für die erste Aufbaulinie in der ersten Halbzeit kaum Anspielstationen in der ersten und zweiten Ebene gab. Das heißt, dass für die Verteidiger nur selten flache und kurze Passmöglichkeiten gegeben hat. Somit mussten sie immer wieder die Situation mit hohen Bällen nach vorne lösen.

 

Michorl in der vordersten Stürmerreihe?

Bereits im letzten Spiel wurde Peter Michorl auf der rechten Stürmerposition aufgestellt. Diese Idee von Dominik Thalhammer hat seine Vor- und Nachteile sowie einige andere Gründe, die der Cheftrainer nicht beeinflussen konnte. Wieso wird ein zentraler Mittelfeldspieler als Stürmer aufgestellt? Michorl konnte sich immer wieder gut positionieren und hat zudem seine Stärken im Passspiel sowie im Flanken. Das bedeutet, dass diese Position für Michorl nicht so unpassend wäre. Allerdings fehlen den Linzern durch diese Position von Michorl in anderen Bereichen einige Dinge.

Beispielsweise fehlte, wie vorher beschrieben, Anspielstationen in der ersten Ebene. Häufig war nur Holland als einziger Sechser zu sehen. Das lag daran, dass Madsen immer wieder Tiefenläufe aus der zentralen Mittelfeldposition machte. Daher waren oft mehrere Spieler im Zwischenlinienraum der Grazer und die erste Aufbaulinie konnte nur noch einen hohen Ball nach vorne spielen. Zudem fehlte Michorl oft für eine optimale Strafraumbesetzung, da er nicht schnell genug nachrückte. Wie zum Beispiel in der 15 Minute während der Großchance, als Husein Balic auf der rechten Seite einen Querpass spielen konnte, jedoch nur Thomas Goiginger im Strafraum war. Des Weiteren fehlen dem LASK drei Stürmer, da Andreas Gruber, Marko Raguz und Mamoudou Karamoko noch verletzt sind. Zudem könnten nicht jedes Spiel Goiginger, Eggestein und Balic vorne starten, weil die Belastungssteuerung auch wichtiger Punkt sind. Allerdings wäre die Rolle von Michorl besser ausgenützt, wenn die eigene Mannschaft noch mehr dominant mit dem Ball wäre und der Mittelfeldspieler dadurch seinen eigenen Spielstil in der gegnerischen Spielhälfte ausüben könnte.

 

Fazit

Der SK Sturm Graz gewann mit drei Standardtoren, konnte jedoch durch die gefährlichen Konter immer wieder zu Torchancen kommen. Außerdem konnten sie das Pressing gut auf das Linzer Aufbauspiel umstellen und mit einer hervorragenden Defensivleistung wieder nur ein Gegentor bekommen. Die Grazer bleiben weiterhin die Mannschaft mit den wenigsten Gegentoren in dieser Bundesligasaison.

Der LASK konnte seine Negativserie nicht beenden und rutschte auf den vierten Tabellenplatz. Im Spiel nutzten sie den freien ballfernen Raum kaum aus und kreierten auch nur wenige Torchancen. Anzumerken ist, dass drei wichtige Offensivspieler fehlen, die der Mannschaft helfen könnten.

 

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