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Sturm Graz unter Christian Ilzer: Erfolgreicheres Pressing und dominantes Auftreten im Ballbesitz [Mannschafts-Analyse]

Sturm Graz steht nach elf Runden auf dem zweiten Tabellenplatz und ist mit einem Spiel weniger nur einen Punkt hinter Red Bull Salzburg. Mit starken defensiven Leistungen und schnellen Kontersituationen spielen sie nicht nur dominant gegen schwächere Mannschaften, sondern konnten auch gegen den amtierenden Meister gewinnen.

+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Mannschaftsanalyse von Simon Goigitzer

 

Der SK Sturm Graz war einer der Überraschungsmannschaften in diesem Herbst. Bisher verloren die Grazer nur einmal und haben auch die beste Defensive der Liga mit nur fünf Gegentoren. Zudem konnten sie vor der Winterpause fünf Spiele in Serie gewinnen und kassierten in diesen Partien nur ein Gegentor. Was macht jedoch die Grazer so stark unter Christian Ilzer und welche Unterschiede gibt es im Vergleich zu letzten Saison?

 

Die Spielausrichtung

Sturm Graz spielte in der Bundesliga hauptsächlich ein 4-4-2, wobei im Mittelfeld eine Raute gebildet wurde. Die Viererkette wurde von Amadou Dante, David Nemeth, Gregory Wüthrich und Sandro Ingolitsch geformt. Gleich zu erkennen war, dass die Abwehr beinahe nur aus Neuverpflichten bestand, die sich auch sehr ausgezahlt hat. Nicht nur hatten diese Spieler sehr gute Leistungen in der Defensive gehabt, sondern spielten auch im Spielaufbau eine wichtige Rolle.

Das Mittelfeld bestand hauptsächlich aus Jon Gorenc Stankovič, der sich auf der Sechs positionierte, und Otar Kiteishvili der sich auf der Zehn bewegte. Die Achter wurden von Stefan Hierländer und Andreas Kuen besetzt. Allerdings begann auch einige Spiele Ivan Ljubic im offensiven zentralen Mittelfeld und Kiteishvili startete auf der linken Achter-Position. Die beiden Stürmerpositionen wurden von Jakob Jantscher und Kevin Friesenbichler besetzt.

Im gegnerischen Ballbesitz agierten die Grazer in einem hohen Angriffspressing. Das heißt, dass sie den gegnerischen Spielaufbau sehr früh störten und versuchten hohe Balleroberungen zu provozieren. Besonders zu erkennen war, dass auch hier wieder ein Pass auf den Außenverteidiger ein Pressingtrigger für ein aggressives Anlaufen war. Zunächst leiteten die Stürmer die Innenverteidiger auf einen Flügel. Kam der Pass auf den Außenspieler, rückte der Achter aus dem Zentrum heraus und attackierte den Außenverteidiger. Ein Beispiel gegen den FC Red Bull Salzburg. (Abbildung 1)

Abbildung 1: Das Pressing der Grazer mit einer Raute im Mittelfeld.

Ein weiteres Beispiel aus dem Spiel gegen Salzburg zeigte das Anlaufverhalten im Pressing an und welche Probleme sich einige Male ergaben. (Abbildung 2)

Abbildung 2: Das Anlaufverhalten im hohen Angriffspressing

Der Schlussmann der Salzburger spielte einen Chipball auf Albert Vallci. Hierländer lief vom Zentrum aus auf den Flügel und attackierte den Außenverteidiger. Ljubic versuchte den entgegenkommenden Sechser zuzustellen. In dieser Szene konnte Vallci einen Pass in die Richtung von Mërgim Berisha spielen. Hier gab es das Problem, dass Hierländer zwar aus dem Zentrum heraus attackierte, jedoch seinen Deckungsschatten nicht situationsgerecht nutzte. Das heißt, dass der Außenverteidiger die Möglichkeit hatte, den Pass diagonal zu Berisha zu spielen und auch ein Pass auf Enock Mwepu war eine Option. Für Hierländer wäre es besser gewesen, wenn er Vallci ein wenig mehr von links angelaufen wäre, um die Optionen in das Zentrum durch seinen Deckungsschatten zu schließen. Dadurch hätte Vallci zwei Anspielstationen weniger und der Grazer Mittelfeldspieler hätte in einen Zweikampf mit dem Außenverteidiger kommen können.

Allerdings war das jedoch nicht die einzige Situation, in der das Anlaufen problematisch war. Vor allem im Salzburg-Spiel gab es mehrere Szenen, in denen das Anlaufen nicht optimal war und Salzburg mehrere Male das Pressing der Grazer überspielen konnten. Diese Fehler im Anlaufverhalten erkannte jedoch das Trainerteam und nach dem Spiel gegen Salzburg wurde es in den kommenden Partien um einiges besser. In den Partien gegen Austria Wien oder FC Flyeralarm Admira gab es viel weniger Fehler im Anlaufen der Mittelfeldspieler und der Stürmer.

Jedoch gab es auch Mannschaften, die im Spielaufbau mit einer Dreier- beziehungsweise mit einer Fünferkette aufbauten und dadurch die Grazer das Pressing ein wenig umstellten. Gegen Teams, die in mit einer klaren Dreierkette aufbauten kam es oft zu einem Dreiersturm, der die gegnerische Abwehr mannorientiert attackierte. Das heißt, dass Hierländer aus der Achterposition sich als rechter Stürmer positionierte. Ein Beispiel aus dem Spiel gegen den SKN St. Pölten. (Abbildung 3) Kam es zu einer situativen Dreierkette attackierten die Grazer weiterhin in der Raute und die beiden Angreifer versuchten den Aufbau des Gegners auf eine Seite zu leiten, sodass sie zwei Innenverteidiger mannorientiert attackieren konnten und die Achter liefen weiterhin die Außenspieler an.

Abbildung 3: Pressing der Grazer gegen eine Dreierkette.

Bereits im Pressing konnte man schon einen großen Unterschied im Vergleich zu vergangenen Saison erkennen. Zum einen war das Pressing um einiges höher und das Anlaufverhalten war der Situation gerechter als im Vergleich zur letzten Saison mit Trainer Nestor El Maestro. Zum anderen konnte man klar Verbesserungen erkennen, wenn etwas im Anlaufverhalten nicht stimmte. Auch laut den Statistiken hat sich der Sturm Graz um einiges verbessert. Laut den Statistiken auf Fotmob haben die Grazer bereits nach elf Spielen schon mehr als die Hälfte von Balleroberungen im letzten Spielfelddrittel als in der gesamten vergangenen Saison. Mit 59 Balleroberungen sind sie zurzeit auf Platz vier der Liga und am Ende der vergangenen Saison hatte Graz insgesamt 115.

Auch die Statistiken auf der Scouting-Plattform Wyscout sagen aus, dass sie erfolgreicher im hohen Pressing waren. Im Durchschnitt eroberten die Grazer den Ball 97,7 Mal. Im Vergleich zu letzten Saison: Da kam es durchschnittlich nur zu 86,6 Balleroberungen in der gesamten Saison. Nimmt man auch ein direkten Vergleich zwischen zwei Spiele, erkennt man auch einen größeren Unterschied. In der vergangenen Saison konnten die Grazer gegen St. Pölten mit 4:0 gewinnen, hatten in dieser Partie aber nur 82 Balleroberungen. Diese waren hauptsächlich in der eigenen Hälfte und im mittleren Drittel. In dieser Saison gegen SKN hatten die Grazer über 100 Balleroberungen und es waren um einige mehr im letzten Drittel und hauptsächlich im mittleren Drittel.
Daraus kann man schließen, dass sich die Grazer im Pressing nicht nur durch die höhere Anzahl der Balleroberungen verbesserten, sondern auch die Balleroberungen viel höher waren. Hat eine Mannschaft eine Balleroberung in der gegnerischen Hälfte, hat sich auch einen geringeren Weg zum Tor. Was machen jedoch die Grazer, wenn sie den Ball erobern?

 

Kontersituationen -  Eine der Stärken der Grazer

In den offensiven Umschaltsituationen gibt es bei Sturm ein klares Muster zu erkennen. Wurde der Ball beispielsweise im Mittelfeld erobert, kam der tiefstehenste Spieler dem Ballführenden entgegen und forderte den Ball. Daraufhin kam es zu einem Doppelpass vom Ballführenden mit dem entgegenkommenden Offensivspieler. Währenddessen lief ein dritter Spieler in die Tiefe und diente als Anspielstation. Ein Beispiel aus dem Spiel gegen RB Salzburg. (Abbildung 4 &5)

Abbildung 4: Balleroberung von Ljubic im Mittelfeld.

Abbildung 5: Tiefer Pass von Kuen nach dem Prallenlassen von Jantscher.

Ljubic gewann am Flügel den Ball und spielte direkt auf Jantscher. Der Offensivspieler ließ gleich auf Kuen prallen und währenddessen lief Ljubic nach seinem Pass weiter in die Tiefe. Auch Friesenbichler erkannte nach dem Ballgewinn die Chance auf einen tiefen Ball. In dieser Situation versuchte Kuen nach dem Prallenlassen von Jantscher einen Chipball auf Friesenbichler, der jedoch ein wenig zu weit war. Allerdings konnte man sehr gut erkennen, dass nach der Balleroberung gleich zwei Spieler in die Tiefe rannten.

Auch im Spiel gegen St. Pölten sah man diesen Bewegungsablauf nach einer Balleroberung. (Abbildung 6)

Abbildung 6: Auch hier wieder das Prinzip der Grazer in der Umschaltphase.

Nach einer Ecke kam Kiteishvili zum Ball und konnte nach vorne dribbeln. Auch in dieser Situation kam Jantscher von seiner hohen Position dem Mittelfeldspieler entgegen und zog einen Gegenspieler aus der Abwehr heraus. In diesen frei gewordenen Raum versuchte daraufhin Kuen hineinzulaufen. Zwar konnte Kiteishvili Kuen nicht anspielen, aber auch in dieser Situation sah man wieder ein klares Prinzip der Grazer in den offensiven Umschaltsituationen.

 

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