Dominanter Ballbesitz Spaniens vs eiskalter Ronaldo [Spielanalyse Spanien vs Portugal]
Die erste Top-Partie der Weltmeisterschaft 2018, Spanien gegen Portugal, endete mit einem 3:3 Unentschieden. Die Spanier dominierten den Ballbesitz, in wenigen Momenten waren die Portugiesen jedoch eiskalt und erzielten durch Cristiano Ronaldo drei Tore.
Eine Spielanalyse von David Goigitzer
Spanier dominieren über Ballbesitz
Nominell trat die von Fernando Hierro übernommene spanische Nationalmannschaft im 4-1-4-1 an. Diego Costa agierte als alleinige Spitze und war umgeben von zentralen Mittelfeldspielern, die über den Platz herum den Ballführenden unterstützen und Passoptionen kreieren sollten. Die Spanier zeigten ein fluides System, das von den Qualitäten der im Mittelfeld eingesetzten Spielern bestimmt war.
Als Grundordnung kann man fast ein 2-7-1 nennen, bei dem die Außenverteidiger als Breitengeber auf einer Höhe mit dem Mittelfeld agierten. Im Aufbau übernahmen dann Ramos und Pique alleine die ersten Pässe, Busquets zentral und vor allem auf links Iniesta und Isco im vertikalen Pendel unterstützten den Spielaufbau dann. Immer wieder kippten Spanier aus der gegnerischen Formation, um sich freizulaufen und den Ball zu erhalten. Vor allem Isco und Iniesta konnten sich dann immer wieder nach vorne drehen, Gegner andribbeln und Kombinationen initiieren. So entwickelte sich ein sehr linkslastiges Spiel der Spanier, das primär von der Raute Alba-Iniesta-Busquets-Isco angetrieben wurde. Letzterer unterstützte aber quer über den Platz, wie man es auch bei Real Madrid von ihm gewohnt ist.
David Silva und Koke wurden seltener involviert, schoben aber auch immer weiter ballseitig mit, um Überladungen zu kreieren. Jene halfen auch beim Zugriff fürs Gegenpressing, die Wege zum Ball waren kürzer. Portugal wusste dies nicht mit weiträumigen Verlagerungen zu nutzen. Weiträumige Verlagerungen hätten aber auch die Spanier fokussierter nutzen können. Die Verwendung dieses Mittels per se gab es ja, die Folgeaktionen hätten jedoch durch eine etwas offensivere und dynamischere Personalie auf rechts, wie zum Beispiel Vazquez statt Nacho, noch besser sein können.
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Über diese Überladungen wollten die Spanier Kombinationen vor allem über zahlenmäßige Überlegenheit erfolgreich in Richtung des Strafraums bringen, um am Ende Diego Costa mit Hereingaben zu füttern. Der Stoßstürmer litt unter der Spielweise der Spanier in dem Sinne, dass er kaum Ballkontakte hatte. Seine zwei Tore erzielte er jedoch in typischer Manier, wie man sie von ihm kennt: Einmal eine dynamische Situation mit viel Raum und Möglichkeiten zum Dribbling. Beim anderen Tor war es ein Kopfball nach einer Standardsituation. Den Rest des Spiels war er jedoch meist abgeschottet und konnte kaum an den Ballstafetten teilnehmen. Inwiefern sich Diego Costa entweder als Glücksgriff für entscheidende Momente im Strafraum, oder als Fremdkörper im eigenen System herausstellt, wird man nach der WM besser diskutieren können.
Portugal kompakt und konsequent
In den Anfangsminuten gingen die Portugiesen durch einen Elfmeter, verwandelt von Cristiano Ronaldo, in Führung. Bei den Portugiesen sollte viel über die individuelle Durchschlagskraft des in Madrid tätigen Stürmers generiert werden. Rund um ihn gab es einige Zuhelfer, die diese Strategie unterstützen sollten. Durch Ausbalancieren der freien Bewegungen von Ronaldo wurde um ihn eine passende Struktur kreiert. Meist auf den linken Halbraum fokussiert, pendelte er vor und zurück, schaltete sich auch viel in den Spielaufbau im Zwischenlinienraum ein und tat dies vor allem mit Ablagen. Wenn Ronaldo sich auf die simpleren Dinge fokussiert, ist er am besten.
Die Offensivstrategie der Portugiesen war darauf aus, „Momente“ für ihn zu generieren und schaffte dies auch. Den Elfmeter holte er selbst durch ein Dribbling heraus, das zuvor mit guter Dreiecksbildung mit Mitspielern vorbereitet wurde. Das 2:1 fiel nach einem langen Ball, den Guedes für den Top-Torschützen auflegte. Spaniens Torwart David De Gea ließ den Schuss ins eigene Tor abprallen. Mit risikoarmer Ballzirkulation, Überladung der ersten Linie und der Flügel sowie viel Bewegung um Ronaldo herum, sowie das ständige Suchen nach einem Passweg zu ihm waren die fokussierten Mittel.
Im 4-4-2 Mittelfeldpressing wollte man die Spanier generell davon abhalten, in und um den Strafraum herum zu kommen. Man schien durchaus zufrieden damit zu sein, den Nachbarn den Ball zu überlassen, sofern diese nicht in die strategisch relevanten Zonen kamen.
Dies schien aufgrund der zweifachen Führung durchaus zu funktionieren, jedoch ist die Beurteilung hier nicht so einfach. Vor allem, weil der spanische Ballbesitz ja nicht nur offensive, sondern auch defensive Funktionen hatte. Die Portugiesen hatten selbst nicht allzu viele klare Torchancen herausspielen können. Auch nicht aus diesen fokussierten „Momenten“, deren Herstellung ein schweres Unterfangen war. Das Kontrollieren der spanischen Dominanz wollte man primär mit Mannorientierungen lösen, was natürlich ein horrendes Unterfangen wurde, da die Spanier mit so vielen Spielern ballnah unterstützten. Dies half den Portugiesen jedoch auch etwas dabei kompakt zu bleiben und ab und an Zugriff zu generieren. In der Endverteidigung agierte man stabil, hier war man ja auch quasi in 4v1 Überzahl gegen Diego Costa. Durch breit agierende Außenverteidiger konnte man auch die weiten Wechselpässe mehr oder weniger kontrollieren.
Fazit
Ein schwer zu beurteilendes Spiel: Spanien agierte sehr dominant, die ganz klaren Torchancen aus dem Ballbesitz heraus fehlten jedoch. Dennoch erzielte man drei Tore. Ähnlich auch die Beurteilung der defensiven Leistung der Portugiesen, die nicht sonderlich anfällig erschienen, aber eben drei Tore kassierten. Ebenso generierte man nicht allzu viele Chancen, aber Cristiano Ronaldo gelang ein Triplepack. Man kann also sagen: Wenige Szenen, die nicht zum „Spielfilm“ passen, entschieden dieses Spiel.