Mahnende Worte gab es in den letzten Wochen zuhauf. Wer bei einer U17-Weltmeisterschaft oder überhaupt einem Nachwuchsturnier abräumt, macht vielleicht einen kleinen Schritt auf dem Weg in Richtung einer Profikarriere, hat gleichzeitig aber noch viele harte Meter vor sich.
Die Namen der ÖFB-Mannschaft darf man sich trotzdem in Erinnerung behalten. Schlecht stehen die Chancen darauf, dass der ein oder andere in einigen Jahren für das A-Nationalteam aufläuft, jedenfalls nicht.
Was kommt jetzt auf die Talente zu? 90minuten hat mit Experten gesprochen:
Der Überflieger
Auch wenn der große Wurf im Finale nicht gelungen ist, durfte sich ein Österreicher gleich zwei Trophäen in den Koffer packen. Johannes Moser wurde von der FIFA als bester Torschütze des Turniers mit dem "Golden Shoe" und als zweitbester Einzelspieler mit dem "Silver Ball" prämiert. Dass ein Topscorer auch für sein Gesamtwerk ausgezeichnet wird, kommt bei U17-Weltmeisterschaften seltener vor, als man denken könnte.
In zwölf Austragungen seit der Jahrtausendwende ist Moser erst der sechste Spieler, dem ein derartiges Double gelingt. Die Liste seiner Vorgänger macht Hoffnung:
2017 - Rhian Brewster (England): Keine drei Monate nach dem WM-Finale erlitt der Stürmer nach einem missglückten Luftzweikampf Knie- und Knöchelverletzungen, die ein Jahr Pause zur Folge hatten - ein zuvor für möglich gehaltener Durchbruch bei Liverpool fiel flach. Einige unglückliche Entscheidungen in der Karriereplanung später spielt Brewster (25) inzwischen als Backup bei Derby County in der englischen Championship.
2015 - Victor Osimhen (Nigeria): Nach der U17-WM wurden diverse Spitzenvereine beim Nigerianer vorstellig, der sich wenige Wochen nach dem Finale trotzdem für einen Wechsel zum VfL Wolfsburg entschied. Nach Deutschland übersiedelt ist er dann aber erst Anfang 2017 und geriet zunächst zum Flop. Dank Transfers nach Belgien, Frankreich und zum SSC Napoli gelang dann aber doch noch die erhoffte Entwicklung. Auch wenn sich der 26-Jährige bis auf Weiteres aus den Topligen verabschiedet hat und nun für Galatasaray stürmt, gibt es keine Zweifel an seiner Qualität. Den "Silver Boot" als zweitbester Torschütze räumte übrigens der heutige Austria-Stürmer Johannes Eggestein ab.
2007 - Macauley Chrisantus (Nigeria): Der Stürmer ist am HSV gescheitert, zu dem er kurz nach seinem 17. Geburtstag gelotst wurde. Ein Pflichtspiel für die immer stärker kriselnden Hamburger hat er nicht absolviert, dafür zwei mäßig erfolgreiche Leihen zu Abstiegskandidaten in der 2. Bundesliga. Die einst vielversprechende Karriere blieb - abgesehen von einzelnen Episoden bei UD Las Palmas, HJK Helsinki und AEK Athen - erfolglos. Vielleicht wäre es für den heute 35-Jährigen in Österreich besser gelaufen, vor Jahren war er sowohl bei Rapid als auch Sturm Graz im Gespräch. Bei der U17-WM 2007 wurde er mit dem "Golden Boot" und hinter Toni Kroos mit dem "Silver Ball" ausgezeichnet.
2003 - Cesc Fàbregas (Spanien): Der Mittelfeldspieler wurde mit Spanien Doppel-Europameister, Weltmeister und auf Vereinsebene Meister in Spanien und England. Ihren Anfang nahm die Karriere in der Jugend des FC Barcelona, der den 16-jährigen Fàbregas aber rund zwei Wochen nach dem Finale der U17-WM zum FC Arsenal ziehen ließ. Wenig später warf ihn Trainer Arsène Wenger in einem Pokalspiel erstmals ins kalte Wasser, bei seinem Premier-League-Debüt in der Folgesaison war er bereits als Stammspieler gesetzt. Es folgte eine Weltkarriere als Spieler, seit 2023 macht sich der Spanier bei Como 1907 einen Namen als Trainer.
2001 - Florent Sinama-Pongolle (Frankreich): Nach dem Weltmeistertitel ging es für den Stürmer steil bergauf. Liverpool sicherte sich seine Dienste kurz nach dem Turnier, vorerst sollte er aber Erfahrung bei seinem Ausbildungsverein Le Havre sammeln. Als 18-Jähriger zog er mit fünf Ligue-1-Treffern im Gepäck nach England. Wirklich viel Bedarf hatten die "Reds" zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, Sinama-Pongolle blieb bis 2007, kam aber nie über ein Dasein als Reservist hinaus. Von einer erfolgreichen Karriere zu sprechen, wäre aber eine Übertreibung: 131 Spiele in La Liga (unter anderem für Atlético Madrid), 54 in der Ligue 1 und 47 in der Premier League sind beachtlich, wenn auch nicht ganz das, was man sich erhofft hat.
Ordentliche Erfolgsbilanz
Seit der U17-WM 2001 wurden mehr als 30 Talente von der FIFA mit einem "Bronze Ball", "Silver Ball", Golden Ball" oder einem "Golden Shoe" ausgezeichnet. Einige wurden später Leistungsträger bei großen Vereinen: Phil Foden, Sergio Gomez und Kelechi Iheanacho sind Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit. Andere sind den Erwartungen nicht gerecht geworden, dabei spielen oft Verletzungen und Faktoren außerhalb des Platzes ihre Rollen.
Die klare Mehrheit der Preisträger hat es aber weiter gebracht, als viele ihrer jeweiligen Jahrgangskollegen - auch weil Vereine früher und länger bereit sind, Ressourcen in sie zu investieren. Bevor man einen Spieler mit so viel zugeschriebenem Potenzial ziehen lässt, überlegen die meisten Verantwortlichen lieber eine Spur länger.
Wenn auch Johannes Moser diesen Bonus bekommt, gibt es daran aus österreichischer Sicht nichts auszusetzen. Vorerst soll sich der bald 18-Jährige in Salzburg durchbeißen, ein Bundesliga-Debüt im Frühjahr würde statistisch ins Bild passen.
Bilanz der Preisträger 2001 bis 2023:
Meilensteine | Alle Preisträger | In Europa ausgebildet |
|---|---|---|
Nationalteam-Einsatz | 45 % | 52 % |
30+ Nationalteam-Einsätze | 22 % | 23 % |
Spiel in Top-5-Liga | 65 % | 82 % |
50+ Spiele in Top-5-Liga | 42 % | 52 % |
Spiele in Europacup-Hauptbewerb | 45 % | 58 % |
Durchschnittsalter bei Erstligadebüt | 18 Jahre 139 Tage | 18 Jahre 110 Tage |
Die Weltmeister-Bilanz
Den Weltmeistertitel gesichert hat sich 2025 bekanntlich Portugal, trotzdem haben die ÖFB-Talente statistisch ähnlich gute Voraussetzungen, wie ihre Finalgegner - die Daten geben kaum einen Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Platz her.
Schnell deutlich wird aber, wie sehr bei der U17-WM im Trüben gefischt wird. Jeder Kader umfasst 21 Spieler, mit Blick auf die sechs Weltmeister zwischen 2009 und 2019 kommt so ein Pool von 126 Talenten zusammen. Die siegreiche DFB-Mannschaft aus 2023 ist zu jung, um ein erstes Fazit über ihre Fortschritte zu ziehen. Beinahe einem Drittel der 126 Spieler war keine Profikarriere vergönnt, viele weitere haben über die Jahre den Anschluss verloren und sind in schwächere Ligen abgerutscht.
Die sechs Weltmeister zwischen 2009 und 2019:
Weltmeister | Austragungsjahr | Jahrgang (Alter) |
|---|---|---|
Schweiz | 2009 | 1992 (33) |
Mexiko | 2011 | 1994 (31) |
Nigeria | 2013 | 1996 (29) |
Nigeria | 2015 | 1998 (27) |
England | 2017 | 2000 (25) |
Brasilien | 2019 | 2002 (23) |
Nur zwei der letzten sechs Titelträger stammen aus Europa, der Weg in die größten Vereine und Ligen war für viele dadurch umso weiter. Viele Spieler aus Nigeria, Mexiko und Brasilien sind in ihren Heimatländern geblieben oder nach kurzen Episoden in Europa dorthin zurückgekehrt.
Victor Osimhen erklärte vor wenigen Jahren, während seiner wenig erfolgreiche Anfangszeit beim VfL Wolfsburg habe ihm fast alles zu schaffen gemacht. Angefangen beim Wetter, der Sprache und dem Essen, aber auch die Abläufe beim deutschen Bundesligisten waren für den damals 18-Jährigen zu Beginn eine große Herausforderung. Dass England und die Schweiz statistisch besser abschneiden, sollte daher kaum verwundern.
Die Bilanz der 126 Weltmeister von 2009 bis 2019:
Meilensteine | Alle Weltmeister | Schweiz & England |
|---|---|---|
Nationalteam-Einsatz | 22 % | 30 % |
Spiel in Top-5-Liga | 23 % | 42 % |
Keine Profi-Karriere | 31 % | 14 % |
Einsatz für höhere U-Auswahl | 66 % | 100 % |
Unter den Weltmeistern finden sich einige bekannte Namen und etablierte Nationalspieler:
Schweiz: Granit Xhaka, Haris Seferovic, Ricardo Rodriguez
England: Marc Guehi, Phil Foden, Jadon Sancho, Conor Gallagher, Angel Gomes, Callum Hudson-Odoi, Morgan Gibbs-White
Nigeria: Kelechi Iheanacho, Taiwo Awoniyi, Isaac Success, Samuel Chukwueze, Victor Osimhen
Brasilien: Yan Couto, Kaio Jorge
Teil der europäischen U17-Weltmeister waren auch mehrere Spieler, die sich später für andere Nationen entschieden haben. Bei der Schweiz waren es gleich drei, bei England bis dato zwei Akteure.
Unter jenen Spielern, die in ihrer Karriere bestimmte Meilensteine erreicht haben, finden sich vor allem die Startelf-Spieler aus dem Finale wieder.
Von 126 Weltmeistern zwischen 2009 und 2019 war beispielsweise 41 keine Profikarriere vergönnt - nur 13 von ihnen haben das Endspiel von Anfang an bestritten.
Meilensteine | Final-Startelf | Kaderspieler |
|---|---|---|
Nationalteam-Einsatz | 71 % | 29 % |
Spiel in Top-5-Liga | 67 % | 33 % |
Keine Profi-Karriere | 32 % | 68 % |
Auch wenn sich Erfolg bei einer U17-Weltmeisterschaft nicht automatisch auf den Erwachsenenbereich umlegen lässt, ist er nicht gänzlich belanglos.
Vor 2025 hat Österreich zuletzt 2013 an einer U17-WM teilgenommen, ist beim Turnier in den Vereinigten Arabischen Emiraten aber glanzlos ausgeschieden. Die damalige Auswahl um Alexander Schlager, Sascha Horvath, Valentino Lazaro, Adrian Grbic und Dominik Baumgartner hinkt sowohl im Vergleich mit dem Weltmeister-Durchschnitt, aber auch gegenüber der nigerianischen Auswahl hinterher. Dieses Blatt sollte sich jetzt wenden, die Qualität dafür ist inzwischen vorhanden.
Vergleich ÖFB vs. Nigeria:
Meilensteine | Nigeria 2013 | Österreich 2013 |
|---|---|---|
Nationalteam-Einsatz | 33 % | 14 % |
Spiel in Top-5-Liga | 19 % | 10 % |
Keine Profi-Karriere | 52 % | 38 % |
Einsatz für höhere U-Auswahl | 61 % | 90 % |
Die Euphorie zum Ende der U17-WM in Katar war in Österreich zurecht groß. Auch ohne den Titelgewinn war die Leistung der Teenager historisch. Am Zug sind jetzt die Talenteförderung im ÖFB und die Ausbildungsvereine, die das Team über die kommenden Jahre aufbauen müssen.
Daniel Sauer