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Rapid auf der Suche nach Dimension(en) (3)

Djuricin hat den schlafenden Riesen Rapid erfolgreich geweckt und die Leistungen des Rekordmeisters stabilisiert. Der Vorstoß in die Top 3 ist damit gelungen. Es wird jedoch schon bald der nächste Schritt notwendig sein, um die Ergebnisse der letzten Spiele zu bestätigen.

Konnte man über die Herangehensweise des SK Rapid in Ballbesitz noch streiten, so gibt es über die Defensivleistung der Rapidler, speziell in der 1. Halbzeit, wohl keine zwei Meinungen.

 

Viel zu oft gelang es dem Tabellenführer, die Linien des Gegners zu brechen. Vor allem im Halbraum konnten die Grazer viel Raum auffinden und die Angriffe in weiterer Folge immer wieder klug über den Flügel fortführen. Entscheidend hierfür war das hohe Pressing, das die Rapidler spielen wollten, welches aber vor allem in den Halbräumen nicht ausreichend abgesichert war.

Bild 10 – Schwab rückt vor. Rapid im 4-1-4-1

Auch wenn die Rapidler nominell in einem 4-2-3-1 mit Doppelsechs aufliefen, so agierten die Hütteldorfer gegen den Ball durchgehend in einem leicht modifizierten 4-1-4-1. Dabei war es Kapitän Schwab, der eine Linie nach vorne rückte und mit Murg (beziehungsweise immer wieder auch Schaub) eine Doppel-Acht bildete. Dahinter agierte der junge Ljubicic alleine im Zwischenlinienraum. Einen Raum, den die Grazer fast schon traditionell sehr stark fokussieren.

Bild 11 – Ljubicic kann alleine nicht die Halbräume sichern.

Die Räume, die Ljubicic alleine abdecken musste, waren extrem groß. Sturm Graz besetzt diese Räume in ihrem 5-2-3, das im Ballbesitz zu einem 3-4-2-1 mutiert, fast durchgehend mit den eingerückten Halbstürmern Röcher und Huspek. Ljubicic stand dabei immer wieder auf verlorenem Posten und konnte hierbei natürlich auch keinen der beiden in Deckung nehmen, ohne den jeweils anderen freizulassen. Situativ traute sich Ljubicic jedoch schon, auf die rechte Seite rauszudriften und den einrückenden Röcher mannorientiert zu decken. Auf der Gegenseite blieb Huspek auch schlichtweg höher an der Seitenlinie und war generell nicht so häufig im Halbraum zu finden.

 

Um den Grazern den Zugriff auf diese Halbspur zu erschweren, hatten die Rapidler zweierlei Mechanismen. Einerseits versuchten die beiden Achter Schwab und Schaub/Murg sich so zu positionieren, dass die direkte Linie Koch zu Huspek sowie die direkte Linie Lykogiannis zu Röcher zugestellt ist. Doch den Grazern gelang es bemerkenswert oft, den Rücken dieser beiden anzuvisieren und die Linie der Rapidler zu brechen.

Bild 12 – Ljubicic deckt erneut viel Raum ab, Schwab rückt raus und macht dadurch Raum für die Grazer frei. Koch erkennt das gut und spielt in das rote Rechteck.

Nachdem die Grazer immer wieder in den Rücken der Mittelfeldreihe kamen (und somit den Raum neben Ljubicic besetzen konnten), mussten die Rapidler wiederum reagieren.

In der Regel wurden die Lücken im Halbraum neben Ljubicic durch einen herausrückenden Außenverteidiger abgefangen. Wurde also Röcher von Lykogiannis angespielt, rückte Stephan Auer aus der Abwehr heraus, um diesen unter Druck zu stellen.

Bild 13 – Auer muss rausrücken, das erkennt Potzmann

Doch im Endeffekt entstand durch die offenen Halbräume ein Dominoeffekt: Bei Rapid muss der Außenverteidiger notgedrungen herausrücken, um den gegnerischen Halbstürmer zu stellen, dies erkannte jedoch der durchstartende Außenverteidiger der Grazer immer wieder sehr gut und lief in den Rücken der Rapid-Abwehr ein.

 

Nicht unproblematisch war auch das hohe Pressing der Rapidler gegen sehr aufbaustarke und ruhig zirkulierende Grazer.

Bild 14a und 14b – Egal ob von innen nach außen oder von außen nach innen: Sturm löst Rapids Pressing auf. Kvilitaia möchte Maresic in den Deckungsschatten nehmen (oben), Schaub wiederum Potzmann (unten). Beides gelingt nicht.

Rapid versuchte die Dreierkette der Grazer immer wieder aggressiv anzulaufen. Dabei ging man nicht einmal so kopflos an die Sache heran, sondern versuchte immer wieder mit gebogenen Läufen den Deckungsschatten zu nutzen um den Grazern bestimmte Anspielstationen zu verwehren. Soweit, so gut.

 

Die Grazer waren an diesem Nachmittag aber im Spielaufbau eine Klasse für sich. Immer wieder konnte der Tabellenführer über einen dritten Spieler das Pressing auflösen und den Ball just zu jenem Spieler bringen, den die Rapidler zustellen wollten. Auf Bild 14a möchte Kvilitiaia mit seinem Bogenlauf Maresic aus dem Spiel nehmen. Lykogiannis bleibt trotz Druck ruhig und löst die Situation über Potzmann auf. Der Linksverteidiger lässt den Ball schließlich zu Maresic zurückprallen – das Pressing der Rapidler ist ausgehebelt.

Bild 15 – Gogos Beton

In der zweiten Halbzeit reagierte Djuricin wie bereits beschrieben mit einer sehr defensiven Ausrichtung. Rapid zog sich in die eigene Hälfte zurück und beschränkte sich auf das Verteidigen. Geplant waren theoretisch auch Konter über den schnellen Schobesberger, weshalb ihn Djuricin nach der Einwechslung von Berisha sogar als Mittelstürmer einsetzte, dieser sah jedoch in der gesamten zweiten Halbzeit kein Land. Rapid konnte dadurch mit Müh und Not das Unentschieden über die Zeit bringen.

 

Fazit

Djuricin war nach dem Spiel zufrieden. Seine Mannschaft hatte trotz dürftiger taktischer Leistung („taktisch ist nichts gelungen“) einen Punkt gegen den Tabellenführer erkämpft. Der Rapid-Trainer gab einem schlechten Tag die Schuld am Versagen in der ersten Halbzeit, dabei werden die Probleme von Rapid langsam aber sicher wieder systematisch. In den letzten Wochen und Monaten gelang es Djuricin vermehrt, das Offensivspiel seiner Mannschaft auf Schiene zu bringen. Simple Anpassungen im Zentrum brachten sofort eine große Stabilität im Defensivspiel, sowie bei der Absicherung der Angriffe. Das Gegenpressing der Rapidler ist inzwischen mehr als nur erwähnenswert und schützt die Mannschaft vor gefährlichen Kontern des Gegners; nicht umsonst ist Richard Strebinger seit 450 Minuten ohne Gegentor. Offensiv kann sich Djuricin auf die hohe Qualität seiner Einzelspieler verlassen, doch das System Djuricin bleibt vorerst auf vielen Ebenen zu eindimensional. Dies ist auch keineswegs negativ zu bewerten, es war der absolut richtige Ansatz, dem schwächelnden Rekordmeister zunächst wieder zu stabilisieren, bevor man in die Detailarbeit im Angriff geht.

 

Nichtsdestotrotz muss festgehalten werden, dass das eindimensionale Aufbauspiel über Ljubicic und Schwab langsam aber sicher vom Gegner durchschaut wird. Djuricin muss aufpassen, dass seine Mannschaft in den kommenden Runden nicht zu ausrechenbar wird.

Über den Autor: Momo Akhondi

Momo Akhondi ist neben seiner Tätigkeit bei 90minuten.at auch Analyst beim deutschen Taktik-Portal Spielverlagerung.de und arbeitet mit Bundesligatrainern aus Österreich und Deutschland zusammen.

Die Partie Sturm vs Rapid aus Sicht der Grazer

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