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Torlos, aber beeindruckend: Kombinationsstarkes Sturm spielt Rapid 45 Minuten lang an die Wand

Sturm Graz dominierte das Spiel gegen Rapid vor allem in der ersten Hälfte. Die Grazer beeindruckten mit ihrer Kombinationsstärke, konnten sich dabei aber dennoch nur wenige Chancen herausspielen und kamen letztlich zu keinem Treffer.

Eine Spiel-Analyse von Alex Belinger

  

Neo-Teamchef Franco Foda schickte seine Mannschaft in der üblichen 3-4-3-Grundformation auf das Feld. In dieser Grundformation wurde das Spiel vor allem sehr gut aufgebaut. Sturm überzeugte im ersten und zweiten Drittel mit einem sehr sicheren, ruhigen Kombinationsfußball.

 

Starkes Ballbesitzspiel der Grazer

Rapid schaffte es mit seinem 4-1-4-1 kaum, den Dreieraufbau der Grazer unter größeren Druck zu setzen. Die äußeren Mittelfeldspieler von Rapid waren sehr auf die Flügelverteidiger Potzmann sowie Hierländer fokussiert und wurden von diesen auch gut beschäftigt. Dadurch konnte sie selten Kvilitaia im Pressing gegen die Dreierkette von Sturm unterstützen. Auch durch herausrückende Achter konnte Rapid nicht genug Druck auf die Dreierkette erzeugen. Das Pressing wurde nämlich noch erschwert, durch die eher tief stehenden zentralen Mittelfeldspieler Zulj und Jeggo.

Sturm hatte so eine 3-2-Aufbaustruktur, bei welcher die Passwinkel generell passend sind und auch die Abstände im Spiel in Ordnung waren. War Sturm im Aufbau unter Druck, so diente ihnen Maresic stets als sichere Rückpassoption, über die man sich befreien und den Druck wieder auflösen konnte. Der zentrale Innenverteidiger wurde von Rapid nur selten zugestellt und speziell Jeggo und Zulj suchten ihn immer wieder, um den Ball aus Drucksituationen zu verlagen. Dazu wurden die beiden zentralen Mittelfeldspieler auch gut von den Halbverteidigern und Flügelverteidigern genutzt: Sie spielten Jeggo und Zulj immer wieder in engen Situationen an, wussten aber sofort, Maresic als dritten Spieler anzuspielen, um sich zu befreien

 

Breite Struktur und Verlagerungen

Maresic wechselte daraufhin die Seite gerne mit hohen Diagonalbällen, die er mit sehr hoher Präzision bringt, und setzte den ballfernen Flügelverteidiger ein, der fast durchgehend die Breite hielt. Dann suchten die beiden Flügelspieler gemeinsam den Durchbruch auf Außen und brachten den Ball wieder zurück in die Dreierkette oder über die zentralen Mittelfeldspieler erneut auf die andere Seite. Ansonsten leitete Maresic den Ball einfach auf Koch und Lykogiannis weiter, die daraufhin mit dem Ball andribbelten.

Bild 1: Zulj lässt auf Maresic zurückprallen. Der wechselt sofort mit einem Diagonalball die Seite. Dort ist die Bewegung gut abgestimmt: Huspek kommt entgegen und schafft so etwas Platz für den aufrückenden Hierländer.

Koch und Lykogiannis suchten vor allem mit Vertikalpässen die beiden Flügelstürmer, die sich üblicherweise vor ihnen im Halbraum aufhielten. Dies gelang in der ersten Halbzeit sehr gut, da Rapid es häufig nicht schaffte, horizontal ausreichend kompakt zu stehen und die Halbräume zu schließen. Dies lag einerseits an der sehr breiten Struktur von Sturm Graz.

 

Ballfern blieb ein Spieler quasi an der Outlinie, ein weiterer ähnlich breit. Der Zehnerraum verwaiste dafür. Wenn Rapid horizontal zu kompakt ist, dann kann nach den häufig eingesetzten Verlagerungen nicht schnell genug Zugriff hergestellt werden. So wurde das Rapid-Mittelfeld etwas auseinandergezogen. Andererseits war auch das Wechselspiel zwischen Flügelverteidiger und Flügelstürmer dafür verantwortlich. Diese interpretierten ihre Rollen variabel und wechselten zwischen Flügel und Halbraum. Hierländer etwa rückte öfters in den Halbraum ein, dafür positionierte sich dann Huspek weiter außen. Auch auf der linken Seite war dies des Öfteren der Fall.

Bild 2: Sturm bespielt den offenen Halbraum mit einem Vertikalpass von Lykogiannis auf Röcher, der direkt auf Potzmann ablegt. Ljubicic besetzt den verwaisten Zehnerraum und kann in der Aktion nicht eingreifen. Mit den vielen Verlagerungen von Sturm hatte er als alleiniger Sechser auch eine schwierige Aufgabe zu erfüllen.

Koch und Lykogiannis konnten immer wieder die Räume neben Ljubicic bespielen. Röcher und Huspek wurden meistens bei der Ballannahme gestört und konnten nie aufdrehen, jedoch üblicherweise zumindest nach Außen auf den Flügelverteidiger ablegen, wodurch man zumindest am Flügel hinter das Mittelfeld Rapids kam.

 

Sturms starke linke Seite und das Kombinationsspiel

Besonders auf der linken Seite funktionierte das Zusammenspiel zwischen Flügelverteidiger und Flügelstürmer sehr gut. Potzmann interpretiert seine Rolle sehr modern, positioniert sich bei Bedarf in zentraleren Räumen und bringt eine gute Diagonalität mit sich. Mit seinen diagonalen Dribblings konnte er mehrmals für gefährlichere Situationen sorgen. Die Ablage auf Außen nahm er sich gerne schon mit dem ersten Kontakt Richtung Zentrum mit und konnte so eine passende Folgeaktion starten.

Bild 3: Potzmann dribbelt diagonal Richtung Zentrum.

Jeggo oder Zulj und Lykogiannis unterstützen auf Außen und so wurde zu viert eine Raute gebildet. Diese gute Struktur wurde für sehenswerte Kombinationen genutzt und es gab viele, speziell für österreichische Verhältnisse, erstaunlich pressingresistente Szenen zu bewundern.  

 

Generell war die kollektive Pressingresistenz von Sturm bemerkenswert. Die Struktur der Mannschaft war insgesamt ganz gut, aber keineswegs besonders. Das breite 3-4-3 mit vielen Verlagerungen und teilweise Rautenbildung am Flügel ist unangenehm zu verteidigen. Wie Sturm diese Struktur nutzte, war jedoch richtig gut und spricht auch für die Qualität in den Trainings.

 

Viele Situationen waren zu beobachten, die Sturm spielerisch lösen konnte, während wohl die meisten anderen Teams der Liga schon zu einem hohen Befreiungsschlag gegriffen hätten. Allgemein zeigten die Spieler von Sturm eine gute Übersicht und viel Ruhe am Ball. Statt mit einem hohen Ball wurden so viele Situationen mit dem einem direkten Pass auf einen dritten Spieler gelöst. Viele Spieler wurden in Drucksituationen angespielt und fanden sofort ein passende Lösung.

Bild 4: Potzmann fängt einen Pass auf Außen ab. Andere Spieler hätten hier vielleicht schon den Ball sicherheitshalber ins Out gegrätsch und irgendwie geklärt. Potzmann spielt den Ball aber sicher zurück zu Lykogiannis, der sofort angelaufen wird. Auer verändert seine Position aus dem Screenshot leicht und blockiert - und nimmt Röcher in seinen Deckungsschatten. Wegbolzen wäre für viele Spieler die logische Entscheidung in dieser Gegenpressingsituation. Lykogiannis jedoch entscheidet sich dazu, Auers Deckungsschatten einfach mit einem Chipball zu bespielen. Er lupft also auf Röcher, der direkt auf Zulj ablegt. Das Gegenpressing ist überspielt und es bietet sich viel Platz für einen Gegenangriff.

Bild 5: Sturm gewinnt kurz vor dem eigenen Strafraum den Ball. Kvilitaia ist der einzige Spieler, der unmittelbar nachsetzt. Der Rest ist zu weit entfernt, um direkt eingreifen zu können und schiebt erst Richtung Ball. Kvilitaia wird daher im Kreis herumgeschickt. Jeggo spielt auf Zulj, der direkt zu Lykogiannis und von dort geht der Ball direkt weiter zu Maresic. Maresic wird weiterhin von Kvilitaia bedrängt, der Raum um ihn herum hat sich zudem verdichtet. Der junge Innenverteidiger behält aber die Übersicht, blickt in die Tiefe und findet dort Huspek – eine großartige Lösung. Huspek hat viel Platz und kann Ljubicic auch noch ausspielen. Erneut schaltet Sturm hervorragend um.

Mangelnde Chancenkreation

Insgesamt war die erste Halbzeit von Sturm Graz sehr stark. Im ersten und zweiten Drittel wurde sehenswert kombiniert. Allerdings gab es Probleme im vordersten Drittel. Sturm konnte nur wenige Chancen herausspielen.

 

Die Mannschaft von Franco Foda war vor allem auf Durchbrüche am Flügel fokussiert. Zu oft verendeten die Angriffe aber in den vorderen Flügelzonen. Diese Zonen haben strategisch etwa den Nachteil, dass das Spielfeld sowohl durch das Seitenout als auch durch das Torout eingeschränkt ist. Ein Vorteil ist dafür, dass diese Zonen demnach auch nicht so dicht besetzt sind wie die zentralerer Räume vor dem Strafraum. Jedoch konnte Sturm diesen Vorteil nicht so gut nutzen, da das Spiel bereits im zweiten Drittel zu oft auf den Flügel festgefahren war. Konnte Sturm also am Flügel noch weiter aufrücken, so hat Rapid bereits viele Spiele in Ballnähe gebracht und es war schwierig, von außen in den Strafraum einzudringen. Gefährliche war Sturm, wenn man bereits im zweiten Drittel wieder Richtung Zentrum kommen konnte, etwa durch den diagonal spielenden Potzmann.

 

>>> Weiterlesen auf Seite 2 - Verbesserungspotenzial gegen den Ball

So sollen die neuen ÖFB-Trikots aussehen (Bilder: footyheadlines.com)

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